Grundrecht auf Asyl

Wieso nehmen Flüchtlinge eigentlich nicht das Flugzeug?

Die Reise über das Mittelmeer ist für Flüchtlinge lang, teuer und lebensgefährlich. Dennoch gehen tausende Menschen das Risiko ein und begeben sich in die Hände von Schleppern. Wieso eigentlich?

Von Birol Kocaman Donnerstag, 21.05.2015, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 27.05.2015, 17:04 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

„Wieso soll ich mir den langen, teuren und lebensgefährlichen Weg auf einem überfüllten Boot über das Mittelmeer denn antun“, denkt sich Ahmad und fährt zum Flughafen. Lieber kauft sich der gebürtige Iraker ein Ticket für 400 Euro und steigt bequem in ein Flugzeug, anstatt den Schleppern 1.000 Euro zu zahlen. In Berlin angekommen, kann er dann in aller Ruhe einen Asylantrag stellen. Schließlich gilt europaweit die Genfer Flüchtlingskonvention. Darin haben sich alle EU-Staaten verpflicht, jedem Verfolgten Schutz zu gewähren.

Soweit die Vorstellung von Ahmad, die nur in der Theorie funktioniert. Die Praxis sieht ganz anders aus. Wieso sonst würden sich so viele Flüchtlinge in die Hände von Schleppern geben und dafür auch noch horrende Summen zahlen?

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Die Antwort steht in der Richtlinie 2001/51/EG. Danach dürfen Fluggesellschaften haftbar gemacht werden, wenn sie Person ohne Visum in die EU befördern. Formal richtet sich die Richtlinie gegen die „illegale“ Einwanderung, praktisch trifft sie aber in aller erster Linie Menschen wie Ahmad, die so gut wie keine Chance auf ein Visum haben.

Ahmed erreicht das Land, das ihm Zuflucht bieten muss, also erst gar nicht. So können Europa und Deutschland rund um den Globus weiter die Humanitätsfahne schwenken und trotzdem das Grundrecht auf Asyl und den Schutzgedanken der Genfer Flüchtlingskonvention faktisch außer Kraft setzen.

Die Richtlinie ist aus Sicht der EU ein Segen. Dank ihr können hoheitliche Aufgaben wie Grenzkontrolle auf private Fluggesellschaften übertragen und ins Ausland verlagert werden. Zwar hat bereits 1992 das Bundesverwaltungsgericht diese Praxis als verfassungswidrig bezeichnet (1 C 48/89) wegen Umgehung des Grundrechts auf Asyl, doch dieser Verfassungsbruch scheint nicht sonderlich zu stören.

Denn lukrativ ist diese Praxis auch noch. Nach einer Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs aus dem Jahr 2013 (5 A 1865/12) haften Beförderungsunternehmen für sämtliche Kosten, wenn sie Personen ohne gültige Reisepapiere transportieren. In dem konkret entschiedenen Fall musste eine ägyptischen Fluggesellschaft für einen Passagier 18.398,70 Euro zahlen! Davon waren über 16.000 Euro Haftkosten. Wie die Bundesregierung auf Anfrage der Linksfraktion mitteilt, wurden im Jahr 2014 in Deutschland Zwangsgelder in Höhe von 2,6 Millionen Euro verhängt. 2010 betrug diese Summe noch vergleichsweise niedrige 1,5 Millionen Euro.

Seit dem Bootsunglück mit tausend toten Flüchtlingen auf dem Mittelmeer vor wenigen Wochen debattiert Europa über mögliche Lösungen, wie man den Schleppern das Handwerk legen kann. Selbst skurrilste Szenarien wurden dabei simuliert und sogar beschlossen, nur die besagte Richtlinie, die Menschen wie Ahmad aus Mangel an Alternativen in die Hände eben jener Schlepper treibt, wurde nicht einmal diskutiert. Leitartikel Politik

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  1. Realist sagt:

    Ja ein Grundrecht auf Asyl gibt es, aber kein Grundrecht auf Zuwanderung. Das sind zwei verschiedene Stiefel.

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