Abschottungspolitik
Die EU schafft sich ab
Die EU ist juristisch gebunden, wirtschaftlich in der Lage und moralisch verpflichtet, Bedürftigen auf ihrem Territorium Schutz zu gewähren. Tut sie das nicht, hat sie den Friedensnobelpreis nicht verdient. Von Lea Wagner
Von Lea Wagner Mittwoch, 01.04.2015, 8:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 06.04.2015, 16:09 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Italien will Ägypten und Tunesien künftig stärker in die Seenotrettung von Flüchtlingen im Mittelmeer einbeziehen. Dabei geht es jedoch nur vordergründig darum, weitere Todesfälle zu verhindern. Entscheidend ist, dass die ägyptischen und tunesischen Boote die Geretteten zurück nach Nordafrika bringen sollen. Wie die nordafrikanischen Transitländer dann mit den Flüchtlingen verfahren, ist ihnen überlassen.
Diese Überlegungen sind Teil eines Papiers der italienischen Regierung, das sie am 20.3. anderen Mitgliedstaaten (darunter Deutschland) übermittelt hat. Italien verspricht sich davon einen „wahren Abschreckungseffekt“, wie es wortwörtlich in dem Papier heißt. Sollte die EU die italienischen Vorschläge in die Tat umsetzen, käme das einer weiteren Einschränkung des Asylrechts gleich. Dies wäre der endgültige Beweis dafür, dass die Migrationspolitik der EU gescheitert ist.
Es ist problematisch, die Verantwortung im Umgang mit den Geflüchteten Tunesien und Ägypten zu übertragen. Keines der beiden Länder verfügt über ein Asylsystem nach internationalen Standards, wie wir es in der EU kennen. Ob jemand den ihm zustehenden Schutz gewährt bekommt, obliegt der Willkür der zuständigen Behörde. Immer wieder kommt es zu kollektiven Abschiebungen in Nachbarländer, zum Beispiel nach Algerien und Libyen. Menschenrechtsorganisationen berichten regelmäßig über Übergriffe auf Flüchtende seitens staatlicher Stellen.
Die EU ist in der Pflicht, Bedürftigen auf ihrem Territorium Schutz zu gewähren. Wirtschaftlich ist sie dazu in der Lage. Außerdem darf sie sich ihrer Verantwortung nicht entziehen. Schließlich versteht sie sich als „Wertegemeinschaft“. 2012 hat sie dafür den Friedensnobelpreis verliehen bekommen. Als Grund für seine Entscheidung nannte das Komitee „den erfolgreichen Kampf der EU für Frieden, Versöhnung, Demokratie und Menschenrechte“.
Zudem hat die EU ein starkes Eigeninteresse daran, die Einwanderung zu fördern. Europa altert wie kein anderer Kontinent: Nach Angaben des Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung wird in 50 Jahren fast ein Drittel der europäischen Gesellschaft 65 Jahre oder älter sein. Heute liegt der Anteil dieser Altersgruppe noch bei rund 17 Prozent. Ein Teil der Flüchtlinge verfügt über in der EU gesuchte Qualifikationen; alle anderen könnten in den Mangelberufen ausgebildet werden. Umfragen ergeben, dass immer mehr deutsche Unternehmen bereit wären, die Kosten dafür zu tragen.
Dann stellt sich auch noch die Frage, ob die von Italien geplante Abschottungspolitik den gewünschten Effekt haben würde. Die Erfahrung hat gezeigt: Weder Infrarotkameras noch Stacheldraht oder gar Inhaftierung halten Menschen davon ab, zu fliehen. Routen und Transportmittel verändern sich lediglich. Die Kreativität der Schleuser kennt keine Grenzen – schließlich sind mit Menschenhandel mittlerweile größere Umsätze als mit Drogenschmuggel zu erzielen.
Wälzen wir also nicht unsere Verantwortung auf die Länder Nordafrikas ab, die bereits genug eigene Probleme haben. Noch ist es nicht zu spät – die Pläne Italiens können noch gestoppt werden. Dafür sollte Deutschland endlich einmal an der richtigen Stelle von seinem Gewicht in Brüssel Gebrauch machen. Anderenfalls sollten wir bald alle zusammen nach Oslo fahren – um den Friedensnobelpreis zurückzugeben. Aktuell Meinung
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Der Artikel vermischt wie leider so oft das Recht auf Asyl das politisch Verfolgten zusteht mit einer gereglten den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes Rechnung tragenden Zuwanderung. Dass alle Asylbewerber in Mangelberufen ausgebildet werden können wie von der Verfasserin behauptet ist dern frommes Wunschdenken und entbehrt jeglicher Grundlage.