EU-Gutachter
Migranten auf Jobsuche können Hartz-IV-Anspruch haben
Kurzzeitig in Deutschalnd jobbende EU-Bürger dürfen einem EU-Gutachten zufolge nicht automatisch von Hartz-IV-Leistungen ausgeschlossen werden. Generalanwalt Wathelet fordert eine individuelle Prüfung.
Freitag, 27.03.2015, 8:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 31.03.2015, 18:00 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Zuwanderer aus EU-Ländern, die in Deutschland kurzzeitig gearbeitet haben, dürfen nach Ansicht des EU-Generalanwaltes Melchior Wathelet nicht automatisch von Hartz-IV-Leistungen ausgeschlossen werden. Vielmehr müsse es eine individuelle Prüfung über eine „tatsächliche Verbindung mit dem Aufnahmemitgliedstaat“ geben, unterstreicht Wathelet in einem am Donnerstag in Luxemburg vorgelegten Rechtsgutachten. Diese Prüfung sei ab einem Aufenthalt von drei Monaten angebracht. Die Einschätzung des Generalanwalts gilt als Orientierungshilfe für die Richter des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), die in einigen Monaten ein Urteil sprechen sollen. (Az: C-67/14)
Zumeist folgen die EuGH-Richter den Empfehlungen des Generalanwaltes. Im konkreten Fall geht es um eine Schwedin bosnischer Abstammung mit drei Kindern, die in Deutschland in einem Zeitraum von elf Monaten einigen Kurzzeit-Jobs nachgegangen war. Danach suchte sie weiter Arbeit, erhielt jedoch vom Jobcenter Berlin-Neukölln nur sechs Monate lang Hartz IV. Dagegen hatte sie geklagt. Das Bundessozialgericht hatte das Dossier zur Klärung nach Luxemburg weitergereicht.
Tatsächliche Verbindung mit Deutschland maßgeblich
Für die Prüfung der „tatsächlichen Verbindung“ mit Deutschland sei etwa der Schulbesuch der Kinder zu berücksichtigen, führt Wathelet aus. Auch die „effektive und tatsächliche Beschäftigungssuche während eines angemessenen Zeitraums“ könne eine solche Verbindung nachweisen. Die frühere Erwerbstätigkeit sowie ein möglicher neuer Job nach Stellung des Sozialleistungs-Antrages seien ebenfalls zu berücksichtigen.
Das Jobcenter Berlin-Neukölln hatte sich bei seiner Entscheidung über Unterstützung für die Frau auf eine Regelung im deutschen Sozialgesetzbuch berufen, laut der Ausländer von Hartz-IV-Leistungen ausgeschlossen sind, „deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt“. Diese Regelung sei zwar konform mit europäischem Recht, meint Wathelet. Sie treffe jedoch auf den Fall der Schwedin und ihrer Kinder nicht zu.
Aufenthaltsrecht zwecks Betreuung
Sofern nachgewiesen sei, dass die jüngeren Kinder regelmäßig in Deutschland zur Schule gegangen seien, habe die Frau ein Aufenthaltsrecht zwecks ihrer Betreuung, so der Jurist. Die Kinder hätten ebenfalls ein Aufenthaltsrecht, da ein Elternteil in Deutschland berufstätig gewesen sei. Sie hätten laut EU-Gesetzgebung ein Recht auf Zugang zu Bildung.
Wathelet beschäftigte sich in diesem Zusammenhang auch mit der Frage, ob es sich bei Hartz-IV-Leistungen um Sozialhilfe im engen Sinn handele. Dieses Thema wird von Migrationsexperten in Deutschland immer wieder hitzig diskutiert. Er gehe davon aus, dass die Leistungen einem menschenwürdigen Leben dienten und daher als Sozialhilfe einzustufen seien, schreibt Wathelet. Hingegen sollten sie nicht oder erst in zweiter Linie den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern. (epd/mig) Aktuell Recht
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