Gefährlich
Der Abbau des Rechtsstaates
Das deutsche und französische Strafrecht werden immer repressiver und die Doppelstandards, die bei der Meinungsfreiheit angelegt werden, entblößen immer mehr die Heuchelei der selbst ernannten "westlichen Wertegemeinschaft". Von Kaveh Ahangar
Von Kaveh Ahangar Freitag, 06.03.2015, 8:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 02.07.2015, 16:42 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Am 18.2 wurden in Frankreich zwei Demonstranten jeweils zu einem Jahr Haft verurteilt, da sie nach dem Anschlag auf Charlie Hebdo in Nizza gegen den zunehmenden anti-muslimischen Rassismus demonstrierten und dabei „Allahu Akbar“ ausgerufen haben sollen. Ein weiterer Demonstrant wurde zu zwei Jahren Haft verurteilt, da auf seinem Facebook-Profil der Spruch „Palästina braucht uns“ zu erkennen war und zur Etablierung einer Bürgerwehr gegen Islamophobie und Zionismus aufgerufen wurde.
Bereits im November letzten Jahres verabschiedete der französische Senat ein Gesetz gegen die „Verharmlosung von Terrorismus“. Französische Behörden können nunmehr jedem Bürger die Ausreise verweigern, wenn er im Verdacht steht, sich im Ausland an „terroristischen Aktivitäten“ beteiligen zu wollen. Zudem werden Kommentare, die Terrorismus verteidigen oder billigen mit Haftstrafen von bis zu 5 und höchstens 7 Jahren geahndet.
In der Woche, in der Millionen Menschen in Frankreich für die Meinungsfreiheit demonstrierten, verhaftete die französische Polizei laut Amnesty International mindestens 69 Personen wegen „Anstiftung oder Verherrlichung des Terrorismus“. Zwischen dem 7.und 29. Januar gab es laut französischem Justizministerium 486 Rechtsfälle im Zusammenhang mit dem Charlie Hebdo Attentat. Mindestens 18 Menschen wurden zu Haftstrafen verurteilt.
Darunter: Der Komiker Dieudonné wurde verhaftet, nachdem er auf seinem Facebook-Profil die Worte veröffentlichte: „Heute Abend fühle ich mich wie Charlie Coulibaly.“ In der französischen Stadt Lille wurde ein Schüler wegen „Verharmlosung des Terrorismus“ angeklagt, nachdem er und zwei Mitschüler sich weigerten, an einer Schweigeminute für die Opfer der Anschläge teilzunehmen. Ein 8-jähriger Junge wurde von der Polizei verhört, nachdem er sagte: „Ich stehe an der Seite der Terroristen.“ Beim Verhör stellte sich heraus, dass er nicht einmal wusste, was Terrorist bedeutet.
Auch in Deutschland werden anti-muslimischer Rassismus und die Aushöhlung des Rechtsstaates von Seiten der Justiz immer schärfer. Anfang Februar verabschiedete das Kabinett ein neues Anti-Terror-Gesetz, das die Ausreise „gewaltbereiter Islamisten“ nach Syrien und in den Irak unter Strafe stellt. Wie Heribert Prantl, Ressortleiter für Innenpolitik bei der Süddeutschen Zeitung, zutreffend feststellt, wird damit „ein an sich neutraler Vorgang kriminalisiert: Reisen. Das ist so, als würde jemand als Mörder bestraft, weil er im Baumarkt einen Hammer kauft. Angeblich Verdächtige für angebliche Gedanken und Absichten zu bestrafen: das verlässt den Bereich der Rechtsstaatlichkeit.“
Man darf in Deutschland seit Jahrzehnten problemlos über den Islam, Asylsuchende, Kommunisten etc. herziehen, aber wenn man sich beispielsweise über Christen oder Juden lustig macht, wird man verhältnismäßig sehr viel schneller und stärker zensiert. Die Show der Komikerin Carolin Kebekus etwa wurde 2013 von der WDR (selbst)zensiert, da sie in einem Rap die katholische Kirche auf den Arm nahm.
Aber das Verhältnis der Nato-Staaten mit Saudi Arabien veranschaulicht so gut wie wohl kein anderes Beispiel, wie heuchlerisch der westliche Diskurs in Bezug auf Meinungsfreiheit daherkommt. In kaum einem anderen relativ stabilen Nationalstaat werden Freiheits- und Menschenrechte so sehr missachtet wie in Saudi Arabien. Dennoch ist dieser Staat der wichtigste arabische Verbündete der USA und EU-Staaten.
Das neue deutsche Anti-Terror-Gesetze sind gefährlich. Sie schränken unsere Meinungs- und Reisefreiheit ein. Sie opfern rechtstaatliche Prinzipien für paranoide und uneinlösbare Sicherheitsstandards, die wiederum noch mehr Hass und Gewalt verursachen werden.
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