Amnesty Jahresbericht
Libanon hat 715 Mal mehr Flüchtlinge aufgenommen als die gesamte EU
Im Bericht zur weltweiten Lage der Menschenrechte zieht Amnesty International eine bestürzende Bilanz: Die zunehmende Gewalt bewaffneter Gruppen hat zur größten Flüchtlingskatastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg geführt.
Donnerstag, 05.03.2015, 8:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 05.03.2015, 18:07 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
„Wir beobachten einen erschreckenden Trend: Bewaffnete Gruppen, Milizen und Terrororganisationen gehen zunehmend brutaler gegen die Zivilbevölkerung vor“, sagt Selmin Çalışkan, Generalsekretärin von Amnesty in Deutschland. Die verschiedenen Konflikte werden noch weiter angeheizt durch nationale, geopolitische und wirtschaftliche Interessen einzelner Länder. Statt den Schutz der Zivilbevölkerung ins Zentrum internationaler Politik zu rücken, wird ein gemeinsames Handeln so blockiert. Und das, obwohl die anhaltenden, bewaffneten Konflikte und die eskalierende Gewalt zur größten Flüchtlingskatastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg geführt haben.
Allerdings sind es nicht die reichen Länder, die die meisten Flüchtlinge aufnehmen, sondern die unmittelbaren Nachbarländer. Beispielsweise hat der Libanon über 715 Mal mehr syrische Flüchtlinge aufgenommen als die gesamte EU in den vergangenen drei Jahren. Neben mehr Unterstützung für die Nachbarstaaten und deutlich mehr Aufnahmeplätze in der EU müsse sich die Politik aber auch mit den langfristigen Ursachen der Konflikte beschäftigen. Da die vergangenen und andauernden Menschenrechtsverletzungen ein Nährboden für die Eskalation der Gewalt seien, sei der Einsatz für Menschenrechte dementsprechend langfristige Friedenssicherung.
„Auch unverantwortliche Rüstungsexporte tragen zu den Grausamkeiten bei, die wir dokumentiert haben“, so Çalışkan weiter. Zwar wertet Amnesty den 2014 in Kraft getretenen internationalen Waffenhandelsvertrag als Erfolg, dieser müsse jetzt aber mit Leben gefüllt werden. Die Lieferung von Waffen an Staaten und bewaffnete Gruppen, die Kriegsverbrechen und schwere Menschenrechtsverletzungen begehen, müsse gestoppt werden.
Einige Forderungen richten sich direkt an Exportweltmeister Deutschland: „Die Bundesregierung muss mehr für die Konfliktprävention tun und deutsche Waffenexporte noch strenger kontrollieren“, stellt Çalışkan fest. Außerdem sollten viel mehr Friedensfachkräfte, Polizisten, Justizbeamte und politische Mediatoren in Krisengebiete entsannt werden. Denn der Aufbau von Justiz und Polizeiwesen und die Etablierung einer Kultur der Menschenrechte sei die Basis für Frieden. Dauerhafte friedliche und menschenwürdige Verhältnisse könnten jedoch erst dann geschaffen werden, wenn für Menschenrechte überall und für alle Menschen eingetreten würde, unabhängig zu welcher Konfliktpartei sie gehören.
Der Amesty-International-Jahresbericht 2014/15 wurde vergangene Woche in Berlin vorgestellt. In diesem beschreibt die Organisation die Menschenrechtssituation in 160 Ländern. (sl) Aktuell Politik
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