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Auf der Flucht © Aleksandar Lazovski @ flickr.com (CC 2.0), bearb. MiG

Flucht aus Kosovo

In Deutschland ist alles besser

Armut sei kein Asylgrund, pochen deutsche Innenminister und schieben 99 Prozent aller Flüchtlinge aus Kosovo ab. Bald könnte auch die Familie Haziri dran sein. Sie waren gekommen, um nach einer neuen Perspektive für ihr Leben zu suchen.

Von Martina Schwager Montag, 02.03.2015, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 05.03.2015, 18:07 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Sie leben derzeit zu sechst in einem Zimmer im Erstaufnahmelager für Flüchtlinge in Osnabrück. Mutter, Vater, zwei erwachsene Söhne, eine Schwiegertochter und die einjährige Enkelin hausen auf rund 20 Quadratmetern. Aber sie klagen nicht: „Wir haben Betten, es ist warm und wir bekommen zu essen“, sagt der älteste Sohn Kastriot Haziri (26) in akzentfreiem Deutsch. Er und seine Familie geben nicht auf. Vor 15 Jahren wurden die Kosovaren schon einmal aus Deutschland abgeschoben, nachdem sie zehn Jahre in der Nähe von Stuttgart gelebt hatten. 1990 hatten sie dort vor dem Balkankrieg Schutz gefunden. Jetzt sind sie wieder da – geflüchtet vor Armut und Perspektivlosigkeit.

Die Haziris gehören zu den rund 20.000 Menschen, die seit Jahresbeginn aus dem Kosovo nach Deutschland gekommen sind. Bei 99 Prozent von ihnen sehen die Innenminister null Chancen auf ein erfolgreiches Asylverfahren. Sie wollen sie so schnell wie möglich zurückschicken. Er könne verstehen, dass sie sich in Deutschland ein besseres Leben erhofften, sagt der niedersächsische Ressortchef Boris Pistorius (SPD). Aber Armut sei nun mal kein Asylgrund. Zudem verstopften sie das gesamte System, so dass diejenigen, die Schutz vor Krieg, Gewalt und Verfolgung bräuchten, nicht angemessen untergebracht und betreut werden könnten.

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Während einer von Pistorius initiierten Telefonkonferenz hatten sich alle Innenminister mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auf eine Beschleunigung des Asylverfahrens für Kosovaren geeinigt. Nach nur zwei Wochen sollen sie abgeschoben werden können, noch bevor sie auf die Kommunen verteilt werden. Das soll auch der Abschreckung dienen, damit nicht noch mehr ihrer Landsleute ihr Glück in Deutschland versuchen.

Die Flüchtlingsorganisation „Pro Asyl“ bezweifelt allerdings, dass sich Verfahren von heute auf morgen verkürzen lassen. Sie dauern sonst oft Monate oder Jahre. Der Osnabrücker Politikwissenschaftler Jürgen Oltmer warnt, die Menschen hätten nach wie vor ein Einspruchsrecht. Er fordert ebenso wie der niedersächsische Flüchtlingsrat, die deutschen Behörden sollten den Kosovaren befristete Arbeitsverträge abseits des Asylsystems ermöglichen.

Haziris sind jetzt immerhin schon vier Wochen in Deutschland. „Und wir haben den Transfer“, erzählt Kastriot. „Transfer“ ist das Zauberwort für den Umzug aus dem Aufnahmelager in eine Gemeinde. Ostfriesland ist ihr Ziel, schon nächste Woche. Wo genau sie dort unterkommen, kann er im Moment nicht sagen.

In Süddeutschland kennen sich Kastriot und sein Bruder Patriot (24) Haziri besser aus. In Münzingen sind sie aufgewachsen und zur Schule gegangen. Sie sprechen perfekt Deutsch. Die Aufforderung, zurück in den Kosovo zu gehen, traf sie damals wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Aber sie gingen freiwillig, wollten keinen Ärger machen. Für die Jungen, damals zwölf und zehn Jahre alt, war es schwer, Fuß zu fassen in einer kleinen Stadt nahe Pristina: „Drei Jahre hat es gedauert. Wir wurden immer gehänselt, weil wir nicht richtig albanisch sprachen“, sagt Kastriot. „Für mich ist immer noch Deutschland meine Heimat.“

Zwar hatten sie alle im Kosovo Arbeit: als Taxifahrer, Kellner, Reinigungskraft. Verdient hätten sie aber wenig, sagt Kastriot Haziri. „Chancen auf bessere Bildung und Jobs haben dort nur die Reichen.“ Die medizinische Versorgung sei schlecht und teuer. Bekannte hätten erzählt, in Deutschland würden Fachkräfte gesucht. Seine Eltern seien krank. Deshalb hätten sie sich entschieden, es noch einmal in Deutschland zu versuchen. „Wir haben alles verkauft, um uns die Reise leisten zu können“, sagt Vater Ismet (58). 5.000 Euro habe ein Schleuser für die Fahrt in einem Kombi verlangt.

Nun hoffen sie einfach, dass sie bleiben können, sagt Kastriot Haziri und lächelt unsicher. Er hält seine einjährige Tochter Adea auf dem Arm. In Deutschland sei alles besser, die Menschen seien netter. Und seine Mutter Mevyde (51) ergänzt: „Dort gibt es nichts, das man vermissen könnte.“ (epd) Gesellschaft Leitartikel

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