Grandiose Idee!

Einen Flüchtling aufnehmen – warum nicht?

Mit Hilfe einer Internetplattform will eine Initiative bundesweit Flüchtlinge in Wohngemeinschaften vermitteln. Ziel ist es, möglichst viele in einer würdevollen Umgebung unterzubringen. Hunderte haben sich bereits registriert.

Von Sebastian Stoll Freitag, 20.02.2015, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 25.02.2015, 16:42 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Hätte Mareike Geiling (28) nicht wegen ihres Studiums für zehn Monate nach Kairo gemusst – wahrscheinlich hätte es all das nie gegeben. So aber musste ein Mieter für ihr Berliner WG-Zimmer gefunden werden, und weil sie und ihre Mitbewohner kurz vorher eine Dokumentation gesehen hatten über die schlimmen Zustände in einem deutschen Flüchtlingsheim, war schnell klar: Es soll kein gewöhnlicher Mieter sein. „Wir haben dann über einen Kontakt mit dem Flüchtlingsrat in Berlin einen jungen Mann aus Mali vermittelt bekommen. Anschließend haben wir uns überlegt: Das kann man bestimmt ausbauen“, sagt Mareike Geiling. Also wurde die WG zum e.V., ein paar Freunde schlossen sich an.

Was Mitte November als spontane Idee angefangen hat, ist binnen Monaten zu einem beachtlichen Projekt geworden: Unter der Internetadresse www.fluechtlinge-willkommen.de bringen seine Macher Flüchtlinge und Wohngemeinschaften in ganz Deutschland zusammen. Programmiert hat die Seite ihr Freund und Mitbewohner im Alleingang. „Flüchtlinge sind in Deutschland viel zu oft in Sammelunterkünften untergebracht. Das finden wir schlimm und wollen wir ändern“, sagt Mareike Geiling.

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Oft ist Kostenübernahme möglich
Rund 400 Wohngemeinschaften haben sich den Initiatoren zufolge bis heute auf der Seite registriert, auf einem speziellen Formular können sie eingeben, wie viele Menschen in ihr leben, welche Sprachen in ihr gesprochen werden oder ob sie schon Erfahrung mit Flüchtlingen haben. Diese können sich auf einem weiteren Formular eintragen, rund 70 haben das bislang getan.

Zudem können sich über die Internetseite auch Unterstützer melden – Menschen also, die mitarbeiten möchten, die eine Sachspende haben oder sich an der Miete beteiligen wollen – sofern diese überhaupt anfällt und der neue Mieter sie nicht selbst zahlen kann. „Das betrifft aber gar nicht so viele Flüchtlinge“, sagt Geiling. Oft sei eine Kostenübernahme durch Behörden möglich. Ob dem so ist, das überprüft „Flüchtlinge Willkommen“ auch.

Es gibt eine richtige Willkommens-Szene
Ein knappes Dutzend Wohngemeinschaften und Flüchtlinge hat der Verein bis Anfang Februar schon zusammengebracht, sagt Mareike Geiling, mit zunehmendem Bekanntheitsgrad der Seite werden es mehr. „Vor allem registrieren wir einen gewaltigen gesellschaftlichen Zuspruch. Viele Leute sagen uns: ‚Auf so etwas haben wir ewig gewartet.'“ Ganz besonders freue sie, dass die drittmeisten WG-Anmeldungen aus Sachsen kämen, dem vermeintlichen „Pegida“-Land.

Ganz ähnlich nimmt man die gesellschaftliche Stimmung bei der Hilfsorganisation Pro Asyl wahr: „Es gibt eine richtige Willkommens-Szene, das sind unserer Einschätzung nach viel mehr Initiativen als solche, die sich gegen Zuzug organisieren“, sagt der stellvertretende Geschäftsführer Bernd Mesovic. Fast überall, wo Flüchtlingsheime geplant würden, gebe es auch gleich Menschen, die helfen – und oft auch solche, die selber Flüchtlinge aufnehmen wollten.

Leitfaden bietet erste Hilfe
Die Organisation hat deshalb einen Leitfaden erstellt, was Aufnahmewillige beachten müssen und welche Hilfsmöglichkeiten es gibt. Allerdings seien solche Initiativen bislang immer spontan vor Ort entstanden – mit einem bundesweiten, webbasierten Angebot habe man noch keine Erfahrung gemacht. „Das ist auf jeden Fall einen Versuch wert“, sagt Mesovic.

Das gilt auch für Österreich, wo es seit Anfang dieses Jahres die Internetseite www.fluechtlinge-willkommen.at gibt. Wie viel noch möglich ist, wie weit das Projekt noch wachsen kann, das hängt auch von seinen Ressourcen ab: Momentan arbeiten alle im Verein ehrenamtlich – Mareike Geiling hofft, dass sich das einmal ändert. „Es gibt so viele Sachen, die man noch tun könnte und es frustriert, wenn einem dafür die Zeit fehlt“, sagt sie. Wenn sie im Sommer aus Kairo zurückkommt und ihr WG-Zimmer wieder selbst braucht, hat der junge Flüchtling aus Mali das Versprechen, dass die WG ihm bei der Zimmersuche hilft. Im Notfall soll er bleiben dürfen, bis er was hat. (epd) Gesellschaft Leitartikel

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