Kamera, Fernsehen, Lachen, Witzig, Mann, Komik
Das ist kein Witz. Oder doch? © Rosino @ flickr.com (CC 2.0), bearb. MiG

Das ist kein Witz

„Was sagen Sie zu der Aussage, dass Männer im Islam mehr wert sind als Frauen?“

Seit der frauenfeindlichen Predigt eines Imams in der Berliner Al-Nur-Moschee rufen immer mehr "Experten" Muslime dazu auf, sich kritisch mit dem Frauenbild des Islam zu befassen. So auch ein öffentlicht-rechtliches Kamerateam mitten in Kreuzberg. Von Ozan Keskinkılıç

Von Ozan Keskinkılıç Freitag, 06.02.2015, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 13.02.2015, 14:08 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Kreuzberg ist eine Herberge für Komödien. Daran wurde ich gestern gegenüber von Dileks Blumenladen nähe Kotti erinnert. Aus dem Schutz der Anonymität der Berliner Großstadt gerissen, wird mir von einem Fernsehteam eines öffentlich-rechtlichen Senders ein Mikro vor die Nase gehalten. „Was sagen Sie zu der Aussage, dass Männer im Islam mehr wert sind als Frauen?“ Bei jedem nachfolgenden Wort verlangsamt sich die Zeit um mich herum und alles bleibt für einen kurzen Augenblick stehen. In der Stille dieses Moments breitet sich auf meinem Mund ein Lächeln aus.

Ich blicke dem Kameramann in die Augen, und lache herzhaft. Ich lache, drehe mich um und gehe weiter. Der Reporter ist sichtlich empört über die ehrliche, ach so menschliche Geste und ruft hinterher: „Warum lachst du? Das war kein Witz.“ Jetzt sind wir offenbar schon per du. Aber gut genug kennt er mich nicht, um zu verstehen, dass diese Aussage für mich einem Witz gleichkommt, geschmückt mit der unverkennbaren Note rassistischer Ignoranz.

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Mittlerweile zähle ich fünfundzwanzig Jahre tiefster Verbundenheit zu dem Fleckchen Erde, das sich Deutschland nennt. Geburtsland und Heimat. Hier habe ich das Licht der Welt das erste Mal erblickt, mit ihr gelacht, geliebt und gelebt. Und hier habe ich gelernt, was es heißt, durch die Blicke anderer zu existieren. Meine Umwelt schien mich besser zu kennen, als ich mich selbst. Sie hatten Wahrheiten über meine Kultur, Religion und Identität – vieles, das in der liebevollen Erziehung meiner Familie vollkommen untergegangen ist.

Wieso haben meine Eltern mir nicht von unseren angeborenen muslimischen Talenten erzählt? Von dieser Macht, ganz Europa im Stillen zu islamisieren. All die Jahre habe ich mich unterschätzt. Ich scheine einer Gruppe von Menschen anzugehören, die das Potential trägt, ganze Welten durch die Invasion kopftuchtragender Gebährmaschinen und ihrer schier endlosen Testosteron überladenen Munition zu erobern. Unter meiner olivgrünen Haut schimmert das Blut eines Gotteskriegers, gefährlich, dunkel, ein Analphabet wenn es um Demokratie, Menschenrechte und Moderne geht. Eine tickende Zeitbombe also, die von einem Moment in den nächsten zu Hulk wird, Dschihad-Hulk. Meine Feinde bezwinge ich mit dem mir angeborenen Sinn für Hass und Terrorismus. Hauptberuflich unterdrücke ich Frauen, nebenher führe ich das Scheinleben eines orientalischen Gemüse- und Blumenhändlers, der durch die von Al-Shabab Milizen gepflückten Rosen aus Kenia Brüder und Schwestern radikalisiert.

Ich lache. Und zwar aufgrund solcher Fantasiefluten, die auch die PEGIDA-kritisierende Medienladenschaft so sehr überschwemmt. Und ich lache, weil ich offenbar all das sein kann, ohne etwas dafür tun zu müssen – einfach „anders“. Mein Lachen richtet sich an die Blindheit von Menschen, die ihren eigenen Feind erfinden und nicht sehen, dass sie den Schlüssel für das Ende dieses jahrhundertealten Unsinns im eigenen Kopf tragen. Und das ist wirklich kein Witz. Leitartikel Meinung

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  1. Cengiz K sagt:

    Zu der Frage kann nur gesagt werden, dass die in ihr verborgene Aussage falsch ist.. Wer mit Behauptungen in dieser Weise hantiert, hat in der Regel ein schweres Standbein mit der Vernunft im Allgemeinen.. Die Reaktion des Schreibers ist nachvollziehbar..

  2. openyourmind sagt:

    @ mika:

    „Hmmm…da keimt in mir die Frage auf, ob im Katholizismus auch Männer mehr wert sein sollen als Frauen“

    In den meisten Religionsgemeinschaften scheint das der Fall zu sein. Auf diese Frage immer nur zu lachen wie der Autor macht und alles mit vermeintlichen Fantasiefluten abzutun ist sicher nicht die richtige Herangehensweise.

  3. der Fragende sagt:

    also, wie ist es denn nun? Hat die Frau laut Koran (Wort Gottes) die gleichen Rechte oder nicht? Also was steht denn im Koran nun? Kann das vielleicht ein Muslim beantworten?

    Was der Autor und scheinbar auch andere Muslime hier nicht verstehen: Nicht-Muslime bekommen zunehmend mehr Angst vor dem Islam. Welche Gründe das hat, ist erstmal nebensächlich. Aber auch in meinem Freundeskreis, der vor 2 Jahren noch absolut pro-islamisch, pro-ausländer war, hat sich die Meinung geändert. Der Islam ist bei allen meinen nicht-moslemischen Freunden mittlerweile eine Art Feindbild. Nicht-muslimische Freunde trennen sich langsam von Muslimen ab.

    Und wenn der Autor dann über Fragen, die für ihn klar sind, nur lacht. Wenn sich Muslime nicht in der Pflicht sehen, zu demonstrieren gegen islamischen Terror, dann trägt das zumindest nicht dazu bei, diese Ängste abzubauen. Das ist jedermanns recht, natürlich. Keiner muss demonstrieren. Alles kann man abblocken und belächeln. Aber so wird es nicht gut. Und ehrlich, ich weiss nicht, wo das hinführen soll.

  4. Limon ( Türkin ) sagt:

    @der Fragende
    Das Dilemma ist : wer ist wer?

    Zu ihrer Frage : im Koran hat die Frau NICHT die gleichen Rechte wie ein Mann.

    Die Frage, die ich mir aber plötzlich ständig stellen muss, ist, welche ( kein) Muslimin bin ich denn für Sie oder für diesen Imam, wenn ich nicht an das glaube.

    Es gibt da für mich nämlich niemanden, der das bestimmen kann.

  5. mika sagt:

    Religion ist das, was wir daraus machen! Wenn ich vorher ein gewaltbereiter, frauenverachtender Mensch bin, dann bin ich es diesmal mit religiösem Hintergrund, dessen Weltbild entsprechend durch den Koran oder Bibel durch gewisse Passagen gerechtfertigt wird. Wenn ich ein friedliebender Mensch bin, ebenso!

    Im Islam ist die Frau eindeutig als Geschenk Gottes an die Männer definiert. Aber auch das scheint bei einigen Auslegungssache zu sein….

  6. Der Autor lacht über die Frage. Lachen kann eine Verlegenheitsreaktion sein und scheint sie auch in diesem Falle zu sein.

    Verlegen macht sicher, dass hier ein für viele Religionen gültiger Sachverhalt wieder einmal einzig am Islam abzuhandeln gesucht wird.

    Verlegen kann sicher auch machen, dass diese Frage „überfallsartig“ gestellt wird und das mitten auf der Straße.

    Verlegen kann sicherlich auch die Tatsache machen, dass in Wahrheit viele muslimische Männer ihren Frauen hohe Wertschätzung entgegen bringen und es für sie nicht in Widerspruch zu ihrer Religion steht Frauen mit besonderer Achtung und Achtsamkeit zu behandeln sowie ihren hohen Wert anzuerkennen.

    Dennoch lassen sich negative Ausläufer, die es auch gibt, nicht allein mit einem Verlegenheitslachen abhandeln und behandeln.

    Josef Özcan (Diplom Psychologe)
    http://www.mig-gesundheit.com

  7. Magistrat sagt:

    Niemand hat der Frau jemals mehr Ehre, Würde und Respekt zu Teil kommen lassen, als es der Prophet Muhammad (saws) getan hat. Das Frauenbild des Islams ist in vielerlei Hinsicht sogar für den aufgeklärten Westen zu fortschrittlich. Kann die deutsche Frau erst seit wenigen Jahren ihren Mädchennamen in der Ehe beibehalten, so war dies im Islam schon seit 1400 Jahren so. Ähnlich das Güterrecht: Im Islam ist das Vermögen der Ehefrau nicht Vermögen der Familie, sie kann darüber auch in der Ehe frei verfügen und es verwalten. Es gibt so vieles, was schlicht unterschlagen oder eiskalt verdreht wird in den Medien. ZB die plumpe Behauptung, ein Mann, der von einer Frau getötet wurde, käme nicht ins Paradies. Das sind so seltsam, schwachsinnige Vorstellungen, da kann ich den Autor nur verstehen, dass sich er auf die Frage schon gar nicht einlässt.
    Vielleicht liegt das Missverständnis auch einfach darin, dass man hier eine andere Vorstellung von Gleichberechtigung hat: Im Islam versteht man darunter nicht, dass man sich weniger kleidet oder optisch an den Mann anpasst. Dort hat man als Frau Würde um der Frau sein willen. Gleichberechtigung heißt nicht Gleichmacherei. Eine Frau ist nun mal anders veranlagt als ein Mann. Umgekehrt sind es nunmal auch die Männer, die in der Gesellschaft gewöhnlich die niedrigsten, härtesten und gesundheitsgefährlichsten Berufe ausüben. Mann und Frau stehen nicht in Konkurrenz zueinander, sie komplementieren, ergänzen, vervollständigen sich gegenseitig erst. Keiner kann ohne dem anderen. Aber jeder braucht, dass der andere seine Funktion dabei erfüllt, und diese Funktionen sind naturgemäß teilweise unterschiedlich. Das nennt man in der Ökonomie Arbeitsteilung.

    Wie grotesk diese formale Gleichmacherei ist, lässt sich mit dem Bild vom Affen, Fisch, Elefanten, Vogel und der Giraffe veranschaulichen. Die Prüfungsaufgabe lautet für sie alle – damit die Gleichheit gewahrt ist – klettern Sie diesen Baum!