Sonderauswertung Religionsmonitor
Muslime in Deutschland mit Staat und Gesellschaft eng verbunden
Die hier lebenden Muslime orientieren sich in ihren Einstellungen und Lebensweisen stark an den Werten in der Bundesrepublik. Das allerdings nimmt die Mehrheitsbevölkerung kaum wahr. Sie steht dem Islam zunehmend ablehnend gegenüber. Für die hier lebenden Muslime bedeutet das Ausgrenzung und Belastung.
Freitag, 09.01.2015, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:44 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die meisten der vier Millionen Muslime in Deutschland sind ein Teil dieses Landes. Ihre Einstellungen und Sichtweisen orientieren sich stark an den Grundwerten der Bundesrepublik wie Demokratie und Pluralität. Umgekehrt stehen den Muslimen und ihrer Religion aber große Teile der nicht-muslimischen Bevölkerung ablehnend gegenüber. Das zeigt die „Sonderauswertung Islam“ aus dem Religionsmonitor der Bertelsmann Stiftung.
Die Studie belegt eine starke Verbundenheit der Muslime mit Staat und Gesellschaft. 90 Prozent der hochreligiösen Muslime halten die Demokratie für eine gute Regierungsform. Neun von zehn Befragten haben in ihrer Freizeit Kontakte zu Nicht-Muslimen. Jeder zweite hat sogar mindestens genauso viele Kontakte außerhalb seiner Religionsgemeinschaft wie mit Muslimen.
Mehrheitlich fromm und liberal
Muslime in Deutschland zeigen sich mehrheitlich fromm und liberal zugleich. 63 Prozent der Muslime, die sich als ziemlich oder sehr religiös bezeichnen, überdenken regelmäßig ihre religiöse Einstellung. Einer Heirat unter homosexuellen Paaren stimmen rund 60 Prozent von ihnen zu. Von den hochreligiösen Muslimen, die ihre Glaubensgrundsätze selten hinterfragen, tun dies immerhin noch 40 Prozent. In der Türkei hingegen, dem Hauptherkunftsland der Muslime in Deutschland, gibt nur jeder dritte hochreligiöse Muslim an, seinen Glauben regelmäßig zu überdenken. Gleichgeschlechtliche Ehen befürworten dort lediglich 12 Prozent der Hochreligiösen.
Die Verbundenheit der Muslime mit Deutschland und seinen gesellschaftlichen Werten trägt jedoch nicht dazu bei, dass sich negative Vorurteile gegenüber dem Islam abbauen. Im Gegenteil: Nach einer aktuellen repräsentativen Umfrage im Auftrag der Bertelsmann Stiftung empfinden 57 Prozent der nicht-muslimischen Bundesbürger den Islam als Bedrohung. Im Jahr 2012 waren es 53 Prozent. „Für Muslime ist Deutschland inzwischen Heimat. Sie sehen sich aber mit einem Negativ-Image konfrontiert, das anscheinend durch eine Minderheit von radikalen Islamisten geprägt wird“, sagt Yasemin El-Menouar, Islam-Expertin der Bertelsmann Stiftung.
So äußern 61 Prozent der Bundesbürger die Meinung, der Islam passe nicht in die westliche Welt. Im Jahr 2012 hatten das 52 Prozent gesagt. 40 Prozent der Befragten fühlen sich zudem durch Muslime wie Fremde im eigenen Land. Jeder Vierte will Muslimen sogar die Zuwanderung nach Deutschland verbieten.
Download: Der Religionsmonitor der Bertelsmann Stiftung untersucht die Bedeutung von Religion für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in religiös und kulturell vielfältigen Gesellschaften. Eine Zusammenfassung der Sonderauswertung gibt es hier.
Alter und persönlicher Kontakt entscheidend
Diese Einschätzungen finden sich keineswegs nur am Rand der Gesellschaft. Weder die politische Orientierung, das Bildungsniveau noch der Sozialstatus beeinflussen das Islambild der Deutschen nennenswert. Entscheidender sind das Alter und der persönliche Kontakt zu Muslimen.
Von den über 54-Jährigen fühlen sich 61 Prozent durch den Islam bedroht, von den unter 25-Jährigen hingegen nur 39 Prozent. Die Angst ist zudem am stärksten dort, wo die wenigsten Muslime leben. In Nordrhein-Westfalen, wo ein Drittel von ihnen wohnt, fühlen sich 46 Prozent der Bürger bedroht. In Thüringen und Sachsen, wo kaum Muslime leben, äußern das 70 Prozent. Obwohl die große Mehrheit von 85 Prozent der Deutschen sagt, sie stehe anderen Religionen sehr tolerant gegenüber, scheint dies nicht für den Islam zu gelten.
Özoğuz: Mehr Begegnungen schaffen
Trotz des immer besser gelingenden Zusammenlebens der Religionen in Deutschland bestehe die Gefahr einer breit durch die Bevölkerung gehenden Islamfeindlichkeit, sagt Yasemin El-Menouar: „Es gibt vieles in Deutschland, was Muslime und Nicht-Muslime verbindet. Daraus kann ein Wir-Gefühl wachsen. Aber dafür bedarf es einer stärkeren Anerkennung und Wertschätzung der Muslime und ihrer Religion.“
Die Ablehnung des Islam müsse sehr nachdenklich stimmen, sagte Staatsministerin Aydan Özoğuz (SPD), Integrationsbeauftragte der Bundesregierung. Der Befund, dass sich die Muslime in der bundesdeutschen Gesellschaft verankert sähen, widerlege aber das Vorurteil von Parallelgesellschaften. Özoğuz warb für mehr Begegnungen von Muslimen und Nicht-Muslimen in ihren Nachbarschaften und im Alltag. Für die Sonderstudie wurden von TNS-Emnid im November 937 Nicht-Muslime über ihre Einstellungen zum Islam befragt. (eb) Gesellschaft Leitartikel Studien
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Ich finde die Zahlen dieser Erhebung erschreckend. Wenn von vier Millionen Muslimen in Deutschland sich nur 90 Prozent an westlichen Grundwerten wie Demokratie und Pluralität orientieren, dann heisst das doch im Umkehrschluss, dass es 400.000 Muslime in Deutschland gibt, die mit diesen demokratischen Grundwerten nichts im Sinn haben, und sie ablehnen.
Das ist wirklich eine grosse Anzahl. Und die dürfte wohl geeignet sein, bei vielen in Deutschland Angst zu erzeugen vor diesen Muslimen und vor dem Islam.
@ Kugelblitzer
10 Prozent kämen in jeder Bevölkerungsschicht zusammen. Gehen Sie am besten mal in die neuen Bundesländer und mach die Umfrage dort mal ;) Da kommen Sie auf ganz andere Werte, die unterm Strich dennoch nicht schlimm sein müssen, da sich in der Ablehnung der Demokratie in aller Regel das Gefühl liegt, nicht repräsentiert zu werden von den Volksvertretern – unsere Bundeskanzlerin und unser Präsident aus Ostdeutschland stammen. Die 10 Prozent unter den Muslimen überraschen mich daher, weil sie so niedrig ausfällt.
@ Kugelblitzer:
Im Text steht „90 Prozent der hochreligiösen Muslime“. Um die tatsächliche Zahl, die zu diesen 90 Prozent gehört, nennen zu können, müsste man wissen, wie viele der vier Millionen zu der „hochreligiösen“ Gruppe gezählt werden.
Ich habe nur eine Frage. Wie stellt sich hier die Ausgrenzung dar? Ist man ausgegrenzt, wenn man mit den Kollegen abends nicht weggehen kann, ist man ausgegrenzt, wenn man zu Weihnachten nicht eingeladen wird, ist man ausgegrenzt, wenn man, ja, wenn man was??????
Ich verstehe den Begrif in diesem Zusammenhang nicht, denn unter Ausgrenzung verstehe ich, wenn man von Freunden geschnitten wird, in der Familie in die Ecke gedrängt wird, eben solche Dinge.
Wann also ist man als Muslim ausgegrenzt?
Mir kommt dieses Wort wie ein Kampfbegriff (nicht zu widerlegen und nicht zu definieren)vor und niemand kann sich was Explizietes vorstellen drunter.