Wahn & Sinn
Requiem for a Dream
Es war ein schöner Traum: Friede. Doch irgendwann muss wohl jeder aufwachen und sich eingestehen, dass Visionen vielleicht kugelsicher sein mögen, dass Visionäre aber sterblich sind.
Von Sven Bensmann Dienstag, 09.12.2014, 8:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 09.12.2014, 17:41 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Hachja, Old Europe, merkilistisches Großdeutschland – was soll ich noch schreiben? Wenn man über Stars in zweifelhafter Gesellschaft schreibt, fühlen die sich immerhin in ihrem Tun soweit ertappt, dass sie ihre Anwälte schicken; von euch aber gibt es keine Regung: Ist der Ruf erst ruiniert…
Und so schickt ihr weiter eure Soldaten – aber nicht etwa in Redaktionsstuben oder zu Kolumnisten, sondern dorthin, wo sich mehr verdienen lässt. Kein Wunder, dass es mit dem Journalismus bergab geht: Die Vierte Gewalt, sie hat nicht nur weitgehend dieser Gewalt abgeschworen, sie ist auch ziemlich zahnlos geworden. Breiige Boulevardthemen wie : „Junge Türkin wird Opfer ihrer eigenen Courage, aber dummerweise ist es diesmal kein Ehrenmord“ oder: „Deutscher Rechtsaußen verkaufte als Jesusimitator Millionen Platten“ machen noch Quote. „Warum stehen deutsche Soldaten eigentlich schon wieder vor Stalingrad?“ nicht. Andererseits: Scheiss auf die Quote!
Was also ist aus euch geworden, ihr Pazifisten, ihr Friedensbewegten und -beweger?
In ziemlich schmierige Gesellschaft habt ihr euch begeben: Esospinner und Verschwörte, Grüne und Taz’ler, Menschen, die das Messer in der Hand und die Bombe im Keller für die beste Chance auf Frieden halten, Leute also, die einem nicht unbedingt in den Sinn kommen, wenn man an Pazifismus denkt.
Ihr geht kaum mehr auf die Straße, und wenn, dann meist nur, wenn ihr euch an jene Kaputten ranhängen könnt, die fröhlich in den Genpool pinkeln.
Ja sicher, ihr habt es auch nicht einfach. Gerade erst hat sich die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BDA) öffentlich von den Mahnwachen im sogenannten „Friedenswinter“ distanziert. Eine Zusammenarbeit sei völlig ausgeschlossen, Teilnahme, so heisst es weiter, nur nach eingehender Prüfung möglich – aufgrund dessen, dass die Aktionen entweder direkt aus dem rechten Spektrum initiiert seien, oder zumindest eine Abgrenzung hierzu schuldig blieben. Ein Anfang.
Und Nachwuchs, den gibt es schon lange kaum mehr: Die Organe der politischen Willensbildung, Parteien und Zeitungen, die früher Teil der Stärke der Bewegung waren, sind weggebrochen, käuen inzwischen allesamt die alternativlosen Phrasen aus dem Konrad-Adenauer-Haus nach, in der Befürchtung, sonst von den Zeitungen als regierungsunfähig gebrandmarkt, bzw. von den Parteien als sektierisch bespitzelt zu werden. Das eine kostet Wähler, das andere Anzeigenkunden. Und das kann ja keiner wollen, in einer Zeit, in der eh alle politiker- und parteienverdrossen sind und Zeitungen als nicht mehr lesens- und vor allem kaufenswert erachten. Das Heil liegt darum, so sind sich all die unpolitischen Politischen einig, in der Mitte – und so tummeln sich dort alle auf denselben politischen Positionen und sitzen sich die Ärsche breit, um später einem der Anwesenden oder einem der Lobbyisten, der mit den wirklich lukrativen Jobs wedelt, in selbigen zu kriechen. Das man dort eigentlich nur noch tiefer in der Scheiße sitzt als zuvor, wird dann in der selbstverleugnenden Art, die heutigen politischen Akteuren so bedingungslos zu eigen ist, noch als Nestwärme verklärt.
Doch gerade, wenn sich alle den Krieg schönreden, wenn alle Politik unpolitisch wird und aus Demokratie Postdemokratisches wird, müsste dann in Zeiten des Internets und der dezentralen Informationsgewinnung und -verbreitung nicht erst recht eure Stunde als Alternative für Deutschland schlagen? Frieden an sich sollte doch so erstrebenswert sein, dass alle sich dem grundlegend verpflichtet fühlen und so zumindest offen für eure Position sind?
Klar, viele derjenigen, die sich dort tummeln, sind für die Demokratie längst verloren, kümmern sich nicht, wie ihre Hose von Kinderhänden geschneidert, ihre Hühnerkeulen aus dem Organismus gerissen, ihre Zukunft verramscht wird, und erst recht nicht, was außerhalb ihrer geschlossenen kleinen Welt passiert: Die Postdemokratie frisst ihre Kinder.
Vielleicht ist euer Krieg ja längst verloren und Friede im Zeitalter des Wirtschaftsimperialismus unmöglich geworden. Aktuell Meinung
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