Sichere Drittstaaten?

„Roma zurückzuschicken, das geht gar nicht“

"Sicherer Herkunftsstaat" ist so ein Begriff, bei dem Tim Kliebe hellhörig wird. Der Anwalt für Asylrecht kritisiert die massenhaften Abschiebungen in diese vermeintlich sicheren Länder. Heute entscheidet der Bundesrat darüber, ob Bosnien, Mazedonien sowie Serbien als "sichere Herkunftsstaaten" eingestuft werden sollen.

Von Alexander Lang Freitag, 19.09.2014, 8:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 21.09.2014, 23:27 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Tim Kliebe kann nur verständnislos den Kopf schütteln, wenn die Rede auf die angeblich sicheren „Drittstaaten“ auf dem Balkan kommt. Sinti und Roma aus Serbien, Bosnien oder auch aus Rumänien, die in Deutschland um Asyl bitten, dürften keinesfalls in ihre Heimatländer zurückgeschickt werden, appelliert der 39-jährige Frankfurter Anwalt, der sich auf Asyl- und Migrationsrecht spezialisiert. Zudem berät er die beiden hessischen evangelischen Landeskirchen sowie die Diakonie Hessen.

Es sei ein Skandal, dass die Anerkennungsquote von asylsuchenden Sinti und Roma im Land „gleich null“ sei, kritisiert der Anwalt. In ihren Heimatländern werde die als Zigeuner diffamierte Minderheit oft diskriminiert und verfolgt. „Die Menschen werden verprügelt oder aus ihren Häusern verjagt“, sagt Kliebe. „Sie zurückzuschicken, das geht gar nicht.“

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Bundesrat entscheidet
Der Bundesrat entscheidet heute darüber, ob die Westbalkanstaaten Bosnien und Herzegowina, Mazedonien sowie Serbien als sichere Herkunftsstaaten eingestuft werden. Sollte es dazu kommen, könnte die Bundesregierung Asylbewerber von dort schneller ablehnen und zurückschicken.

Kirchlich ist Kliebe, der aus dem südpfälzischen Knittelsheim stammt, seit langem engagiert: Zehn Jahre lang bis vergangenen Mai war er Vorsitzender der Evangelischen Jugend der Pfalz und langjähriger Jugendvertreter in der pfälzischen Landessynode. In seiner neuen Heimatstadt Worms will der Jurist für das Presbyterium kandidieren. Seit einigen Jahren ist er Teilhaber einer Anwaltskanzlei in Frankfurt am Main.

Idealismus ist nötig
Auch sein Engagement in der evangelischen Jugend habe sein Interesse an Menschenrechtsfragen vertieft und ihn später als Jura-Student dazu bewogen, sich auf das Asyl-, Flüchtlings- und Migrationsrecht zu konzentrieren, sagt er. Durch die starke anwachsende Flüchtlingszahl aus Konfliktregionen, vor allem aus dem Irak, Afghanistan und Syrien, habe die zahlenmäßig überschaubare Zahl von Anwälten für Asylrecht „wahnsinnig viel zu tun“, versichert er. Etwa 200.000 Asylanträge erwartet die Bundesregierung bis zum Jahresende.

Ein gewisses Maß an Idealismus sei für diesen stressigen Job vonnöten: „Als Karrierejurist reich werden kann man da nicht“, sagt Kliebe. Mit der Diakonie hat der Rechtsanwalt, der als Referendar auch im Büro des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) in Berlin jobbte, einen Beratervertrag auf Honorarbasis. Meist wird er zurate gezogen, wenn es um Fragen von Kirchenasyl, Einzelfallberatung oder die schwierige Unterbringung von Flüchtlingen gehe. Manche Kommunen schürten angesichts der Wohnraumnot die Ängste in der Bevölkerung, kritisiert er.

Der Einzelfall entscheidet
Ob ein Asylrechtsverfahren für die Antragsteller gut ausgehe, hänge immer von Einzelfall ab, dem Herkunftsland und der persönlichen Fluchtgeschichte, sagt Kliebe. Der Staat habe für sie bewusst juristische Stolperfallen gebaut: Neu ankommende Flüchtlinge würden von den Behörden nicht informiert, dass sie sich einen Rechtsbeistand nehmen könnten. „Dies erfahren sie erst in den Erstaufnahmestellen von Freunden und Verwandten oder von Beratungsstellen.“

„Asylfälle, bei denen rechtlich nichts zu machen ist“, lehnt der Jurist von vornherein ab. Ein Mandat übernimmt er aber, wenn er Abschiebungshindernisse wie psychische Probleme oder Krankheiten geltend machen kann: So wie im Fall einer im Landkreis Bad Dürkheim lebenden alten Roma-Frau, die nach Serbien abgeschoben werden soll. (epd/mig) Aktuell Politik

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