Neue Studie

Politische Inklusion von Migranten steckt in Kinderschuhen

Bei nur mageren null Prozent liegt der Anteil der Abgeordneten mit Migrationshintergrund im Saarländischen Landtag. In den anderen Ländern sieht es nicht besser aus. Das und mehr geht aus einer neuen Studie hervor. Thema: politische Inklusion.

Von Mittwoch, 19.03.2014, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:44 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Mit dem Titel „Integration ist (auch) Ländersache!“ verweisen die Autoren Frank Gesemann und Roland Roth darauf, dass Integration „vor Ort“ anfängt – also in den Ländern und Kommunen. Aber nicht nur das: Sie setzen auch Akzente, indem sie völlige politische Inklusion fordern. Doch was ist politische Inklusion überhaupt? Wie sieht es aus mit den politischen Partizipationsmöglichkeiten von Menschen mit Migrationshintergrund? Um diese und weitere Fragen zu klären, beauftragte die Friedrich-Ebert-Stiftung das Institut für Demokratische Entwicklung und soziale Integration (DESI), ein entsprechendes Gutachten zu erstellen.

In der breiten Öffentlichkeit gewinnt das Konzept der politischen Inklusion zunehmend an Bedeutung. Dabei wird unter politischer Inklusion eine „gleichberechtigte Teilhabe in gemeinsamen Institutionen und Einrichtungen“ unabhängig, ob jemand einen Migrationshintergrund hat oder nicht, verstanden. Die Autoren untersuchen in ihrem Gutachten anhand von einigen Beispielen, inwieweit Menschen mit Migrationshintergrund am politischen Prozess beteiligt sind.

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Einbürgerung fördern und erleichtern
Ein Beispiel ist die Einbürgerung von Migranten, mit der das passive und aktive Wahlrecht einhergeht – also die politischen Bürgerrechte. Deshalb kommt der Einbürgerung für die politische Inklusion eine hohe Bedeutung zu: Sie ist oft ein sehr langer und komplizierter Weg und nicht zuletzt durch die hohen Spracherfordernisse und harten Einbürgerungstests sowie wegen der Optionspflicht schwierig zu meistern. Die generelle Vermeidung der doppelten Staatsangehörigkeit führt überdies dazu, dass in Deutschland weniger Einbürgerungen im Vergleich zu anderen Ländern stattfinden. So liegt die Einbürgerungsrate hierzulande bei nur 1,5 Prozent, in Kanada, Polen, Schweden und Portugal dagegen bei über 5 Prozent. Schaut man sich die Zahlen zwischen den Bundesländer an, fällt zudem auf, dass es große Unterschiede gibt: Stadtstaaten wie Hamburg und Bremen liegen beispielsweise zwischen 1,8 und 2,3 Prozent. Andere Bundesländer schneiden noch schlechter ab: Bayern liegt bei 1 Prozent. Die Autoren weisen darauf hin, dass diese großen Differenzen auf unterschiedliche Verwaltungspraktiken zurückzuführen sind, wie zum Beispiel „unterschiedliche Auslegung der Gesetze in Bezug auf die Hinnahme von Mehrstaatlichkeit“.

Politische Beteiligung von Zugewanderten
Im Gutachten wird darüber hinaus festgestellt, dass es politische Vertretungen für Menschen mit Migrationshintergrund durch Integrationsbeauftragte, Landesintegrationsräte, Zusammenschlüsse von kommunalen Integrationsbeiräten gebe, aber diese seien unverbindlich und hätten meist nur eine beratende Funktion. Immerhin gibt es auf der Bundesebene leichte Veränderungen mit der türkischstämmigen Aydan Özoğuz, die seit kurzem Staatsministerin für Migration, Integration und Flüchtlinge ist. Außerdem hat sich die Anzahl der Abgeordneten mit Migrationshintergrund in den Landesparlamenten zwischen 1987 und 2011 von 25 auf 54 verdoppelt. Überdies hat sich auch die Zahl der Abgeordneten im neu gewählten Bundestag, der insgesamt 631 Sitze hat, von 21 auf 35 erhöht. Die Gründe hierfür seien: ein wachsendes politisches Interesse von Menschen mit Migrationshintergrund und die interkulturellen Öffnung der Parteien. So hat beispielsweise die SPD auf ihrem Bundeskongress im Jahr 2011 beschlossen, eine Quote von 15 Prozent für Menschen mit Migrationshintergrund in den Führungsebenen einzuführen.

Dennoch ist die Repräsentationsquote von Migranten in den Landesparlamenten schwach ausgeprägt: Dabei verstehen die Autoren unter einer hundertprozentigen Repräsentationsquote, wenn der Anteil „der Abgeordneten mit Migrationshintergrund dem Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund in der Bevölkerung entspricht“. Demnach schwankt die politische Repräsentation von Menschen mit Einwanderungshintergrund zwischen 41,9 Prozent in Berlin und schlappen 0 Prozent im Saarland.

Die Studie führt vor Augen, dass die Politik bereits viele Grundbausteine gelegt hat, um Menschen mit Migrationshintergrund näher ins politische Geschehen zu rücken. Doch leider steckt die politische Inklusion noch in den Kinderschuhen und braucht noch viel Zeit und Engagement, um sich vollends zu entfalten. Leitartikel Politik Studien

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  1. Léon Reichenthal sagt:

    Die OECD stellte kürzlich fest, dass Migranten in Deutschland im öffentlichen Dienst unerwünscht sind. Als Mitglied des Beirats für Migration und Integration kann ich bestätigen, dass dieser Beirat eine reine Alibifunktion erfüllt, nichts zu sagen und nichts zu melden hat. Dies gilt ebenfalls für die anderen sogenannten Repräsentanten der Migranten. Es sind reine Alibifunktionäre. Solange wir uns diese Diskriminierungen und Ausgrenzungen weiter bieten lassen, hilft alles Jammern nichts. Wir werden teils zu Hungerlöhnen beschäftigt in Integrations- und Alphabetisierungskursen etc. und wer meckert, der fliegt. Die Forderung heißt: NICHT LAMENTIEREN, SONDERN AGIEREN!

    DEMOKRATISCHER WIDERSTAND GEGEN DIESE FORMEN DER DEUTSCHEN DISKRIMINIERUNG!

    AUFRUF ZUR SOLIDARITÄT ALLER MIGRANTENVEREINIGUNGEN OHNE AUSNAHMEN!

    Deutschland hat uns Migranten gerufen, wir haben zusammen mit den Deutschen das kriegszerstörte Deutschland wieder aufgebaut , dabei haben unsere Väter meistens die Drecksarbeit erledigt, haben Asbestgebäude saniert und sind daran krepiert, wir haben gepflügt und gesät und wurden größtenteils um die Ernte betrogen.

    Léon Reichenthal
    Mitglied des Beirats für Migration und Integration
    Vorstand der Liga gegen Rassismus
    E-Mail: LigaR@t-online.de

  2. Biblix sagt:

    „Deutschland hat uns Migranten gerufen, wir haben zusammen mit den Deutschen das kriegszerstörte Deutschland wieder aufgebaut“

    Das wird auch durch ständige Wiederholung nicht wahrer.

  3. Gero sagt:

    Deutschland hat uns Migranten gerufen, wir haben zusammen mit den Deutschen das kriegszerstörte Deutschland wieder aufgebaut ,
    ___________

    ….wie oft muss man dieses Märchen hier noch lesen?

  4. derKritiker sagt:

    @gero ,@biblix

    also wurden all die spanier ,italiener ,portugiesen ,türken ,yugos , rein aus menschenliebe , und nettigkeit eingeladen . und nicht als die billige arbeitskraft auf der das deutsche wirtschaftswunder baute ?

    nach und nach ist man auf der suche nach der billigen ware mensch von einem land zum anderen gezogen .

    damit die leute die arbeit für den lohn machen , für die sich die deutschen arbeiter zuschade waren . vorallem der faktor geld war entscheidend.

    von daher kann man ja sehrwohl sagen das der wohlstand nicht zuletzt auf kosten und auf den rücken der gastarbeiter entstand . denn sie waren die jenigen die ganz unten auf der leiter standen .

  5. Gero sagt:

    @ kritiker: Die Kritik bezog sich auf as mmer wiederkehrende Bild „das kriegszerstörte Deutschland wieder aufgebaut“ zu hben.

    Bei der Zuwanderung der sog. Gastarbeiter Anfang der 60er Jahre war Deutschland bereits wieder aufgebaut, die Wirtschaft brummte und es fehlten Arbeitskräfte.

    Es war eine „Win-Win-Situation“, heute hört man allzu oft und gerade von Türken, dass sie Deutschland wiederaufgebaut hätten – dem ist eben nicht so.

  6. Selami Sahin sagt:

    @Gero Wann ist denn ein Land vollständig aufgebaut?

  7. posteo sagt:

    Selami Sahin fragt: Wann ist denn ein Land vollständig aufgebaut?

    Nun wenn man es absolut sieht, natürlich nie.
    Aber was die Zerstörungen durch den 2. Weltkrieg angeht, konnten bis Ende der 50er die letzten Bewohner von Bunkern und Behelfsbaracken wieder in normale Wohnungen umziehen, auch wenn die Größe und die Ausstattung der Wohnungen noch viel bescheidener waren. Dass in den 60ern noch vereinzelte Ruinen herumstanden, bedeutete nur, dass der Neubau von Wohnungen und anderen Häusern Vorrang vor den Abrissarbeiten gehabt hatte.
    Was den wirtschaftlichen Wiederaufbau anging, stand Deutschland 1959 wieder auf Platz 2 der Weltwirtschaftsmächte und damit wieder so glänzend da, wie je zuvor. Diese unglaubliche Aufbauleistung hat die Amerikaner veranlasst vom deutschen Wirtschaftswunder zu sprechen. Das Wirtschaftswunder war keine Folge, sondern eine Voraussetzung für die Beschäftigung von Gastarbeitern. Ohne Wirtschaftswunder hätte es gar keine Arbeitsplätze für sie gegeben.
    Was nach dem Wiederaufbau kam, war die Errichtung des deutschen Sozialstaats, wie ihn nicht nur die Gastarbeiter, sondern auch meine Eltern so nie gekannt hatten.
    Die Wochenarbeitszeit war erst 1956 von 48 auf 45 Stunden reduziert worden; die 40 Stundenwoche trat dann 65 in Kraft.
    Die volle Lohnfortzahlung im Krankheitsfall wurde bis Anfang der 60er nur Angestellte gewährt. Arbeiter mussten sich bislang mit einem Krankengeld von 70% des Nettolohnes begnügen und das erst ab dem 4. Krankheitstag (Karenztage!).
    Ebenso wurde das Kindergeld kräftig aufgestockt. Bis Ende der 50er gab es nur ein paar symbolische Märker und zwar erst ab dem 3. Kind.
    Staatliche Unterstützung für Langzeitarbeitslose oder anderweitig Bedürftige wurden mit Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum gesetzlich verbrieften Recht. Die vorher gezahlte Fürsorge lag im Ermessen der jeweiligen Kommune.
    Bis 48 waren Gymnasien gebührenpflichtig gewesen, Universitäten blieben es bis in die 60er Jahre, das BAföG, das in den 70ern kam, war eine Weltneuheit.

    Dass ich auf diesen Punkten herum reite, liegt daran, dass es meine Eltern waren, die, als Kriegskinder aufgewachsen, nach dem Krieg ins Berufsleben eintraten und damit tatsächlich am deutschen Wiederaufbau beteiligt waren und zwar unter den von mir beschriebenen weit bescheideneren Bedingungen, wie sie für uns so selbstverständlich sind.

  8. Lionel sagt:

    Ergänzend sollte erwähnt werden, dass natürlich nicht sämtliche Gastarbeiter im Jahr der Anwerbeabkommen in Deutschland eintrafen.
    So betrug die z. Bsp. Zahl der türkischen Gastarbeiter im Jahr 1961 erst 6.800 Personen.
    2 Jahre später waren es 28.000.
    Man vergleiche das mit den 27 Millionen Erwerbstätigen Anfang der 60er Jahre.

  9. Lionel sagt:

    „DEMOKRATISCHER WIDERSTAND GEGEN DIESE FORMEN DER DEUTSCHEN DISKRIMINIERUNG“

    Wenn in diesem Beirat für Migration und Integration solche pauschalisierenden Töne angeschlagen werden, kann es nicht verwundern, dass er nichts zu sagen und zu melden hat.

  10. Léon Reichenthal sagt:

    Die Geschichtsklitterer haben in Deutschland Hochkonjunktur, die Sarrazins greifen an, deshalb können einige Leserbriefe und Kommentare nicht unwidersprochen bleiben, vermitteln sie doch all jenen ein falsches Bild, die diese Zeitepoche nicht miterlebt haben.

    Der Mangel an Arbeitskräften, vor allem im Bergbau, führte 1955 zum ersten Anwerbeabkommen mit Italien. Als nach dem Mauerbau 1961 der Zustrom der Ostdeutschen Arbeitskräfte versiegte, wurden die Anwerbemaßnahmen intensiviert. Mit schönen Versprechungen, die nie eingehalten worden sind, hat man die damaligen Gastarbeiter, fast ausschließlich Männer, nach Deutschland gelockt.

    Sie hausten in einfachen Holzbaracken, ohne sanitäre Einrichtungen, ohne jedweden Komfort, während ihre deutschen Kollegen in der Tat, dank der 6 Milliarden DM Marshallplanhilfe der Amerikaner, bereits den ersten Wohlstand genießen durften. Die ständigen Diskriminierungen durch ihre deutschen Arbeitskollegen und die miesen Arbeits- und Lebensbedingungen in Deutschland führten schließlich 1973 zum ersten und einzigen Aufstand der türkischen Gastarbeiter. Der Streik der türkischen Gastarbeiter wurde allerdings von den deutschen Arbeitskollegen in einer von der damals herrschenden Regierungspartei (SPD/FDP) politisch unterstützen Gegendemonstration brutal niedergeschlagen. Zahlreiche schwerverletzte Türken mussten in den Krankenhäusern behandelt werden.

    Léon Reichenthal
    Mitglied des Beirats für Migration und Integration
    Vorstand der Liga gegen Rassismus
    E-Mail: LigaR@t-online.de