Studie
Kinder als Katalysatoren der Vielfalt
In kinderreichen Stadtteilen entstehen mehr interkulturelle Nachbarschaftskontakte als in kinderarmen Wohngebieten – vorausgesetzt, es gibt ausreichend Begegnungsorte. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie.
Dienstag, 05.11.2013, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:44 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Je mehr Kinder in einem Stadtteil leben, desto mehr Nachbarschaftskontakte zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen finden statt. Die integrierende Wirkung von Kindern bleibt dabei nicht auf ihre Eltern beschränkt, vielmehr berichten Bewohner kinderreicher Stadtteile generell von mehr interkulturellen Nachbarschaftskontakten. Zu diesem Ergebnis kommt WZB-Forscher Merlin Schaeffer durch eine Analyse von Telefoninterviews mit 7.500 Über-18-Jährigen.
„Kinder sind eine Art soziale Katalysatoren“, erklärt Merlin Schaeffer. „So wie Katalysatoren in der Chemie die Hin- und Rückreaktion zwischen Elementen beschleunigen, wirken Kinder auf das interkulturelle Zusammenleben.“ Voraussetzung sei allerdings, dass es Orte der Begegnung in Form von Spielplätzen und Parkanlagen, aber auch Restaurants, Eiscafés oder Bars gibt. Städte, die wenig öffentliche Begegnungsräume schaffen, würden kaum von der katalysierenden Wirkung von Kindern profitieren – und zwar unabhängig davon, welchen Bevölkerungsanteil Bewohner mit Migrationshintergrund ausmachen.
Gerade in Gebieten, wo viele Menschen mit Migrationshintergrund leben, sei die Schaffung von Begegnungsräumen sinnvoll, um die positive Wirkung persönlicher Kontakte zu stärken. Denn die aktuelle empirische Forschung zeige ein etwas differenzierteres Bild: Einerseits finde sich weniger Fremdenfeindlichkeit in diverseren Regionen aufgrund der persönlichen Kontakte zwischen Einheimischen und Personen mit Migrationshintergrund. „Andererseits haben in genau solchen Regionen jene Personen ohne persönliche Kontakterfahrungen außer der reinen räumlichen Nähe besonders Überfremdungsängste. Hier ist die Schaffung von Begegnungsräumen sinnvoll, um die positive Wirkung persönlicher Kontakte zu stärken“, so der Wissenschaftler.
Problem: ethnische Segregation
„Wo allerdings kaum Menschen mit Migrationshintergrund leben, greift eine solche Maßnahme natürlich nicht“, erklärt Schaeffer dem MiGAZIN. Für die Universitäts- und Fachhochschulstädte dagegen könne eindeutig etwas unternommen werden: „Polizei und Zivilgesellschaft müssen fremdenfeindliche Übergriffe verhindern, damit Einwanderer und deren Kinder ohne Bedenken in jedem Teil Deutschlands ein Studium aufnehmen können“, so der Wissenschaftler.
Auch getrennte Schulklassen innerhalb einer Schule führten zu einer unübersehbaren Ungleichheit, aber das größere Problem sieht Schaeffer in der sogenannten ethnische Segregation über Schulen hinweg: „Kinder mit und ohne Migrationshintergrund kommen nicht einmal auf dem Pausenhof oder beim jahrgangsübergreifenden Lernen in Kontakt miteinander.“
Info: Die Umfrage „Ethnic Diversity and Collective Action“ wurde von Oktober 2009 bis April 2010 in verschiedenen deutschen Städten und Gemeinden durchgeführt. Die Ergebnisse wurden im Journal of Ethnic and Migration Studies veröffentlicht.
Quotenregelung kontraproduktiv
Eine Quotenregelung erscheine zunächst sinnvoll. Doch sei „davon auszugehen, dass eine Quotenregelung bessergestellte Eltern – und dies schließt explizit auch jene mit Migrationshintergrund ein – dazu bewegt, in andere Nachbarschaften mit homogeneren Schulen umziehen oder ihre Kinder auf Privatschulen zu schicken“.
Besser findet Schaeffer die Idee, Schulen mit einem hohen Anteil an Schülern mit Migrationshintergrund besonders attraktiv auszustatten, etwa mit besonders kleinen Schulklassen. Kleine Klassen hätten auch den Vorteil, dass sich kaum dominierende Mehrheitsverhältnisse bilden können, die bessergestellte Eltern befürchten. Auch so könne man verhindern, „dass einheimische junge Familien an den Stadtrand ziehen“. (sb) Gesellschaft Leitartikel Studien
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