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NSU Abschlussbericht

Das System der „Inneren Sicherheit“ hat total versagt

Der Abschlussbericht des NSU Untersuchungsausschusses fällt vernichtend aus. Die Internationale Liga für Menschenrechte fordert durchgreifende Maßnahmen gegen Rassismus in Staat und Gesellschaft - ein Beitrag von Rolf Gössner.

Von Rolf Gössner Freitag, 23.08.2013, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 29.08.2013, 0:53 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Die verdienstvolle Aufklärungsarbeit des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestags ist nun in einem umfangreichen Abschlussbericht bilanziert worden, der heute der Öffentlichkeit vorgelegt wird. Leider ist der Bericht nur in zensierter Fassung zugänglich, wofür Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) die Verantwortung trägt. Dieser hat den Ausschuss mit einer vertraulichen Streichliste konfrontiert, in der er die Streichung oder Abänderung von 118 Textstellen forderte, die vom Ausschuss allerdings nur teilweise übernommen wurden.

Die Löschung ganzer Passagen und vertraulicher Dokumente sei zum Schutz von V-Leuten aus Neonaziszenen, zum Schutz der Arbeitsweise des „Verfassungsschutzes“, der V-Mann- und Akten-Führung sowie zum Schutz des Staatswohls erforderlich. Eine Veröffentlichung sensibler Textstellen würde V-Leute enttarnen und an Leib und Leben gefährden, dem Wohl des Bundes und der Länder schaden sowie das „Ansehen des Verfassungsschutzes beschädigen“, so das Bundesinnenministerium in seinem als Verschlusssache „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ klassifizierten Schreiben an den Ausschuss vom 9.8.2013.

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Diese exekutive Einwirkung des Bundesinnenministers auf ein parlamentarisches Kontrollgremium ist skandalös und demokratiewidrig. Das ist ein Verstoß gegen das Verfassungsprinzip der Gewaltenteilung. Doch solche Einflussnahmen sind keine Einzelerscheinungen, sondern haben leider System, weil sich die Verdunkelungsstrategien der Geheimdienste zwangsläufig bis hinein in die parlamentarische oder gerichtliche Kontrolle verlängern. Aus diesem strukturellen Kontrolldefizit müssen dringend politische Konsequenzen gezogen werden.

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Tatsächlich hatten die Ausschussmitglieder im Laufe ihrer parlamentarischen Aufarbeitung der NSU-Mordserie mit erheblichen Widrigkeiten, Vertuschungen und Urkundenunterdrückungen zu kämpfen. Seit Aufdeckung der Mordserie waren die „Sicherheitsbehörden“ mit fast schon krimineller Energie damit beschäftigt, die Spuren ihres Versagens, ihrer ideologischen Verblendung und Verflechtungen in das NSU-Umfeld zu verdunkeln und zu vernichten.

Letztlich konnte der Ausschuss nicht mit letzter Sicherheit klären, weshalb die hochgerüsteten Sicherheitsbehörden den mutmaßlichen rechtsterroristischen Mördern und ihrem rassistischen Hintergrund mehr als ein Jahrzehnt lang nicht auf die Spur kamen – obwohl (oder weil) sie doch über ihre Nazi-V-Leute nahe am Geschehen waren und heillos verstrickt in das gewaltbereite Neonazi-Umfeld.

Die parlamentarischen Kontrolleure blickten in unglaubliche Abgründe einer organisierten Verantwortungslosigkeit der Sicherheitsorgane. Entsprechend vernichtend fällt nun parteiübergreifend das Urteil aus – obwohl der Abschlussbericht nach vorläufiger Einschätzung keineswegs alle wesentlichen Fragen nach den Hintergründen der Mordserie beantworten kann und sich mit dem Problem des institutionellen Rassismus’, der tief im staatlichen Handeln verwurzelt ist, zu wenig auseinandersetzt.

Trotz des bisherigen Befunds sprechen Regierungspolitiker und Sicherheitspraktiker noch immer verharmlosend von Pannen, allenfalls von Unfähigkeit der Behörden; und leugnen damit die ideologischen Scheuklappen und den institutionellen Rassismus, die zu Fehleinschätzungen, Ignoranz, diskriminierenden Polizeiermittlungen im „migrantischen Milieu“ und systematischer Verharmlosung des Nazispektrums führten – begünstigt auch durch eine jahrzehntelang einseitig ausgerichtete Politik der ‚inneren Sicherheit’ gegen ‚Linksextremismus, Ausländerextremismus und Islamismus’.

Der Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy (SPD) spricht von einem „historisch beispiellosen Behördenversagen“ des hochgerüsteten Sicherheitsapparates. Der nun vorliegende Abschlussbericht muss in den nächsten Wochen gründlich ausgewertet werden. Bund und Länder sind gefordert, hieraus weit reichende Konsequenzen zu ziehen – eine Aufgabe, der sich insbesondere der neu zu wählende Bundestag und die neu zu bildende Bundesregierung ab Oktober mit Ernsthaftigkeit und dem Willen zur gründlichen Veränderung werden stellen müssen.

Dabei müssen, so fordert es etwa die Internationale Liga für Menschenrechte, „geeignete Maßnahmen gegen den institutionellen Rassismus entwickelt und durchgesetzt werden. Und das kriminelle V-Leute-System darf genauso wenig verschont bleiben wie der demokratisch nicht kontrollierbare Inlandsgeheimdienst ‚Verfassungsschutz’ insgesamt. Denn dieses Geheimsystem hat sich als erhebliches Gefahrenpotential für Demokratie, Bürgerrechte und Rechtsstaat herausgestellt. So jedenfalls darf es nicht weitergehen“. Leitartikel Meinung

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  1. Das Türke sagt:

    Das Kontrollgremium hat also im Umkehrschluss beschlossen, dass kein institutioneller Rassismus in Behörden und Geheimdiensten existiert. Ein Grund warum wir diesem Staat noch Vertrauen schenken sollten? Wie der Verfasser schon treffend schrieb: Das System muss von Grund auf verändert und in eine wahre Demokratie geführt werden.

  2. Turk and Greek sagt:

    Mein Vertrauen in den Rechtsstaat ist erschüttert. Der Rechtsstaat hat versagt. Solange die Sicherheitsorgane in der Form bestehen bleiben und keine ehrliche, tiefgreifende Reformen durchgeführt werden, wird sich das Vetrauensverhältniss zwischen ein Teil der Bürger und der Staat nicht ändern.
    Institutionelle Rassismus ist existent. Wir sorgen mit unseren Steuern dafür, dass die Beamten und Ihre Familien bis Lebendende überdurcnittlich gut versorgt werden. Doch Teile diese Beamtenschaft ist nicht mal ein Cent Wert.

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