Wahlprüfsteine Bundestagswahl 2013 (9/15)
Doppelte Staatsbürgerschaft und Optionspflicht
Welche Partei soll bei den Bundestagswahlen 2013 Ihre Stimme bekommen? Der Verband binationaler Ehen und Partnerschaften hat die Parteien nach ihrer Ausländer- und Integrationspolitik befragt und MiGAZIN bringt die Antworten. Heute: Doppelte Staatsbürgerschaft.
Freitag, 09.08.2013, 8:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 13.08.2013, 1:16 Uhr Lesedauer: 5 Minuten |
Welche Position vertreten Sie zur Forderung der generellen Anerkennung von Mehrstaatigkeit und würden Sie sich für die Abschaffung der Optionspflicht einsetzen?
CDU/CSU
CDU und CSU werben für die Annahme der deutschen Staatsangehörigkeit und lehnen die regelmäßige Hinnahme von Mehrstaatlichkeit aus guten Gründen ab. Uns geht es darum, das Verbindende einer gemeinsamen Staatsangehörigkeit zu erhalten. Eine Staatsangehörigkeit kann Bindung zwischen den Menschen aber nicht herstellen, wenn ihr Erwerb ausschließlich persönlichen Opportunitätsgründen folgt. Das ist der Fall, wenn man mehrere Staatsangehörigkeiten erwirbt. Die Entscheidung für die deutsche Staatsangehörigkeit ist eine bewusste Entscheidung für unser Land. Denn die Betroffenen gehen dadurch eine enge Beziehung mit unserem Land ein. Die Entscheidung für die deutsche Staatsangehörigkeit bedeutet nicht die Aufgabe der Herkunft eines Menschen. Sie bleibt Teil seiner Identität, auch wenn er treuer deutscher Staatsbürger wird, weil er seine Zukunft und die seiner Kinder in Deutschland sieht.
Erste Erfahrungen mit dem Optionsmodell zeigen, dass die meisten jungen Erwachsenen sich für die deutsche Staatsbürgerschaft entscheiden. Dieses Ja zu unserem Land begrüßen wir ausdrücklich.
SPD
Das Optionsmodell soll durch eine Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes abgeschafft werden. Ein in Deutschland geborenes Kind ausländischer Eltern soll künftig neben der Staatsangehörigkeit der Eltern auch dauerhaft die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten, wenn es in Deutschland geboren wird und mindestens ein Elternteil seinen langjährigen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat sowie einen unbefristeten Aufenthaltstitel besitzt. Das bislang geltende Erfordernis, sich ab Vollendung des 18. Lebensjahrs für eine der beiden Staatsbürgerschaften zu entscheiden, soll entfallen. Auch wer sich einbürgern lässt, soll seine alte Staatsangehörigkeit nicht länger aufgeben müssen. Mehrfache bzw. doppelte Staatsbürgerschaft ist auch bei der Einbürgerung generell zu akzeptieren.
Die Grünen
Zu einer offenen Gesellschaft der Vielfalt gehört eine Politik der Mehrstaatigkeit. Die traditionelle Monokultur des geltenden Staatsangehörigkeitsrechts ist nicht mehr zeitgemäß. Deutsche haben heutzutage unterschiedlichste Wurzeln. Seit Jahren erfolgt über die Hälfte aller Einbürgerungen unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit. Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, warum etwas, das in vielen europäischen Ländern schon seit vielen Jahren erfolgreich praktiziert wird – nämlich die generelle Hinnahme von Mehrstaatigkeit – allein in Deutschland nicht funktionieren soll. Hierfür haben wir einen Gesetzentwurf in den Deutschen Bundestag eingebracht (BT-Drs. 17/3411)Vor diesem Hintergrund setzen wir uns auch für ein Ende des sog. Optionszwangs ein: Eine sinnvolle Integrationspolitik sollte alles daran setzen, dass Menschen Deutsche werden wollen – und dies auch bleiben können. Junge Deutsche aber dazu zu zwingen, die deutsche Staatsangehörigkeit abzulegen – diese Menschen gar zwangsweise auszubürgern – das ist integrationspolitisch kontraproduktiv. Auch hierzu haben wir einen Gesetzentwurf in den Deutschen Bundestag eingebracht (BT-Drs. 17/542) In einer Anhörung des Bundestagsinnenausschusses im März 2013 kam die ganz überwiegende Mehrheit der Sachverständigen zu dem Schluss, dass eine Abschaffung des Optionszwangs verfassungsrechtlich geboten, rechtlich möglich und integrationspolitisch sinnvoll wäre. Wir wissen aus einer entsprechenden Untersuchung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge aus dem Jahr 2012 („Einbürgerungsverhalten von Ausländerinnen und Ausländern in Deutschland sowie Erkenntnisse zu Optionspflichtigen“): Über zwei Drittel aller Optionspflichtigen hätten ihre bisherige Staatsangehörigkeit gern beibehalten. Ein Großteil von ihnen versucht die Optionsentscheidung so lange hinaus zu zögern, bis eine neue Mehrheit im Deutschen Bundestag endlich die doppelte Staatsbürgerschaft ohne Optionszwang abschafft.
Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2013: Die Antwort welcher Partei überzeugt Sie am meisten?Die Linke (40%) Die Grünen (21%) SPD (18%) CDU/CSU (16%) FDP (4%)Wird geladen ...
FDP
Wir sprechen uns für eine grundsätzliche Zulassung der doppelten Staatsbürgerschaft aus. Gleichzeitig ist es aber weiter unser Anliegen, für die deutsche Staatsangehörigkeit zu werben. Eine beschleunigte Einbürgerung nach 4 Jahren sollte möglich sein, wenn besondere Integrationsleistungen erbracht werden.
Die Linke
DIE LINKE. vertritt seit jeher die Forderung nach genereller Akzeptanz von Mehrstaatigkeit und erleichterter Einbürgerungen im Rahmen eines modernisierten Staatsangehörigkeitsrechts (vgl. zuletzt: BT-Drs. 17/12185). Folgerichtig forderte DIE LINKE. im Bundestag bereits mehrfach die Rücknahme der so genannten Optionspflicht, die dem überholten Dogma der Vermeidung von Mehrstaatigkeit entspricht (erstmalig im Jahr 2008: BT-Drs. 16/9165). Der Zwang zur Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit ist für viele Menschen aus unterschiedlichen Gründen das Haupthindernis bei der Einbürgerung. Erleichterte Einbürgerungen sind jedoch erforderlich, um mehr Migrantinnen und Migranten eine Position gleicher Rechte zu verschaffen. Der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit soll nach unserer Auffassung nicht vom sozialen Status der Betroffenen abhängen, weder vom Geldbeutel, noch von bestimmten Sprachnachweisen. Wie in vielen anderen europäischen Ländern soll eine Einbürgerung im Grundsatz nach fünfjährigem Aufenthalt zu geringen Gebühren möglich sein, einen abschreckenden Test der Gesinnung oder Staatsbürgerkunde lehnen wir ab. Die deutsche Staatsangehörigkeit sollen alle in Deutschland geborenen Kinder dauerhaft hier lebender ausländischer Staatsangehöriger erhalten. Es ist inakzeptabel, dass hier als Deutsche geborene und aufgewachsene Kinder wegen der Optionspflicht als Erwachsene ihre deutsche Staatsangehörigkeit wieder verlieren können, häufig in Unkenntnis der Rechtslage oder wegen bloßer Fristversäumnisse in einem komplizierten Verfahren. Mehrstaatigkeit ist in der Einbürgerungspraxis in Deutschlandseit Jahren der Regelfall – und nicht die Ausnahme, wie im Gesetz noch vorgesehen. Allerdings ist die Akzeptanz der Mehrstaatigkeit höchst ungleich verteilt und stellt insbesondere für die große Gruppe der türkischen Staatsangehörigen eine faktische Diskriminierung dar: Während diese im Jahr 2011 bei Einbürgerungen nur zu 26 Prozent ihre bisherige Staatsangehörigkeit behalten durften, war dies bei anderen Staatsangehörigen zu 59 Prozent der Fall; in Bayern ist dieses Missverhältnis noch krasser, wie eine Anfrage der LINKEN ergab (4 zu 64,5 Prozent!). EU-Angehörige und Staatsangehörige anderer Länder können hingegen ihre bisherige Staatsangehörigkeit grundsätzlich behalten – von Loyalitätskonflikten oder besonderen Problemen in der Praxis ist in diesem Zusammenhang nie die Rede. Offenkundig wird die Mehrstaatigkeit von konservativer Seite also aus rein ideologischen Gründen abgelehnt. Aus einem verbreiteten Misstrauen gegenüber den „Fremden“ will man rechtspopulistisches Kapital schlagen – wie es CDU-Ministerpräsident Koch 1999 mit seiner unsäglichen Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsangehörigkeit vorgeführt hatte. So wird Rassismus in der Mitte der Gesellschaft gestärkt – DIE LINKE. kämpft für eine offene und pluralistische Gesellschaft, ohne Ausgrenzung und Diskriminierung. Aktuell Politik
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