Wahlprüfsteine Bundestagswahl 2013 (3/15)

Interkulturelle Öffnung und Bildung

Welche Partei wollen Sie bei den Bundestagswahlen 2013 wählen? Sind Sie noch unentschlossen? Der Verband binationaler Familien und Partnerschaften hat die Parteien nach ihrer Ausländer- und Integrationspolitik befragt und MiGAZIN veröffentlicht die Antworten. Heute: Bildung

Donnerstag, 01.08.2013, 8:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 05.08.2013, 1:37 Uhr Lesedauer: 6 Minuten  |  

Welche bildungspolitischen Maßnahmen sind notwendig, um dieser kulturellen Vielfalt Rechnung zu tragen? Welchen Stellenwert hat das Konzept der inklusiven Bildung für Sie?

CDU/CSU
CDU und CSU wollen den Kindern und Jugendlichen mit Zuwanderungsgeschichte im Sinne von „Fördern und Fordern“ einen Weg zu gesellschaftlicher, kultureller und politischer Teilhabe eröffnen, damit sie ihre Talente und Begabungen entfalten können. Ziel ist ein Schul- und Berufsabschluss für alle bei uns lebenden Schülerinnen und Schüler. Dabei spielt der Erwerb der deutschen Sprache eine zentrale Rolle. Deshalb wollen wir Sprachstandserhebungen bereits im Alter ab 3 Jahren, um gezielt den Spracherwerb von der Kita bis in die Schule zu unterstützen. Zugleich wollen wir eine verstärkte Elternarbeit, um Familien mit Migrationshintergrund an unser Bildungssystem heranzuführen. Außerdem brauchen wir mehr Ganztagsschulen, um Angebote für eine individuelle Lernförderung verwirklichen zu können.

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Wir bekennen uns zum Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UNBehindertenrechtskonvention), die seit März 2009 in Deutschland gilt und die wir schrittweise umsetzen werden. Zur bestmöglichen Entwicklung jedes einzelnen Kindes und Jugendlichen mit Behinderung streben wir so viel Inklusion wie möglich und so viel sonderpädagogische Förderung wie nötig an. Jedes Kind hat Anspruch auf eine individuelle Feststellung seiner besonderen Stärken und Schwächen, damit eine bestmögliche Förderung erreicht wird. Den Eltern und Kindern muss die Wahl des Förderortes offenstehen. Deutschland hat seit vielen Jahren ein gut funktionierendes Förderschulwesen. Darauf aufbauend wollen wir das System weiterentwickeln mit dem Ziel, dass, ausgehend vom Kindeswohl, mehr Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam lernen.

SPD
Für die SPD ist die kulturelle Vielfalt im Bildungswesen eine Chance und keine Belastung. Es kommt darauf an, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass kulturelle Bildung gestärkt wird und gleichzeitig die Vielfalt positiv aufgegriffen und im schulischen Lern- und Lebensalltag genutzt werden kann. Dazu muss die kulturelle Bildung wieder in den Schulen gestärkt werden, statt allein in Sonderprogrammen außerhalb von Schule und privat organisiert zu werden. Das gilt für die Stärkung der Kulturfächer ebenso wie für die Anpassung der Lehrpläne. Des Weiteren gilt es, die Zahl der Lehr- und Betreuungskräfte mit Migrationsgeschichte im Bildungsbereich weiter zu erhöhen.

Und schließlich bietet der von der SPD geforderte flächendeckende Ausbau guter Ganztagsschulen ebenfalls zusätzliche Möglichkeiten, um sowohl in zunehmend heterogenen Lerngruppen allen den erforderlichen Raum zu geben als auch mit spezifischen Lehrangeboten die Chancen und Potenziale kultureller Vielfalt, Pluralität und Toleranz zu behandeln.

Die SPD steht zum Ziel eines inklusiven Bildungswesens, indem alle Seiten voneinander profitieren und Ausgrenzungen und Stigmatisierungen überwunden werden. Die Verwirklichung einer inklusiven Bildung ist ein ebenso gesamtgesellschaftliches Projekt und muss mit realistischen Zeitperspektiven in Angriff genommen werden, gerade wenn neben sozialen und pädagogischen Zielen auch Elternwille und die begrenzte finanzielle Leistungsfähigkeit von Bund, Ländern und Kommunen berücksichtigt werden sollen. Die Umsetzung erfordert daher drei Punkte: Erstens einen Nationalen Pakt für inklusive Bildung von staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren, um gemeinsam mit Verbänden, Trägern und Eltern die Umsetzung in den Ländern zu koordinieren und vergleichbare Lebens- und Bildungsverhältnisse für alle vor Ort sicherzustellen.

Zweitens braucht inklusive Bildung mehr Geld, um multiprofessionelle Teams auszubauen und entsprechende Rahmenbedingungen aufzubauen. Auch hierauf zielen die von der SPD vorgeschlagenen zusätzlichen Bildungsmittel von 20 Mrd. Euro jährlich. Drittens muss das Kooperationsverbot im Grundgesetz fallen, das bisher eine substanzielle Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen etwa im Schulbereich verhindert. Inklusion aus einem Guss, die individuelle Assistenzen sinnvoll mit verstärkten Infrastrukturen und mehr Personal verbindet, braucht mehr Kooperation, Geld und Zusammenarbeit. Dafür steht die SPD.

Die Grünen
Seit einem entsprechenden Beschluss der grünen Bundesdelegiertenkonferenz im Herbst 2011 haben wir begonnen, unsere Integrationspolitik um den Ansatz der Inklusionspolitik zu vervollständigen. Wir tun dies angesichts dessen, dass inzwischen Viele der zweiten, dritten und auch der bereits existierenden vierten Einwanderer-Generation zunehmend mit Unverständnis reagieren, wenn sie immer wieder aufgefordert werden, sich doch „endlich mal zu integrieren“. In Wirklichkeit stehen diese Menschen nicht außerhalb unserer Gesellschaft. Sie sind vielmehr eingeborener Bestandteil unseres Zusammenlebens.

Das Bildungssystem in Deutschland erweist sich nach wie vor als unfähig, Kindern, gerade aus armen Familien, gerechte Bildungschancen zu gewährleisten. Wir meinen: Nur grundlegende strukturelle Reformen zugunsten einer stärkeren individuellen Förderung und eines längeren gemeinsamen Lernens können dazu beitragen, die strukturellen Hemmnisse im Schulsystem besonders- für sozial schwache, beziehungsweise für SchülerInnen mit einer nichtdeutschen Familiensprache zu mildern. Bündnis 90/Die Grünen wollen die öffentlichen Schulen vor allem in sozialen Brennpunkten fit machen, damit sie im Attraktivitäts-Wettbewerb mit den Schulen in sozial besser gestellten Stadtvierteln und mit Privatschulen bestehen können.

Inklusionspolitik hat u. E. die Aufgabe, die Kompetenz z. B. von Bildungseinrichtungen im Umgang mit den unterschiedlichen Lebensrealitäten ihrer Schülerschaft zu stärken und so die individuelle Förderung zu unterstützen:

  • Es ist nicht genug, wenn Kitas und Schulen nur über pädagogisches Personal mit Migrationshintergrund verfügen, das Kindern Lernerfolge vorlebt. Interkulturelle Pädagogik ist vielmehr Aufgabe ALLER PädagogInnen und soll auch diejenigen ohne – statt wie heute nur der wenigen mit Migrationshintergrund, zugutekommen.
  • Inklusive Schulen sind aber auch kompetent im Erkennen und im Umgang mit ALLEN Schattierungen von Diskriminierung. Dabei ist es egal, von wem diese ausgehen und egal gegen wen sie sich richten: ob, gegen „Muslime“, „Juden“ oder „Christen“, ob gegen „Frauen“ oder „Schwule“ oder gegen „Türken“ oder „Deutsche“.
Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2013: Die Antwort welcher Partei überzeugt Sie am meisten?
    Die Linke (40%)
    Die Grünen (21%)
    SPD (18%)
    CDU/CSU (16%)
    FDP (4%)
     
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    FDP
    Der effektive Umgang mit sprachlicher und kultureller Vielfalt stellt eine große Herausforderung für das pädagogische Personal dar. Teilweise finden sich an Kitas und Schulen im Einzugsbereich von Ballungszentren keine dominanten Herkunftssprachen mehr – das Erlernen und Beherrschen der deutschen Sprache erhält in einem solchen Kontext einen besonderen Stellenwert. Etwas anders verhält es sich, wenn eine ausreichend große Basis und Nachfrage an bilingualen Bildungsangeboten existiert. Dort bietet es sich an, die Vermittlung von Wissen, Werten und Kompetenzen zweisprachig zu organisieren. Dies geschieht beispielsweise sehr erfolgreich an Europakindergärten und Europaschulen. Die Ausbildung und Qualifizierung der pädagogischen Fachkräfte muss diesen sehr unterschiedlichen Gegebenheiten Rechnung tragen. Inklusive Bildung, im Sinne einer auf das Wohl des Individuums ausgerichteten Förderung, nimmt für die FDP einen sehr hohen Stellenwert ein. Nur durch ein hohes Maß an organisatorischer Eigenständigkeit, Profilbildung und der Beachtung des Elternwahlrechtes kann diesem Anspruch zur Geltung verholfen werden.

    Die Linke
    Voraussetzung für die Akzeptanz kultureller Vielfalt ist für uns ein inklusives Bildungsverständnis, das das gesamte Bildungssystem prägt. Allen Kindern, Schülerinnen und Schülern muss unabhängig von sozialen und persönlichen Voraussetzungen ein bestmöglicher Lernfortschritt ermöglicht werden. Auch im Bereich frühkindlicher Bildung brauchen Kinder eine auf ihre individuellen Bedürfnisse ausgerichtete spezifische Förderung und Unterstützung. Für die Verwirklichung dieser Ziele ist es notwendig, das gegliederte System mit seiner Zuteilung von Bildungschancen zu überwinden und eine neue Lehr- und Lernkultur in Gemeinschaftsschulen zu etablieren, wo es keine feste Aufteilung in nach Leistung sortierten Gruppen gibt, sondern verschiedene Angebote, die den Interessen und Neigungen sowie dem individuellen Lerntempo der Schülerinnen und Schüler Rechnung tragen. Das alles erfordert zusätzliche Ressourcen für die Ausstattung der Bildungseinrichtungen mit Lehr-, Lern und Hilfsmitteln, mehr gut ausgebildetes Personal und pädagogische wie therapeutische Unterstützungssysteme. Aktuell Politik

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