"Armutseinwanderung"
Friedrich immer noch ohne Belege aber mit harten Bandagen
Innenminister Friedrich kündigt erneut ein härteres Vorgehen gegen vermeintliche Armutseinwanderer aus Bulgarien und Rumänien an. Sozialbetrüger wolle er künftig ausweisen „ohne großes Federlesen“. Die Zahlen sprechen aber gegen ihn und die Opposition wirft ihm Stimmungsmache vor.
Montag, 10.06.2013, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 14.06.2013, 8:51 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) setzte am Freitag im Vorfeld eines EU-Innenministertreffens in Luxemburg vermeintliche Armutseinwanderer aus Rumänien und Bulgarien erneut an die Tagesordnung. Wer in betrügerischer Absicht nach Deutschland einreise, werde künftig ausgewiesen. „Wenn ihr hier illegal tätig seid, egal wie, dann geht ihr bitte dahin wieder zurück, wo ihr herkommt!“, sagte er und kündigte ein Einreiseverbot an, „damit sie am nächsten Tag nicht wiederkommen können“.
Der Innenminister argumentiert damit, dass vermehrt Bulgaren und Rumänen oft mit Hilfe von organisierten Banden nach Deutschland kommen. Sie besorgten sich als Selbstständige einen Gewerbeschein und beantragten einige Monate später Sozialleistungen weil das Geschäft schlecht laufe. Das sei die Masche.
Friedrich ohne Belege
Doch hat Friedrich ein Problem: Er kann seine Behauptung nicht belegen. Schon seit Monaten verlangt die EU-Kommission Fakten, die eine härtere Gangart erforderten. „Wir haben bislang noch keine Zahlen oder Beispiele erhalten“, sagte EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström in Luxemburg. „Es muss also genau gezeigt werden, was genau das Problem ist.“ Die Freizügigkeit der EU-Bürger sei ein hohes Gut und eine Einschränkung komme „nicht in Frage“.
Zudem wies Brüssel darauf hin, dass das EU-Recht ohnehin die Möglichkeit zulasse, Betrüger „auszuschließen“. Allerdings müsse dies in jedem Einzelfall geprüft werden und könne nicht pauschal ganze Personengruppen treffen. Genau so hätte es Friedrich aber gerne. „Wenn die dann irgendwo aufgegriffen werden, dann kann man ohne großes Federlesen sie wieder rausschmeißen, und das ist das Entscheidende“, so Friedrich. Er kündigte an, die nationalen Spielräume auszuschöpfen.
Friedrich bedient Ängste
Für Rüdiger Veit, integrationspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, ist das der falsche Weg. „Ausweisung und Einreisesperren sind die falsche Antwort auf Einwanderung von EU-Bürgern. Friedrich macht das, was er immer macht, wenn er nicht weiter weiß: Er verbreitet populistische Ankündigungen und bedient Ängste, ohne Lösungen anzubieten“, so der SPD-Politiker. Er fordert den Bund auf, den Kommunen finanziell zur Seite zu stehen.
Ähnlich sieht es die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke: „Friedrich ventiliert heiße Luft und schürt damit Vorurteile gegen sogenannte Armutsmigranten. Seit Wochen behauptet er, immer mehr Zuwanderer kämen insbesondere aus Bulgarien und Rumänien, um deutsche Sozialhilfe zu kassieren. Aber seit Wochen bleibt er jeden Beleg dafür schuldig, dass es tatsächlich eine signifikante Zunahme gibt.“ Tatsächlich musste Friedrichs Ministerium auf eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion noch vor wenigen Wochen einräumen, dass es über keinerlei Zahlen verfügt, die die Behauptungen des Ministers stützen könnten.
Zahlen sprechen gegen Friedrich
Ganz im Gegenteil. Da wo es Zahlen gibt, sprechen sie eine ganz andere Sprache: Einwanderer aus Rumänien und Bulgarien sind jünger und im Schnitt besser ausgebildet als die Mehrheitsbevölkerung. Einwanderung in die Sozialsysteme gibt nur ganz es selten. Das stellte der Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) im April diesen Jahres in seinem Jahresgutachten fest. Im Mai kam auch das Berlin Institut für Bevölkerung und Entwicklung zu einer ähnlichen Einschätzung: Es gibt keine Armutseinwanderung, die zu einem „Flächenbrand“ führen könnte, wie es Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) zuvor behauptet hatte.
„Aber Friedrich spielt unverdrossen ewig die gleiche Schallplatte, weil es ihm nur auf eines ankommt: In populistischer Manier Punkte an den Stammtischen zu sammeln. Er will offenbar am rechten Rand Stimmen fischen. Dafür schürt er dabei fremdenfeindliche Ressentiments. Das macht die Politik des Ministers nicht nur EU-feindlich, sondern gefährlich und verantwortungslos. Wenn das der Unions-Wahlkampf werden soll, dann werden wir eine Zunahme rassistischer Straftaten erleben“, so Jelpke.
Unvollständige Zahlen
Ausgelöst wurde diese Debatte im Februar 2013. Der Deutsche Städtetag legte Zahlen vor, die belegen sollten, dass es eine vermehrt Armutseinwanderer aus Rumänien und Bulgarien gibt, die gezielt nach Deutschland kommen, um Sozialleistungen zu beantragen. Diese Zahlen entpuppten sich bei näherem Hinsehen allerdings als unvollständig. Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung verlieh diesen Zahlen sogar die „Unstatistik des Monats“. (bk) Leitartikel Politik
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