NSU Prozess

Verfassungsrichter watschen OLG München ab

Das Bundesverfassungsgericht hat das OLG München angewiesen, mindestens drei Presseplätze für ausländische Medien zu schaffen. Nach Wochen der Kritik müssen die Münchener Juristen jetzt handeln. Der Karlsruher Richterspruch wurde mit Erleichterung aufgenommen.

Montag, 15.04.2013, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 19.04.2013, 13:10 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Das „Windhundrennen“ sollte den anstehenden NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht (OLG) München revisionssicher machen. Das „wer zuerst kommt, mahlt zuerst“-Prinzip sei die juristisch Sauberste, argumentierte das Gericht. Dass ausländische Journalisten vom Verfahren ausgeschlossen wurden, störte die Verantwortlichen nicht. Trotz wochenlanger Proteste und Kritik wichen die Münchener Juristen keinen Millimeter von ihrer Position ab.

Jetzt wurde dem OLG ausgerechnet dieses „Windhundrennen“ zum Verhängnis. Das Bundesverfassungsgericht (BVerwG) in Karlsruhe watschten das die Münchener Juristen am Freitag per einstweiliger Anordnung ab. Sie müssen jetzt mindestens drei Plätze „an Vertreter von ausländischen Medien mit besonderem Bezug zu den Opfern der angeklagten Straftaten“ vergeben. Ob das Gericht ein Zusatzkontingent schafft oder die Akkreditierung insgesamt nach anderen Regeln gestaltet, bleibt ihm überlassen. Nun prüft der Strafsenat, wie sie mit dieser Vorgabe der obersten Verfassungsrichter umgehen soll.

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Erleichterung
Unabhängig davon wurde der Karlsruher Richterspruch mit Erleichterung aufgenommen: „Das ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die ich aus außenpolitischer Sicht nur sehr begrüßen kann“, sagte Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) dem Deutschlandradio. Zuvor hatte sich die Türkei überrascht gezeigt und erklärt, dass ein vergleichbarer Fall in der Türkei zu Recht Empörung ausgelöst hätte. Die Entscheidung des BVerfG bezeichnete das türkische Außenministerium in Ankara als einen „Schritt in die richtige Richtung“.

Grünen-Chef Cem Özdemir zeigte sich ebenfalls erfreut: „Ich will immer noch keine Gerichtsschelte betreiben, aber das eine kann ich mir dann doch nicht verkneifen, das hätte man auch einfacher haben können, in dem man einfach geschaut hätte, wie in anderen vergleichbaren Prozessen das Thema ‚Beteiligung von ausländischen Journalisten‘ gehandhabt wurde. Und da gibt es ja Beispiele. Das wollte man leider in München nicht sehen.“

Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Sebastian Edathy (SPD) mahnte an, sich „jetzt auf die eigentliche Sache“ zu konzentrieren. Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat. Er sagte dem Kölner Stadt-Anzeiger, dass die Fortdauer dieses Streits „einen Schatten auf das gesamte Verfahren“ geworfen hätte.

Sabahs Beschwerde erfolgreich
Vor dem BVerfG hatte die türkische Tageszeitung Sabah Beschwerde eingelegt. Der stellvertretende Chefredakteur, Ismail Erel, nahm den Karlsruher Richterspruch mit Erleichterung auf. „Das Gericht hat uns recht gegeben“, sagte er kurz nach Bekanntwerden der Entscheidung. „Wir haben uns nicht zu Unrecht ungleich behandelt gefühlt“, so der türkische Journalist.

In einer Stellungnahme an das BVerfG hatte das OLG entgegen früheren Verlautbarungen eingeräumt, einige Journalisten vorab über den Start des Akkreditierungsverfahrens informiert zu haben. Hinzu kam eine technische Panne, die dazu führte, dass die Infomail über den Akkreditierungsstart bei einigen Journalisten später eintraf. (bk) Aktuell Recht

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  1. Lionel sagt:

    Ob die heutige Entscheidung des OLG München, den Beginn des Prozesses um 3 Wochen zu verschieben und ein neues Akkreditierungsverfahren zu starten, nicht auch als Klatsche für das BVerfG gesehen werden kann, das quasi auf dem Silbertablett lediglich 3 weitere Plätze für türkische/griechische Medienvertreter eingefordert hatte?

  2. Harald S. sagt:

    Dieser riesengrosse Wirbel um die Teilnahme türkischer Medien am NSU-Prozess macht doch vor allem eines deutlich: Viele, wenn nicht sogar sehr viele Migranten türkischer Abstammung hier in Deutschland sehen sich selbst nicht als Deutsche, sondern als Türken. Denn wären sie Deutsche, bräuchten sie keine türkischen Medien, um sich hier in Deutschland über deutsche Gerichtsprozesse zu informieren. Und im Umkehrschluss: Wer so versessen darauf ist, sich nur aus türkischen Medien zu informieren, ist vermutlich ein Türke.

    Da nutzt offenbar auch kein deutscher Pass mehr, um sich selbst als Deutschen wahrzunehmen. BTW, wieviele der mutmasslichen NSU-Opfer hatten überhaupt keinen deutschen, sondern nur einen türkischen Pass? Also, inwieweit betrifft dieser Prozess überhaupt die Türken und die Türkei und nicht die Deutschen?

    Die Ironie liegt darin, dass gerade diese Migranten mit ihren extrem ausgeprägten „türkischen Wurzeln“ dann zumeist wohl auch dieselben sind, die regelmässig über Rassismus und Ausgrenzung und Fremdendenfeindlichkeit klagen, wenn sie von einheimischen Deutschen als Ausländer und als Türken bezeichnet werden.

    Dass sie sich selbst aber als Türken und als Ausländer wahrnehmen, ist dann wohl einer gestörten nationalen Identität geschuldet. Oder vielleicht auch einer fehlgeschlagenen Integration.

  3. Marie sagt:

    Die Migranten klagen völlig zu Recht – man muss nur (beispielsweise) Ihre Beiträge lesen,, Herr Harald S., dann weiß man, weshalb sie völlig zu Recht klagen. Ihre rassistischen Ressentiments und Ihre diskriminierenden und perfiden Verdrehungen sind unerträglich.

  4. Marie sagt:

    Herr Lionel – das OLG erteilt dem BVerfG eine Klatsche? Hanebüchen, was Sie da schreiben.

  5. Battal Gazi sagt:

    Ich finde die Entscheidung gerecht. Und Schadenfreude gegenüber denen die allergisch auf alles türkische reagieren empfinde ich auch. :-)

  6. Lionel sagt:

    Vielleicht sagt Ihnen das Wort Retourkutsche etwas mehr, Fr. Marie.
    „Wenn ihr mir 3 zusätzliche Plätze für Medienvertreter aufdrücken wollt,
    dann starte ich ein komplett neues Akkreditierungsverfahren und verschiebe den Prozessbeginn um 3 Wochen – das habt ihr Schlaumeier in Karlsruhe nun davon.“
    Könnte das nicht eine Rolle gespielt haben?

  7. NDS sagt:

    @Lionel
    Vielleicht ist es auch einfach Überforderung? Man hätte ja auch sagen können: Nur die Medienvertretenden auf Platz 1-47 haben einen Platz, die anderen drei Plätze müssen unter den ausländischen Medien neu vergeben werden, was wesentlich einfacher ist, als alles neu aufzurollen.

    @Harald S.
    TürkInnen in Deutschland informieren sich erwiesenermaßen gleich stark über deutsche und türkische Medien. Haben Sie daran gedacht, dass auch TürkInnen in der Türkei ein Interesse daran haben, über ihre eigenen Presseleute informiert zu werden, wenn es um eine Mordserie an u.a. süd-europäisch aussehenden Menschen geht? Hätten Sie in den 1990ern morgens um 6 angespannte Verwandte am Telefon gehabt, die in der Nacht einen Alptraum über das brennende Wohnhaus ihrer Liebsten hatten, wüssten Sie es. Wenn irgendwo in der Welt ein Flugzeug abstürzt, fragen deutsche Medien logischerweise auch als erstes nach deutschen Opfern, weil diese Menschen uns am nächsten stehen.

  8. Lionel sagt:

    @NDS

    Die fünf Berufsrichter des 6. Strafsenats dürften schlicht emotional angegriffen sein. Erst der ganze mediale Wirbel (für den sie natürlich eine Mitverantwortung tragen), beginnend mit dem Streit um den Sitzplatz für den türkischen Botschafter.
    Die Richter leben ja nicht im luftleeren Raum, sie lesen ja auch Zeitungen und sehen TV.
    Der Vorsitzende Götzl musste bisher nur einmal eine erfolgreiche Revision beim BGH über sich ergehen lassen.
    Die Anordnung aus Karlsruhe („3 Stühle mehr“) auch wenn sie wie eine Bagatelle wirkt, dürfte ihn angesichts der Umstände schwer getroffen haben.
    Da die Verteidiger beabsichtigten, den Prozessbeginn verschieben zu lassen, scheint es aber auch sachliche Gründe für diesen Schritt zu geben.

  9. A.Degner sagt:

    NDS,
    „Man hätte ja auch sagen können: Nur die Medienvertretenden auf Platz 1-47 haben einen Platz, die anderen drei Plätze müssen unter den ausländischen Medien neu vergeben werden, was wesentlich einfacher ist, als alles neu aufzurollen.“

    Meiner Meinung nach ist die Entscheidung des OLG konsequent und richtig. Denn jetzt haben uU. nicht nur sämtliche Vertreter der türkischen Presse die Chance auf einen reservierten Sitzplatz (und nicht nur drei), sondern auch die hier so oft zitierte sonstige internationale Presse (NYT, BBC, etc.). Und Sie dürfen in diesem Zusammenhang auch nicht vergessen das bereits sowohl die türkische Regierung als auch ein Opferanwalt signalisiert haben das sie mit dem geforderten Minimum von drei reservierten Plätzen nicht einverstanden sind.

  10. Marie sagt:

    „Vielleicht sagt Ihnen das Wort Retourkutsche etwas mehr, Fr. Marie.
    “Wenn ihr mir 3 zusätzliche Plätze für Medienvertreter aufdrücken wollt,
    dann starte ich ein komplett neues Akkreditierungsverfahren und verschiebe den Prozessbeginn um 3 Wochen – das habt ihr Schlaumeier in Karlsruhe nun davon.”
    Könnte das nicht eine Rolle gespielt haben?“

    Mir sagt sowohl das Wort Klatsche etwas, als auch das Wort Retourkutsche. Ihre Gedankengänge bleiben trotzdem hanebüchen.