NSU-Prozess

Ungleiche Startschüsse beim Windhundrennen

Offenbar gab es auch bei der Platzvergabe der Journalistenplätze beim NSU-Prozess eine Panne. Einige Journalisten sollen früher als andere informiert worden sein. Bisher beteuerte das Gericht ein faires Verfahren.

Freitag, 12.04.2013, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 19.04.2013, 13:10 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Wenige Tage vor dem NSU-Prozess, gerät das Oberlandesgericht (OLG) München wegen der Akkreditierungspraxis weiter unter Druck. Medienberichten zufolge sollen einzelne Journalisten vorab informiert, andere wiederum durch eine technische Panne benachteiligt worden sein. Das OLG habe das gegenüber dem Bundesverfassungsgericht eingestanden.

Die türkische Tageszeitung Sabah etwa habe rund 20 Minuten später als andere Redaktionen eine Info-Mail zum Start des Akkreditierungsverfahrens erhalten. Genug Zeit, um sich eine der kostbaren Presseplätze im Gerichtssaal zu reservieren, blieb dann nicht mehr. Bisher hatte das OLG beteuert, alle Journalisten hätten die gleichen Ausgangsbedingungen gehabt. So wurde der Anschein erweckt, türkische Journalisten hätten zu spät reagiert.

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Abgeordnete schalten sich ein
Fest steht nur, dass der Druck auf das OLG immer größter wird. In die Debatte haben sich am Donnerstag zahlreiche Bundestagsabgeordnete gemischt. In einer gemeinsam veröffentlichten Mitteilung appellierten 55 Abgeordnete an das OLG, den NSU-Prozess nicht unter Ausschluss der internationalen Öffentlichkeit durchzuführen.

„Wir sind der Ansicht, dass das große Interesse für das Oberlandesgericht München vorhersehbar hätte sein können bzw. sein müssen“, so die Abgeordneten. Nicht das Interesse der Öffentlichkeit und der Medien an diesem einmaligen Prozess müsse sich den Räumlichkeiten anpassen, sondern umgekehrt: „Dem großen Interesse muss der entsprechende Raum gegeben werden.“

Funken Glaubwürdigkeit bewahren
Auch die Deutsche Journalisten Union (dju) in ver.di forderte das OLG auf, Konsequenzen aus dem offenbar fehlerhaften Akkreditierungsverfahren zu ziehen. „Die Justiz muss endlich für vernünftige Pressearbeitsbedingungen und ausreichend Plätze sorgen“, sagte dju-Bundesgeschäftsführerin Cornelia Haß. Bei diesem „Windhundverfahren“ sei die Startlinie manipuliert worden, wie das Eingeständnis beim Verfassungsgericht jetzt zeige.

„Wenn das Oberlandesgericht auch nur noch einen Funken Glaubwürdigkeit und den Glauben an ein ordentliches rechtsstaatliches Verhalten gegenüber der internationalen Öffentlichkeit bewahren und sich eine peinliche Niederlage in Karlsruhe wegen fehlender Chancengleichheit und eines Eingriffs in die Pressefreiheit ersparen will, zieht es jetzt endlich die überfälligen Schlüsse“, machte Haß deutlich. Ob das Gericht einlenken und zumindest den Prozess per Videoschaltung in einen Pressesaal übertragen wird, bleibt abzuwarten. (bk) Aktuell Recht

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  1. Lionel sagt:

    Das BVerfG hat keineswegs das angewendete Prioritätsverfahren („Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“), bei dem Fr. Marie Rassismus argwöhnt, beanstandet.
    Es hat ausdrücklich den Antrag von „Sabah“ auf Aussetzung der Vollziehung der Platzvergabe abgelehnt.
    Daher bleibt es bei der Vergabe der 50 Plätze für die Medienvertreter.

    Das OLG muss lediglich 3 weitere Stühle für Medienvertreter mit besonderem Bezug zu den Opfern bereitstellen und diese 3 entweder durch das Prioritäts- oder ein Losverfahren ermitteln – das ist alles.

  2. HansPeterMüller sagt:

    @Marie, Hut ab.

  3. Cengiz K sagt:

    something’s rotten in the state of Denmark..

  4. Marie sagt:

    Das BVerfG hat keineswegs das angewendete Prioritätsverfahren (“Wer zuerst kommt, mahlt zuerst”), bei dem Fr. Marie Rassismus argwöhnt, beanstandet.
    Es hat ausdrücklich den Antrag von “Sabah” auf Aussetzung der Vollziehung der Platzvergabe abgelehnt.
    Daher bleibt es bei der Vergabe der 50 Plätze für die Medienvertreter.

    Das OLG muss lediglich 3 weitere Stühle für Medienvertreter mit besonderem Bezug zu den Opfern bereitstellen und diese 3 entweder durch das Prioritäts- oder ein Losverfahren ermitteln – das ist alles.

    Erstaunlich wie Sie sich die Dinge zurecht biegen – hier hat niemand behauptet, das Windhundverfahren sei rassistisch – die Art der Durchführung, die ausländischen und speziell türkischen Medien keine Chance ließ, wurde beanstandet. Und genau aus diesem Grunde hat das BVerfG vorab den türkischen Medien mindestens 3 Plätze zugestanden – es bleibt auch nicht bei 50 Presseplätzen, mindestens 53 werden es werden. Das Urteil in der Hauptsache wird noch folgen, aber klar ist schon jetzt, dass OLG hat den Mindeststandard bei der Vergabe von Presseplätzen nicht gewährleistet hat – eine weitere Schande in einer endlosen Aneinandereihung von Skandalen. Das BVerfg hat bei seiner Entscheidung abgewogen – den Beginn des Verfahrens zu verschieben, wegen der unzulässigen Auswahl der Pressevertreter durch das OLG, das hat das Gericht, wie es ei Abwägung der rechtsgüter zu erwarten war, nicht gemacht, um einen noch größeren Schaden zu verhindern.

  5. Dieter Hölterhoff sagt:

    Marier, Sie haben völlig recht. Ist schon interessant, welches Gedankengut sich auf der Kommentarseite eines Migrationsmagazins tummelt oder mit Brecht gesprochen „tümelt“.

  6. Lionel sagt:

    „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“, ist eine Umschreibung für das Windhundverfahren.
    Bei den Beführwortern dieses Verfahrens meint Fr. Marie einen „Wer-zuerst-kommt-mahlt-zuerst“-Rassismus feststellen zu dürfen.

    Auch habe ich nicht behauptet, dass es bei 50 Plätzen für Medienverteter bleibt, sondern dass es zum einen bei der Vergabe von 50 Plätzen bleibt, und zum anderen 3 weitere für Medienvertreter mit besonderem Bezug zu den Opfern (das können neben türkischen auch griechische sein) bereitgestellt werden müssen.

    Das BVerfG hat auch nicht erwogen, den Beginn des Verfahrens wegen einer angeblich unzulässigen Auswahl der Pressevertreter zu verschieben – das geht nämlich nicht aus der Veröffentlichung der Anordnung hervor – sondern hat ausdrücklich den Antrag der „Sabah“ auf Aussetzung des angewendeten Akkreditierungsverfahrens in diesem Punkt abgelehnt.

  7. Marie sagt:

    Sie sollten sich über die rechtlichen Voraussetzungen bezüglich einer Verfügung im Vorfeld eines Hauptsacheverfahrens informieren, Herr Lionel – da geht es darum, ob eine mögliche Grundrechtsverletzung so schwer wiegt, dass sie eine entsprechende Anordung vor der Entscheidung im Hauptsacheverfahren rechtfertigt – abwägen im Vorfeld des Hauptsacheverfahrens ist hier die Devise. Dass das BVerfG erwogen hätte, den Beginn zu verschieben, habe ich überhaupt nicht behauptet. – eine Aussetzung der Vollziehung der Platzvergabe im Vorfeld des Hauptsacheverfahrens hätte allerdings eine Verschiebung des NSU-Verfahrens zur Folge gehabt. Genau das hat das BVerfG vermieden und die Grundrechtsverletzung auf weniger einschneidende Weise „geheilt.“. Dass die Akkreditierungspraxis grundrechtswidrig war, wird durch die Entscheidung bestätigt – und klar stelle ich angesichts der nachgewiesenen Ungleichbehandlung der türkischen Medien, die verspätet informiert wurden, bei den „Wer-zuerst-kommt-mahlt.-zuerst“ Befürwortern, die die Diskriminierung türkischer Medien befürworten, Rassismus fest – was denn sonst.

  8. Marie sagt:

    Dieter Hölterhoff:

    „Marier, Sie haben völlig recht. Ist schon interessant, welches Gedankengut sich auf der Kommentarseite eines Migrationsmagazins tummelt oder mit Brecht gesprochen “tümelt”.“

    Ein Migrationsmagazin übt ganz offensichtlich eine spezielle Anziehung auf Leute dieser Couleur aus – ich finde die Kommentare teilweise absolut grenzüberschreitend.

  9. Lionel sagt:

    Fr. Marie , Sie haben geschrieben:“Das BVerfg hat bei seiner Entscheidung abgewogen – den Beginn des Verfahrens zu verschieben, wegen der (…)“
    Und nun schreiben Sie, genau das hätten Sie nicht behauptet.

    Ob die Akkreditierungspraxis tatsächlich grundrechtswidrig war, steht überhaupt nocht nicht fest, wie Sie es behaupten, Fr. Marie.
    Das BverfG hält eine Verletzung von Grundrechten erst einmal nur für möglich und überprüft das Rahmen der Verfassungsbeschwerde.
    Das heißt, dass das BVerfG überhaupt noch keine Ungleichbehandlung oder Diskriminierung türkischer Medien definitiv festgestellt hat – folglich kann erst einmal von Rassismus nicht die Rede sein.

  10. Marie sagt:

    Ihre Erbsenklauberei wird immer doller – das BVerfG hat dem OLG die Möglichkeit eröffnet, den Beschluss ohne Verschiebung umzusetzen, so war das gemeint. Dass das OLG diese Möglichkeit nicht genutzt hat, kann das BVerfG nicht beeinflussen. Das Bundesverfassungsgericht trifft immer Feststellung über Grundrechtsverletzungen erst im Hauptsacheverfahren.

    Dass hier angesichts der verspäteten Information türkischer Medien (und der Tatsache, dass zum Zeitpunkt, als die Email an die türkischen Medien verspätet verschickt wurde, das Rennen mit 39 Anmeldungen schon fast gelaufen war, dass 11 Minuten nach dem Versand der Email an türkische Medien, die am Vortag zudem, im Gegensatz zu anderen Medien keinerlei Vorabinfos erhalten hatten, das „Rennen“ schon komplett gelaufen war) dass Bundesverfassungsgericht NICHT zu der Auffassung gelangen könnte, dass hier der Gleichheitsgrundsatz (u.a.m.) massiv verletzt wurde, entspricht rassistisch diskriminierendem Wunschdenken, Herr Lionel.