Integrationsminister Hahn

Ob die Gesellschaft einen asiatisch aussehenden Vizekanzler länger akzeptiert?

Der Hessische Integrationsminister, Jörg-Uwe Hahn, macht sich Gedanken über den „asiatisch aussehenden Vizekanzler“. Die Gesellschaft könne ihn möglicherweise nicht länger akzeptieren. Die Opposition wirft ihm Rassismus vor und fordert seinen Rücktritt.

Freitag, 08.02.2013, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 13.02.2013, 23:06 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Der Hessische Integrationsminister und FDP-Landesvorsitzender, Jörg-Uwe Hahn, sagte in einem Interview mit der Frankfurter Neue Presse (Donnerstag): „Bei Philipp Rösler würde ich allerdings gerne wissen, ob unsere Gesellschaft schon so weit ist, einen asiatisch aussehenden Vizekanzler auch noch länger zu akzeptieren.“

Das ist für Janine Wissler, Fraktionsvorsitzende der Linkspartei in Hessen, „die allerunterste Schublade“. Wissler weiter: „Auf Ressentiments zu verweisen, um innerparteiliche Gegner zu schwächen, ist aber nicht nur ein erbärmlicher Stil. Als Hessischer Minister für Integration erweist sich Hahn damit als offensichtliche und unerträgliche Fehlbesetzung.“

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Stillose Entgleisung
Als „stillose Entgleisung“ wertete dies der Parlamentsgeschäftsführer der SPD im hessischen Landtag, Günter Rudolph. „Seine Äußerung unterstellt nicht nur den Menschen eine fremdenfeindliche Neigung. Sie zeigt auch, dass der Integrationsminister selbst offenbar rassistische Tendenzen hat“, sagte der SPD-Politiker. „Einen Politiker, welcher Partei auch immer, wegen seines Äußeren derart zu verunglimpfen, sagt doch einiges über Hahns Geisteshaltung aus. Hahn wirkt wie aus der Zeit gefallen. Offenbar buhlt er um jetzt um den rechten Rand der Wähler. Deutschland ist heute aber ein weltoffenes Land“, so Rudolph.

Kritik kam auch von den Grünen. „Könnte es sein, dass ein Teil des Akzeptanzproblems von Philipp Rösler in der FDP auch seine vietnamesische Herkunft ist?“, fragte der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Tarek Al-Wazir. „Wir erinnern uns noch an den berühmt-berüchtigten Bambusvergleich des designierten Spitzenkandidaten und Fraktionsvorsitzenden der Bundestagsfraktion der FDP, Rainer Brüderle, auf dem Landesparteitag der hessischen FDP am 12. Mai 2012 in Niedernhausen“. Brüderle hatte gesagt: „Glaubwürdigkeit gewinnt man, indem man nicht wie Bambusrohre hin und her schwingt, sondern steht wie eine Eiche.“ Deswegen sei „die Eiche hier heimisch und nicht das Bambusrohr“.

Hahn sieht Problem
Im Laufe des Tages reagierte Hahn auf die Kritik mit einer Presseerklärung. Er sehe in seiner Aussage über die Herkunft von Parteichef und Vizekanzler Philipp Rösler keinen Angriff. „An seiner Kompetenz als Vizekanzler und Parteivorsitzender habe ich keine Zweifel“, erklärte Hahn. „Meine Äußerung ist keinesfalls ein Angriff auf Philipp Rösler.“ Er habe darauf hinweisen wollen, „dass es in unserer Gesellschaft einen weit verbreiteten, oft unterschwelligen Rassismus gibt.“ Dieses gesellschaftliche Problem dürfe nicht totgeschwiegen, sondern müsse offen angesprochen werden, um es zu bekämpfen. „Wer in meine Äußerung etwas anderes als dies hineinliest, versteht mich falsch.“

Das überzeugte Al-Wazir nicht. Wenn Hahn etwas gegen Rassismus tun wollte, hätte er spätestens nach der Bambus-Eiche-Entgleisung von Brüderle etwas sagen müssen. „Stattdessen schwadroniert er Monate später darüber, ob Deutschland einen asiatisch aussehenden Vizekanzler noch länger erträgt. Was will er uns denn damit überhaupt sagen?“, so Al-Wazir.

Billigster Rassismus
Hahn wurde auch auf Bundesebene hart angegriffen. „Unerträglich“ findet die Stellvertretende SPD-Vorsitzende Aydan Özoğuz, dass solche Äußerungen ausgerechnet von einem Integrationsminister kommen. Das sei „billigster Rassismus“. „Eine Debatte darüber führen zu wollen, ob jemand das richtige Aussehen oder die richtige Herkunft für ein Amt hat, beweist nur, dass Herr Hahn nicht einmal merkt, welch tief rassistisches Gedankengut er hier verbreiten möchte. Nein, man wird nicht immer alles sagen dürfen.“

Die Linkspartei forderte Hahn zum Rücktritt auf. Linke-Chef Bernd Riexinger warf Hahn „Rassismus in Reinkultur“ vor. „Er ist für kein öffentliches Amt tragbar. Die FDP muss Hahn zurückziehen, wenn er nicht von selbst geht“, sagte Riexinger auf dpa-Anfrage.

Rückendeckung aus der FDP
Doch von der FDP kam verhaltene Rückendeckung. Der FDP-Integrationspolitiker Serkan Tören sagte dem Tagesspiegel, Hahns Worte seien „unglücklich“ gewählt, sodass es „durchaus zu Missdeutungen kommen“ könne. Rassismus wolle er Hahn aber nicht unterstellen.

Auch der Vorsitzende der Jungen Liberalen, Lasse Becker, stärkte Hahn den Rücken. „Die Wortwahl war offensichtlich missverständlich. Es ist aber notwendig, diese Debatte zu führen“, sagte er der Passauer Neue Presse. Er selbst erlebe dieses häufig: „Ich bekomme am Wahlkampf-Stand in der Fußgängerzone zu hören: Ich würde Euch ja wählen, aber dafür müsste erst einmal der Chinese weg.“(es) Leitartikel Politik

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