Baden-Württemberg

Integrationsministerium lockert Flüchtlingsunterbringung

Mit neuen Regelungen, die seit Monatsbeginn gelten, will das baden-württembergische Integrationsministerium die Lebensbedingungen der Asylbewerber und Flüchtlinge, aber auch die Unterbringungspraxis der Aufnahmebehörden in den Kreisen erleichtern.

Mittwoch, 08.08.2012, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 13.08.2012, 0:01 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

„Im Vorgriff auf die Novellierung des baden-württembergischen Flüchtlingsaufnahmegesetzes haben wir einige Neuerungen im Sinne von mehr Humanität und auch mehr Flexibilität auf den Weg gebracht“, teilte Baden-Württembergs Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) am Freitag in Stuttgart mit.

Nicht zuletzt die höheren Zugangszahlen bei den Asylbewerbern erfordern dem Ministerium zufolge flexiblere Lösungen bei der Unterbringung. So werde den Kreisen durch eine neue Verordnung erlaubt, Asylbewerber wesentlich früher als bislang aus der vorläufigen Unterbringung in den Gemeinschaftsunterkünften zu entlassen. Dadurch würde schneller Platz für Neuzugänge aus der zentralen Aufnahmeeinrichtung in Karlsruhe geschaffen. Die Dauer der Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft, die derzeit im Durchschnitt noch mehr als zwei Jahre betrage, könne sich dadurch nahezu halbieren.

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An einem Strang ziehen
Öney appellierte dabei an die Kooperationsbereitschaft der kreisangehörigen Gemeinden, die für die sogenannte Anschlussunterbringung in den meist kommunalen Wohnungen zuständig sind. „Das System der Flüchtlingsunterbringung in Baden-Württemberg kann nur funktionieren, wenn alle Ebenen – Land, Kreise und Gemeinden – an einem Strang ziehen“, betonte Ministerin Öney.

Stadt- und Landkreise, die durch die unerlaubte Einreise von Ausländern ohne Asylbewerberstatus besonders belastet sind, erhalten künftig einen Ausgleich durch Anrechnung auch dieses Personenkreises auf ihre Unterbringungsquote.

Mehr Flexibilität
Die aktuellen Bestimmungen des Integrationsministeriums lassen im Übrigen zu, dass anstelle von Gemeinschaftsunterkünften verstärkt Wohnungen für die Unterbringung von Flüchtlingen herangezogen werden können, in erster Linie für schutzbedürftige Personen. „Wir wollen den Stadt- und Landkreisen damit auch die Möglichkeit geben, flexibler mit dem Angebot des regionalen Wohnungsmarkts zu arbeiten.“

Weitere Erleichterungen, etwa mehr Flexibilität bei der Gewährung von Geldleistungen neben reinen Sachleistungen, runden das Maßnahmenpaket des Integrationsministeriums ab. „Essenspakete dürften dabei allmählich der Vergangenheit angehören,“ zeigte sich die Ministerin überzeugt. Öney versprach in diesem Zusammenhang, dass Fragen der Erstattung von Kosten, die sich für die Stadt- und Landkreise durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Asylbewerberleistungsgesetz ergeben, schnell geklärt werden sollen. „Ich strebe einen fairen Ausgleich zwischen Land und Kommunen an.“

Einheitlicher Maßstab
Angesichts der landesweit angespanntem Unterbringungssituation ist es laut Öney erforderlich, dass jeder der 44 Stadt- und Landkreise die nach seiner Einwohnerzahl bemessene Unterbringungsquote erfülle. Die Landesaufnahmestelle für Flüchtlinge in Karlsruhe müsse bei der Zuteilung von Asylbewerbern an die Kreise einen einheitlichen Maßstab anlegen und könne hiervon keine Ausnahmen mehr machen.

Öney: „Ich halte es schon aus Gründen der Solidarität unter den Kreisen für geboten, dass jeder in gleichem Maße seiner gesetzlichen Verpflichtung nachkommt.“ Öney forderte die Stadt- und Landkreise auf, angesichts der aktuellen Zugangssituation pragmatische Lösungen für die Unterbringung zu suchen und nicht allein auf künftige Vorgaben des Landes zu warten. Sie sicherte zu, dass künftige Unterbringungsstandards mit praktikablen Übergangslösungen für die Kreise verknüpft würden. (hs) Aktuell Politik

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  1. Prof. Dr. Klaus J. Bade sagt:

    Das ist ein ausgezeichnetes Verbesserungspaket. Ich schlage vor, noch über eine Ergänzung nachzudenken, die vielleicht im vergleichsweise wohlhabendenBaden-Württemberg nicht so belangvoll ist, umso mehr aber in anderen Bundesländern, z.B. im deutschen Osten:

    Wenn alle Kreise ausnahmslos nach Quote beschickt werden, könnte es vor Ort zu sozialen Ungerechtigkeiten und auch zu Spannungen kommen, weil es mehr oder weniger belastbare Gemeinden gibt. Wenn z.B. (wie derzeit in Mecklenburg-Vorpommern) in kleinen Städten mit hoher Arbeitslosenzahl größere Kontingente vonl Asylbewerbern untergebracht werden sollen, die dann dort ohne Arbeitsgenehmigung und bei Arbeitsgenehmigung ohne Arbeitschance (weil es keine zu wenig Arbeit gibt) in Sammelunterkünften festsitzen, dann sind die bekannten Probleme absehbar und die ebenso falsche wie demagogische Rede von ‚untätigen Sozialschmarotzern‘ etc. dürfte bald rechtsradikales Potential anziehen.

    Die Lösung könnte – von den rechtstechnischen Umsetzungsproblemen einmal abgesehen – bei gutem Willen und etwas Phantasie doch ganz einfach sein, auch wenn sie naiv klingen mag:
    1. Wir wissen, daß die meisten Asylbewerber arbeiten wollen. Sie wissen, daß sie dabei keine große Wahlfreiheit haben können, weil Einheimische auch nach Arbeit suchen und Vorrang haben müssen.
    2. Man gebe Ihnen möglichst frühzeitig eine Arbeitsgenehmigung und entsprechende Arbeitsangebote mit dem Ziel, ihre Aufenthaltskosten so weit wie möglich durch eigene Arbeit zu decken. Dabei wird darauf zu achten sein, daß es nicht zu Mißbrauch durch Arbeitgeber kommt (Niedrig- bzw. Dumpinglöhne, gezielte Verdrängungskonkurrenz etc.)

    Auf diese Weise hätte man drei Probleme mit einer Lösung geklärt:
    a) Asylbewerber können arbeiten, tragen damit zumindest einen großen Teil ihrer Aufenthaltskosten selber;
    b) mißgünstige Einheimische oder Agitatoren können nicht mehr sagen, daß es sich um Müßiggänger handelt;
    c) Asylbewerber können nur in Gemeinden geschickt werden, wo es auch tatsächlich Arbeit für sie gibt.

  2. aloo masala sagt:

    @Prof. Bade

    aus b)

    „mißgünstige Einheimische oder Agitatoren können nicht mehr sagen, daß es sich um Müßiggänger handelt;“

    wird dann

    „mißgünstige Einheimische oder Agitatoren in strukturschwachen Regionen können und werden dann sagen, dass die Asylschmarotzer ihnen Arbeitsplätze wegnehmen würden während vor Ort eine Arbeitslosigkeit von 15-20% herrscht.“

    Davon abgesehen sind die Argumente der sogenannten Missgünstigen und Agitatoren ohnehin irrational. Denn Sie können bereits jetzt nicht sagen, dass Asylbewerber Müßiggänger sind, weil diese ja keine Arbeitserlaubnis besitzen. Trotzdem tun die Missgünstigen und Agitatoren das, weil sie eben missgünstig sind.

    Ich habe großen Zweifel an der Ernsthaftigkeit solcher Änderungsvorschläge aus der Politik bzgl. des humanitären Aspekts. Die Asylpolitik wurde stets unter allen möglichen Gesichtspunkten gesteuert jedoch niemals unter humanitären Aspekten. Eine Lockerung wie aus BW erweckt bei mir eher den Verdacht, dass

    a) die Kassen klamm sind oder/und
    b) die Wirtschaft billige Arbeitskräfte benötigt.

    Das man damit Asylbewerbern eine menschenwürdigere Existenz gestatten möchte kann ich einfach nicht mehr glauben.

  3. Sinan Sayman sagt:

    alles dreht sich nur um wirtschaftliche Einbindung, da Fachkräfte fehlen, lockert man alles, aber nicht, weil man den Asylanten etwas Gutes tun möchte, sondern nur, damit es der Wirtschaft gut geht.