Islamische Landesverbände

„Bundesinnenminister Friedrich ist fehl am Platz“

Gleich neuen islamische Landesverbände bescheinigen Bundesinnenminister Friedrich „fehl am Platz“ zu sein. Sie hätten es auch satt, immer nur „Sicherheitspartner“ zu sein. Auslöser ist die Debatte um die Studie „Lebenswelten junger Muslime“.

Montag, 12.03.2012, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 16.03.2012, 4:09 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) dürfte mit der Studie „Lebenswelten junger Muslime in Deutschland“ es endgültig geschafft haben, mit den Islamischen Religionsgemeinschaften zu brechen. In einer am Samstag (10.3.2012) in Offenbach veröffentlichten gemeinsamen Erklärung bescheinigt die „Konferenz Islamischer Landesverbände“ (KILV) dem Bundesinnenminister, „fehl am Platz“ zu sein.

Mit der Art und Weise der Veröffentlichung der Studie habe Friedrich „erneut gezeigt, dass er als Innenminister eine Fehlbesetzung ist“. Vor allem kritisiert KILV, ein Zusammenschluss von neun islamischen Landesverbänden, dass Friedrich die Ergebnisse auf Demokratiefeindlichkeit reduziert hat. Wenn Friedrich „aus einer derart umfangreichen Studie solch eine undifferenzierte und plumpe Schlussfolgerung in einer drohenden Weise zieht, dann ist es schade um die Mühe der Autoren und die Steuergelder, die die Erstellung gekostet hat. Er hätte gut daran getan, die Studie mit seinen Fachleuten zunächst selbst gründlich zu lesen und erst dann öffentlich aufzutreten“, so die KILV.

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Billiger Populismus
Friedrich hatte dem Boulevardblatt Bild vor der offiziellen Veröffentlichung der Studie exklusiv erklärt, dass Deutschland die Herkunft und kulturelle Identität seiner Zuwanderer achtet. Friedrich weiter: „Aber wir akzeptieren nicht den Import autoritärer, antidemokratischer und religiösfanatischer Ansichten. Wer Freiheit und Demokratie bekämpft, wird hier keine Zukunft haben – dies klarzumachen, ist die Aufgabe eines jeden.“

Dies erste Stellungnahme des Bundesinnenministers zeige eindeutig, dass er den „eigentlichen Inhalt der Studie gar nicht verstanden hat oder nicht verstehen wollte“. Es scheine, als wollte Friedrich sich der Studie, ohne inhaltliche Zusammenhänge zu beachten, als Stichwortgeber für billigen Populismus und Stimmungsmache gegen den Islam und die Muslime bedienen.

Restvertrauen beschädigt
Damit habe Friedrich das Restvertrauen zwischen ihm und den Muslimen sowie den islamischen Verbänden beschädigt. Weiter heißt es in der Erklärung: „Wir sind enttäuscht und zum Teil fassungslos über das Vorgehen des Ministers […] Wäre es ihm um den Dialog, die Integration und die Partizipation gegangen, hätte er die Studie zum Beispiel bei der Islamkonferenz gemeinsam mit den Wissenschaftlern und den islamischen Verbänden bewerten und Schlussfolgerungen ziehen können. Nach unserer Überzeugung ist ein solcher Minister, für den Integration nur eine medienwirksame Worthülse ist, der Vorurteile und Ängste schürt und die Gesellschaft spaltet, in einer verantwortungsvollen Position gänzlich ungeeignet.“

KILV: Islamische Glaubensgemeinschaft Baden-Württemberg, Schura Niedersachsen, Islamische Föderation Berlin, Schura Bremen, Schura Hamburg, Schura Schleswig-Holstein, Bund der Muslime Thüringen, Islamische Religionsgemeinschaft Hessen/IRH, Koordinierungsrat Mecklenburg-Vorpommern

Die KILV selbst begrüße die Studie grundsätzlich: „Wie die Autoren in ihrer Studie zurecht feststellen, verpflichtet Integration sowohl die sog. Migranten als auch die deutsche Mehrheitsgesellschaft dazu, ein neues Verständnis für die eigene und die gemeinsame Identität zu entwickeln und so kulturellen und sozialen Veränderungen auf beiden Seiten besser begegnen zu können.“ Dabei gehe es um die Notwendigkeit, die ständig stattfindenden kulturellen und sozialen Veränderungen als bereichernd anzuerkennen.

Satt, immer nur Sicherheitspartner zu sein
„Wir Muslime sind Teil der kulturellen Vielfalt und der pluralistischen Gesellschaft in Deutschland. In diesem Sinne sehen wir uns und handeln als Mitbestimmer und Mitgestalter dieser kulturellen Vielfalt und der pluralistischen Gesellschaft. Deshalb wollen wir von den Mitgliedern der Mehrheitskultur und dem Staat nicht als Objekte, über die Entscheidungen getroffen und Beschlüsse gefasst werden, wahrgenommen und behandelt werden“, so die Landesverbände. In diesem Zusammenhang lehnen sie in ihrer Erklärung auch strikt ab, „dass der Islam und die Muslime vom Bund und den Ländern ständig im Rahmen der Sicherheitspolitik und wir als islamische Verbände nur als Sicherheitspartner behandelt werden.“

Gemeint sind die mittlerweile zahlreichen Initiativen auf Bundes- und Landesebene. Im März 2011 hatte Friedrich kurz nach seinem Amtsantrtitt angekündigt, mit den islamischen Religionsgemeinschaften eine sog. Sicherheitspartnerschaft einzugehen, an der unter anderem die Ditib, VIKZ und ZMD teilnehmen – letzterer entgegen der anfänglichen Ankündigung, an einer solchen Partnerschaft nicht interessiert zu sein. Auf Landesebene stellte Niedersachsesens Innenmininister Uwe Schünemann (CDU) erst kürzlich sein umstrittenes Sicherheitskonzept vor und kassierte von den zwei größten Landesverbänden eine deutlich Absage.

Der Vorsitzende des Landesintegrationsrates Nordrhein-Westfalen, Tayfun Keltek, ging noch einen Schritt weiter und stellte „in Anbetracht dieser Situation“ die Frage, ob es überhaupt noch „Sinn macht“, dass islamische Organisationen am Islamgipfel teilnehmen. (eb) Leitartikel Politik

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  1. Martina M. sagt:

    Ich weiß gar nicht, was die Islamverbände wollen.

    Der Innenminister hat die Aufgabe für die „Innere Sicherheit“ der Bundesrepublik Deutschland zu sorgen. Dazu gehören Maßnahmen gegen Rechts, gegen linken und islamischen Terror.

    Wenn die Muslimverbände nicht bereit sind, ihre eigenen Leute in die Reihe zu kriegen, dann ist das nicht das Problem des Innenministers und auch nicht das Problem der Bundesrepublik Deutschland.

    Was ist so verkehrt, wenn „ALL“, aber auch „ALLE“ an einer Sicherheitspartnerschaft teilnehmen.

    Was wäre denn, wenn die Bevölkerung der Bundsrepublik sagt, neeee……….wir kämpfen nicht gegen den „Rechten“ Terror, weil wir in vielen Sachen keine Mitspracherecht haben und nicht gleichwertig behandelt werden ?

    Immer dieses Geschrei, der benachteiligten Muslimverbände ! Es wird schon seinen Grund haben, warum sie sich nicht für die Sicherheitspartnerschaften und Muslimkonferenzen entscheiden. Reden und handeln war noch nie deren Stärke.

    Lieber ist man chronisch beleidigt und schiebt alles auf Andere. Sie schaffen sich selbst das Bild der „Ausgegrenzheit“ durch ihr eigenes Verhalten.

    Wer hier in der Bundesrepublik mitreden will, der soll auch dafür sorgen, dass gewisse Dinge ausgesprochen, ausdiskutiert werden und auch entsprechende Maßnahmen getroffen werden um die Sicherheit der Bundsrepublik Deutschland gewährleisten. Wer das nicht versteht und nicht mitzieht, hat auch politisch nichts mitzureden.

  2. BiKer sagt:

    @ martina

    Haben Sie je gehört, dass die christlichen Kirchen gegen den christliche Fundamentalismus vorgehen bzw. sie vom Inneinisterium dazu eingeladen werden?

  3. ShahiR sagt:

    Na,

    das ist ja wirklich verwunderlich, wie schnell Herr Friedrich, als Innenminister, sein Vertrauen zu den Bürgern verlieren konnte…
    Ich selbst bin entsetzt von dieser Aussage. Wenn ich wirklich so antidemokratisch, und antiautoritär u.s.w (blablabla) sein sollte, warum bin ich dann als MUSLIMA Kurssprecherin, habe mein Abitur an einem Wirtschaftsgymnasium mit Bestnoten bestanden und studiere jetzt Germanistik und Geschichte?
    Hmm.. Eins weiß ich jedenfalls, wenn meine Familie und ich so antidemokratisch gewesen wären, wäre ich erst gar nicht in der Lage gewesen, die Schule bis zur 13. Klasse zu besuchen. Geschweige denn dannach zu studieren.
    Freiheit und Demokratie ist das was ich an diesem Land so schätze, genau wie all die muslimischen Mitbürger hier. Genau deswegen versuchen wir immer diese falschen Gedanken ( wie die von Mr. Friedrich ) aus den Köpfen derjenigen zu beseitigen, die denken, der Islam habe etwas mit Gewalt zu tun. Islam heißt nämlich Friede. Und falls Sie wissen, was Friede ist, wissen Sie, was der Islam ist.

    Shahid R.

  4. Tai Fei sagt:

    Björn Wagner sagt:
    12. März 2012 um 17:04
    „ Wer Freiheit und Demokratie bekämpft, wird hier keine Zukunft haben – dies klarzumachen, ist die Aufgabe eines jeden“ stört, der sollte sich wirklich Gedanken machen, ob er/sie in einem anderen Land nicht besser aufgehoben wäre.“

    Völlig richtig! Aus dem Grund sollte man auch einige Minister sofort des Landes verweisen. Immerhin wurden schon etliche Gesetzesinitiativen verschiedener Bundesregierungen und –minister vom Verfassungsgericht kassiert. Sie waren offensichtlich nicht mit den demokratischen Werten des GG vereinbar. Da sieht man mal, wer in Wahrheit versucht Freiheit und Demokratie zu unterminieren.

  5. Frank_Engelhardt sagt:

    Liebe Mitmenschen,
    ich finde es merkwürdig, das ihr (Muslime) hier als Reaktion auf die besagte Studie in jedem der 3 Artikel (die ich gelesen habe) immer nur 2 Dinge kritisiert:
    1.) Den Vorgang der Veröffentlichung (Bild zuerst…)
    2.) wird der Wahrheitsgehalt (zu wenig Befragte, falsche Fragen etc.) angezweifelt.
    Aber das tägliche erleben in meiner kleinen hübschen Stadt entspricht doch auch teilweise der Studie: Ich meine z.B. die jungen Burschen die sich mit ganz breiten Schultern durch die Menschenmenge fräsen und solche Dinge.
    Was ich dringend vermisse ist auch mal ein Aufruf an diese „Jungen Wilden“ das sie die Pöbeleien, rücksichtslose Verhaltensweisen etc. unterlassen.
    Lg Frank

  6. Tai Fei sagt:

    Frank_Engelhardt sagt:
    13. März 2012 um 10:23
    „ich finde es merkwürdig, das ihr (Muslime) hier als Reaktion auf die besagte Studie in jedem der 3 Artikel (die ich gelesen habe) immer nur 2 Dinge kritisiert:
    1.) Den Vorgang der Veröffentlichung (Bild zuerst…)
    2.) wird der Wahrheitsgehalt (zu wenig Befragte, falsche Fragen etc.) angezweifelt.“
    Der Wahrheitsgehalt wird überhaupt nicht angezweifelt. Die Studie SELBST schränkt ihr Ergebnis als NICHT repräsentativ ein. Das wurde jedoch kaum publik gemacht, schon gar nicht von der Blöd.

    PS: ich bin KEIN Muslim

  7. Horst Weihser sagt:

    @ShahiR

    „Islam heißt nämlich Friede“

    mit Abitur, bestanden mit Bestnoten, und geisteswissenschaftlichem Studium sollten Sie allerdings schon in der Lage sein, zu wissen, was der Name Ihrer eigenen Religion bedeuet….?

    „Der Islam (arabisch ‏إسلام‎ islām ‚Unterwerfung (unter Gott)/völlige Hingabe (an Gott)‘[1] ‏الإسلام‎ al-islām, ‚der Islam‘) “

    Ist Frieden für Sie also VÖLLIGE UNTERWERFUNG? Vielleicht klärt das auch die Diskrepanz etwas. Vielleicht verstehen wir im Westen (als Konzept) unter „Frieden“ etwas völlig anderes als ihr im Orient?

  8. MoBo sagt:

    “ Vielleicht verstehen wir im Westen (als Konzept) unter “Frieden” etwas völlig anderes als ihr im Orient?“

    „Ihr im Orient“??? Wirklich??? Hahaha, Mann, Mann, Mann, das braucht man gar nicht zu kommentieren, das ist so 1900 oder 1930, ich lach mich tot.

  9. Horst Weihser sagt:

    Mobo, gut, das war vielleicht etwas falsch ausgedrückt. Entschuldigen Sie! Wie hätten Sie es denn gerne?

    Vielleicht verstehen wir im Westen (als Konzept) unter “Frieden” etwas völlig anderes als ihr türkischstämmigen?

    Vielleicht verstehen wir im Westen (als Konzept) unter “Frieden” etwas völlig anderes als ihr Muslime mit orientalischen Wurzeln?

    Vielleicht verstehen wir im Westen (als Konzept) unter “Frieden” etwas völlig anderes als ihr muslimischen Migranten?

    Klären Sie mich auf! Und gehen Sie doch auch sachlich auf meine ursprüngliche Frage ein. Warum behauptet ein gebildeter Muslim, Islam heisst Frieden, wenn es das nicht tut? Weiß er es nicht besser? Lernt man das nicht in der Koranschule?

  10. Optimist sagt:

    @ Horst Weihser

    „Klären Sie mich auf! Und gehen Sie doch auch sachlich auf meine ursprüngliche Frage ein. Warum behauptet ein gebildeter Muslim, Islam heisst Frieden, wenn es das nicht tut? Weiß er es nicht besser? Lernt man das nicht in der Koranschule?“

    Sie erwarten allen ernstes, daß wir sagen, „Ja, unsere Religion ist in Wahrheit nichts anderes als eine Hassreligion“, oder wie darf man Ihre Äußerungen verstehen? Unfassbar, was für ein Bild Personen wie Sie über unsere Religion haben. Und als ob das nicht reicht, wollen Sie auch noch ne ernsthafte Stellungnahme dazu haben. Sie brauchen sich nicht zu wundern, daß niemand auf ihr fürchterliches Bild über unsere Religion Stellung bezieht. Aber das ist typisch, das ist das typische Sarrazin-Niveau. Auf diesem Niveau reden wir nicht und so werden Sie auch keine richtige Antwort von uns erhalten. Machen Sie sich besser erstmal kundig, was der Islam vermittelt, dann kommen Sie vllt von Ihrem Islam=Das-Böse-Trip runter.