Nach der Trauerfeier

Einmal die Klappe halten, schweigende Mehrheit!

In Berlin ist gestern der Opfer des Rechtsterrorismus in Deutschland gedacht worden. Während bei dem Staatsakt würdige Reden gehalten wurden, meldete sich danach Neuköllns Bürgermeister Buschkowsky medial zu Wort. Und selbst an dem Tag, an dem der Toten des Neonazi-Terrors gedacht wurde, musste er über seine Paradethema referieren: die angeblichen Versäumnisse der Migranten bei der Integration.

Freitag, 24.02.2012, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 28.02.2012, 7:52 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Im Konzerthaus am Berliner Gendarmenmarkt hat die zentrale Gedenkveranstaltung zur Erinnerung an die Opfer rechtsextremistischer Gewalt stattgefunden. Bundeskanzlerin Merkel bat die Familien der Opfer um Verzeihung, sie entschuldigte sich für falsche Verdächtigungen durch die Ermittlungsbehörden. Viele Angehörige seien über Jahre hinweg selbst im Visier der Sicherheitsbehörden gewesen. “Diese Jahre müssen für sie ein Albtraum gewesen sein”, sagte Merkel. Die Morde seien “eine Schande für unser Land”. Besonders beeindruckend waren zudem die Reden der Angehörigen der Opfer.

Weniger beeindruckend war der Auftritt von Heinz Buschkowsky. In der ARD betonte der Neuköllner Bürgermeister nach der Trauerfeier, es gebe ja auch viele Probleme bei der Integration, so könnten mehr als 70 Prozent der Erstklässler mit Migrationshintergrund in Neukölln kein Deutsch. Später war zudem noch von gefährlichen Parallelgesellschaften die Rede. Was genau das Ganze mit der rassistischen Mordserie und dem Gedenken an die Opfer zu tun hat? Schwer zu sagen. Haben die Migranten vielleicht ein bisschen selbst schuld, weil sie sich angeblich nicht gut benehmen? Und was sollte Buschkowsky eigentlich zum Thema Rechtsterrorismus beitragen? Warum stand da kein Fachmann für Rechtsextremismus, sondern ein Star der Integrationsdebatte, zwar kein Sarrazin, aber immerhin ein Buschkowsky, der gerne polarisiert? Und wurde bei Trauerfeiern für RAF-Opfer eigentlich mit einem marxistischen Ökonomen über die Nachteile des Kapitalismus debattiert?

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Kann man Deutscher werden?
Ganz nebenbei: Die Opfer wurden nicht von den Rechtsterroristen ermordet, weil sie besonders schlecht oder ausgesprochen gut, so wie Buschkowsky & Co. sich das wünschen, integriert waren, nein, sie wurden mit Kopfschüssen exekutiert, weil sie Migranten waren. Und sie wurden posthum öffentlich zu angeblichen Kriminellen gemacht, weil sie Migranten waren. Und weil sie Migranten waren, wird sogar an dem Tag der Trauerfeier über ihre vermeintlichen Versäumnisse gesprochen, anstatt die rechtsextreme Parallelwelt in Teilen Ostdeutschlands zu thematisieren, aus denen die Täter stammen, oder über Rassismus in den Medien, oder über einen designierten Bundespräsidenten, der ausdrücklich den Begriff “Überfremdung” benutzt.

Aber nein, damit würde man den Blick auf das eigentliche Problem lenken, auf den weit verbreiteten Rassismus in Deutschland. Da ist es doch bequemer über die Migranten zu palavern, die sich sowieso nicht anpassen wollen und angeblich überwiegend kein Deutsch können, auch wenn Migranten so angepasst sein können, wie die Deutschen es wollen, sie bleiben dennoch Migranten. Dem deutschen Blutsrecht und den tief verankerten völkischen Ansichten in der Bevölkerung sei Dank: Deutscher wird man nicht, Deutscher ist man.

Einfach mal die Klappe halten, “schweigende” Mehrheit!
Wie wirkungsmächtig diese leider überhaupt nicht schweigende Mehrheit ist, wurde in Deutschland in den vergangenen Jahren mehrmals deutlich, als die Menschen in diesem Land immer wieder in “wir” und “die” eingeteilt wurden, beispielsweise in der sogenannten Integrationsdebatte, die in Wirklichkeit eine Ausgrenzungsdebatte war; Millionen Mal wurde “mal was gesagt”, weil “man das ja wohl mal sagen dürfte”. Die Rassismus-Experten bei NPD und Konsorten waren begeistert.

Eine Rebellion des verrohenden Bürgertums gegen die, die unter ihnen stehen und keine Lobby haben, Feigheit und dumpfe Vorurteile wurden als Mut und kritisches Denken verkauft. Und selbst im direkten Umfeld der Trauerfeier, mit dem der Opfer der deutschen Rassisten gedacht wurde, konnten die mal-Sager nicht einmal die Klappe halten. Aktuell Meinung

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  1. Jan sagt:

    Hat zufällig jemand einen Link zum Interview, bzw. eine Info in welchem Rahmen ARD das gesendet hat?

  2. Sinan A. sagt:

    Buschkowsky ist ein Rechtsradikaler durch und durch. Der hat in einer Partei der Mitte Karriere gemacht, aber wenn er nach sozialdemokratischen Werten gefragt wird, formuliert er so schwammig, dass sogar Fuchs und Hase unterschreiben würden. Der Mann kennt nur eine Richtung. Die Nazi-Mörder nannte er übrigens in seiner Kolumne jovial „eine Gruppe von politischen Irrlichtern“.

  3. krause sagt:

    Volle Zustimmung! Das geht gar nicht.

  4. Bierdurst sagt:

    Noch ein paar Staatsakte, dann halten auch alle die Klappe.

  5. Zensus sagt:

    Ich empfehle zu diesem Thema eine Volksabstimmung – dann wüsste jeder, woran er ist!

  6. Mathis sagt:

    Vielleicht sollte man die Leute aus Neukölln fragen, wie sie zu Buschkowsky stehen.Es könnte sein, dass erstaunliches zu hören wäre.
    Der Bürgermeister von Neukölln, beklagt die Zustände seines Viertels nicht nur, er ist auch im Viertel unterwegs und engagiert sich vor Ort, versucht mit Familien in Kontakt zu treten, unterstützt Initiativen,die aus der Migrantenszene selbst kommen.Ihn als „Rechtsradikalen“ zu identifizieren, käme dort wohl niemandem in den Sinn.Ein Technokrat, der von seinem Schreibtisch aus die Miseren stumpf verwaltet, ist Buschkowsky nicht.Sobald er die Klappe halten wird, wissen wir, dass er nicht mehr im Amt ist.Den Leuten von Neukölln ist das nicht zu wünschen.

  7. cemil sagt:

    vielleicht braucht neukölln einen bürgermeister, mit dem sich dessen bürger identifizieren können, jemanden, dem sie vertrauen, von dem sie wissen, dass er ihre sorgen, ängste und wünsche versteht. buschkowsky macht nicht gerade den eindruck als wäre er ein vertreter der bürger von neukölln.

  8. hannibal sagt:

    @ cemil

    Vertrauen ? Haben die Bürger in Neukölln in Buschkowsky (zumindest die mit deutscher Staatsangehörigkeit, denn DIE können ihn wählen), sonst hätten sie ihn nicht mit großer Mehrheit wiederholt gewählt.

  9. Achherje sagt:

    Buschkowsky ist mir sehr suspekt. Wie er wirkt, wie er sich profiliert, wie er einmal den guten Menschen mimt, und dann seine Gegensätzlichkeit. Ich frage mich immer wieder, wenn ich mal wieder was lese … wer ist der denn überhaupt? Man wird nicht schlau aus ihm?

    Da steht er mit seiner goldenen Herrscherkette („aus dem königlichen Mittelalter“ – soll uns wohl Traditionen vermitteln) im Rathaus und macht neue Deutsche Bürger – voll Enthusiasmus und positiver Stimmungslage, dann bringt er zur unpassendsten Zeit überhaupt solch eine Rede, wie man sie nun als unangemessen ansieht, obwohl er wissen müsste, was danach kommt?

    Er redet von Problemen hinsichtlich Integration und wieso das alles so läuft, weshalb all die Missstände hier sind (schlaue Reden), bringt aber für mich augenscheinlich in seinem Neukölln mal gar nix voran? Im Gegenteil?

    Sorry … ich stufe diesen Menschen unter Schwätzer ein. Meine persönliche Meinung. Einer, der sich eben profilieren möchte – wie eben die meisten Politiker (die meinen besonders wichtig zu sein). Aber nicht als Menschen, der ernsthaft versucht Brücken zu bauen (um eine logische Veränderung bemüht ist) und etwas zum Positiven hin verändern möchte. Das war eine Unterstellung?

    Vielleicht liege ich ja auch total falsch und danben … .

    Nun ja, besser als ein RAF-Ströbele is er allemal …. ;-)

    Achherjee …

  10. Achherje sagt:

    Fakten zählen, Herr Buschkowsky ….

    keine schlauen Reden ….

    ?