Ali Konkret

Joachim Gauck: Der „Noch-Nicht-Mein“-Bundespräsident

Die Erwartungen an einen Bundespräsidenten Joachim Gauck sind nach Christian Wulff groß. Er soll Präsident aller Menschen werden, und nicht nur des pöbelnden „Deutschland schafft sich ab“-Bürgertums. Das fordert Ali Baş in seiner neuesten MiGAZIN Kolumne.

Von Dienstag, 21.02.2012, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 17.04.2016, 23:03 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Das Polit-Drama um den Affären-Präsidenten Christian Wulff hat sein absehbares Ende gefunden. Seit dem Rücktritt Wulffs musste also Kanzlerin Merkel dringend handeln, um in der Bundesversammlung mangels klarer Mehrheitsverhältnisse nicht abzusaufen, also musste ein „überparteilicher Kandidat“ her.

Dieser „überparteiliche Kandidat“ ist der alte Kandidat von Rot-Grün, Joachim Gauck. Der Bürgerrechtler und Pfarrer aus Rostock hatte sich besonders nach der Wende mit der Aufarbeitung der Stasi-Verbrechen des untergegangen DDR-Regimes einen Namen gemacht. Seine eher konservativ-liberale Aura schien eher für eine CDU/FDP-Kandidatur gemacht zu sein, umso überraschender war schon damals die Nominierung durch SPD und Grüne.

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Nun soll es Gauck zum zweiten Mal machen, diesmal mit Aussichten auf Erfolg, denn die nach Profil dürstende FDP hat die öffentliche Meinung über Gauck zum Anlass genommen, ihn auch als ihren Kandidaten zu pushen, zum Leidwesen von Angela Merkel, der eher andere KandidatInnen in den Sinn kamen. Das dürfte eventuell über die 5%-Marke in den Umfragen helfen.

Fernab von parteipolitischen Interessen gehöre ich nicht zu den jubelnden Massen, die den zweiten Anlauf Gaucks als „Geschenk des Himmels“ betrachten, denn der alte und neue Bundespräsidentschaftskandidat gab zwischen der ersten und anstehenden Wahl bemerkenswerte Statements von sich, die ich von einem künftigen Bundespräsidenten so nicht erwarte. So lobte der Bürgerrechtler Joachim Gauck den Bürgerschreck Thilo Sarrazin für seinen „Mut“.

Ist Joachim Gauck Ihr Bundespräsident?
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    Mit Sätzen wie „Die politische Klasse könne aus dem Erfolg von Sarrazins Buch lernen, dass „ihre Sprache der politischen Korrektheit bei den Menschen das Gefühl weckt, dass die wirklichen Probleme verschleiert werden sollen“ hatte Gauck mehr als nur Irritationen nicht nur bei MigrantInnen ausgelöst. Ähnliche Verstörungen lösten auch seine Aussagen zur Kritik am Finanzsystem durch die Occupy-Bewegung aus, die er als „unsäglich albern“ abtat.

    Die nächste Weihnachtsansprache lässt schon mal erahnen, in welche Richtung der Ton des künftigen Staatsoberhauptes gehen könnte. Dass PolitikerInnen sowohl von Rot-Grün, als auch von Schwarz-Gelb nicht müde werden „ihren“ künftigen Präsidenten als „unbequem“ im positiven Sinne zu feiern, verkennt ein wenig die gesellschaftlichen Realitäten in diesem Land, in dem wir es zunehmend mit einer Gefahr von Rechts zu tun haben, die sogar vor Morden nicht zurückschreckt.

    Hier erwarte ich von Herrn Gauck mindestens so viel Rückgrat, wie es sein gescheiterter Vorgänger Wulff gezeigt hat, der aus bekannten Gründen seine Glaubwürdigkeit verspielt hat.

    Ich hoffe, dass Joachim Gauck bewusst ist, dass er der künftige Präsident aller Menschen in Deutschland sein wird, und nicht nur der Präsident des pöbelnden „Deutschland schafft sich ab“-Bürgertums. Die erste Gelegenheit das zu beweisen bietet sich gleich bei seiner Amtsantrittsrede an, in der er sich von Sarrazin und Co gleich distanzieren kann. Solange da keine klare Botschaft an die Millionen Menschen mit Migrationshintergrund kommt, ist Herr Gauck für mich lediglich der „Noch-Nicht-Mein“-Bundespräsident.

    Ich rufe die Migrantenorganisationen auch auf, nicht länger Christian Wulff hinterherzuweinen, sondern klar Stellung zu beziehen und vom künftigen Bundespräsidenten Gauck ein klares Bekenntnis zur „Bunten Republik Deutschland“ einzufordern. Aktuell Meinung

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    1. Ali Bas sagt:

      @Herr Pepe sorry, Sie kennen mich kein Stück und wollen wissen wie ich denke.
      Mit solchen Behauptungen wäre ich an Ihrer Stelle mal vorsichtig. Wenn Sie den Kommentar
      richtig gelesen hätten, dann forder ich keinen „eigenen“ Präsidenten. Siehe auch Überschrift.
      Zur Sache: Herr Gauck muss sich echt beweisen und einiges klären.

    2. AHA sagt:

      @Ali Bas

      Herr Gauck muss vor allem ehrlich sein. Ob seine Ehrlichkeit jedem passt sei dahingestellt. Er muss sich niemandem ausser sich selbst beweisen da es eh unmöglich sein wird es allen recht zu machen.