EU-Studie

In anderen EU-Ländern erzielen Türken höhere Schulabschlüsse

Andere europäische Länder ermöglichen Zuwanderern bessere Bildungserfolge. Dafür ist in Deutschland die Identifikation mit dem Kiez höher als bei „Einheimischen“. Das sind Ergebnisse einer europäischen Vergleichsstudie zur Integration von Zuwanderern der zweiten Generation.

Dienstag, 31.01.2012, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:45 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Die zweite Generation der sogenannten damaligen „Gastarbeiter“ erzielen in anderen europäischen Ländern wesentlich bessere Bildungsabschlüsse als in Deutschland. Hauptursache ist: Deutschland gelang es nicht, den Bildungserfolg vom elterlichen Bildungsniveau und der elterlichen Unterstützung abzukoppeln.

In Deutschland hatten Befragte aus türkischen Familien mit niedrigem elterlichen Bildungsniveau und wenig Unterstützung praktisch keine Chance, einen Hochschulabschluss zu erreichen, während dies für bis zu 40 Prozent der Befragten in anderen Ländern gilt. Auffällig ist, dass die zweite „jugoslawische“ Generation sich überraschend stark an die „Einheimischen“ annähert, während die befragten Türkeistämmigen wie erwartet deutlich schlechtere Bildungsabschlüsse erreicht haben. Im Vergleich mit den Eltern ist allerdings der Bildungsaufstieg in dieser Gruppe besonders groß.

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Download: Die TIES-Studie wurde von der Universität Amsterdam international koordiniert. Das Projekt begann im Jahre 2005. Insgesamt wurden fast 10.000 Teilnehmer in 15 Städten aus acht europäischen Ländern befragt.

Jens Schneider, Wissenschaftler und Mitinitiator der TIES-Studie erklärt hierzu: „Die internationalen Vergleiche zeigen, dass es in einigen Ländern durchaus gelingt, den jungen Erwachsenen der zweiten Migrantengeneration unabhängig von Ausbildung und Herkunftsland der Eltern bessere Bildungsabschlüsse zu ermöglichen – durch Faktoren wie längeres gemeinsames Lernen oder durch eine zweite oder dritte Chance“.

Seine Kollegin Maren Wilmes, Wissenschaftlerin vom IMIS-Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien der Uni Osnabrück, zieht hierzu das Fazit: „Die Schlüsselfrage ist: Wie kann Benachteiligung in Bildung und Ausbildung abgebaut werden? Denn bei den hier aufgewachsenen Jugendlichen geht es eigentlich gar nicht um Integration, sondern vielmehr um den Abbau von Benachteiligung und die Ermöglichung von fairen Bildungs- und Teilhabe-Chancen.“

Wer ist einheimisch?
Die TIES-Studie provoziert mit der Forschungsfrage: „Wer ist eigentlich einheimisch?“ Die Befragten aus der Nachfolgegeneration der früheren „Gastarbeiter“ fühlen sich beispielsweise zu 70 Prozent mit ihrem Stadtteil verbunden, so die Daten der TIES-Studie für Frankfurt/Main und Berlin. Das Maß an Identifikation mit Deutschland und der jeweiligen Stadt ist ebenfalls überraschend hoch. Offensichtlich besteht für die untersuchte Gruppe der jungen Erwachsenen, deren Eltern aus der Türkei oder dem ehemaligen Jugoslawien stammen, kein Widerspruch zwischen ihrer Identifikation mit dem Herkunftsland ihrer Eltern einerseits und ihrer deutschen oder lokalen Identität andererseits.

Allerdings können Erfahrungen mit Diskriminierung im Alltag zur reaktiven Abkehr vom Geburtsland führen. „Die TIES-Studie zeigt, dass die hier geborenen Jugendlichen aus Zuwandererfamilien sich mit ihrer Stadt identifizieren. Es ist wichtig, dass sie auch von der Gesellschaft akzeptiert werden“, so Claudia Walther, Bertelsmann Stiftung. (hs) Gesellschaft Leitartikel Studien

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  1. Per Lennart Aae sagt:

    Provovokative Frage:
    Könnte es sein, daß die Türken in Deutschland sich z.B. bildungsmäßig so verhältnismäßig SCHLECHT integrieren, gerade WEIL sie sich als ethnische Gruppe im Stadtteil, in der Region etc. so GUT integrierten?
    Könnte es daran liegen, daß sie eine spezielle türkische Volksgruppe bleiben … oder WERDEN (weil sie sich auch von den Türken in der Türkei unterscheiden) und sich als solche zwar mit der neuen Heimat identifizieren, aber kaum mit dem deutschen Volk, seiner Kultur und z.B. seiner Bildungstradition?
    Sollte man vielleicht lieber mit der Situation der Nordafrikaner in Frankreich als mit der der Türken in Frankreich vergleichen?
    Per Lennart Aae

  2. Mathis sagt:

    Nee, einer OECD-Studie zufolge ist Deutschland das Land in Europa, wo der Schulerfolg der Kinder in direktem Zusammenhang mit der familiären Situation steht.Während andere europäische Länder ungünstige Startbedingungen weitgehend ausgleichen können, findet man im deutschen Bildungssystem vergleichbare Erfolge eher selten.Das ist nicht verwunderlich, da die Bildungsinvestitionen ebenfalls weit niedriger ausfallen, als bei den meisten anderen europäischen Staaten.

  3. Achherje sagt:

    Kurz und prägnant?

    Man „sollte untersuchen“, welche Zuwanderer in die jeweiligen Länder kommen, welche Motivation sie mitbringen (vor allem, wie die Erziehung im Elternhaus aussieht – und der Intellekt, die Integration – als Aspekt).

    In Deutschland leben unter den zugewanderten Türken relativ viele Menschen aus Anatolien, wo viele mit Null Bildung (in unserem Sinne gemeint), komischen Wertevorstellungen, ein doch nicht selten uns komisch anmutenden Werteverständnis ihrer angeheimten Kultur (hinsichtlich Ehre und Familienlogik zum Beispiel) mitbringen und nicht selten an ihre Nachkommen weitertragen.

    Der Staat, auch die Bildungseinrichtungen (welche bei uns tatsächlich durch Inkonsequenz auffallen), haben eine begrenzte Eingriffsmöglichkeit. In erster Linie ist die Familie, sind die Eltern für die Erziehung zuständig – nicht die Lehrer. Türkische Eltern haben meines Wissens nach da eine andere Einstellung und überfordern die Pädagogen?

    Ja, hier müsste sich einiges ändern … was wohl so manchem türkischen Elternpart nicht wirklich mal gleich so bekommen könnte / würde?

    Immer objektiv – und sachlich bleiben … ?

  4. Achherje sagt:

    Und jetzt kommen wir zum Kern der Sache:

    Dies beleidigt nun sehr viele Türken wieder, was ich geschrieben habe … . Das Ehrgefühlt scheint bei den Menschen mit türkischem Hintergrund (vielleicht liegt dies auch an den von den Eltern mitgebrachten Traditionen) etwas anders ausgeprägt zu sein, als es hier bei u. a. den Einheimischen als „normal“ betrachtet wird?

    Ich meine: Das Problem mit dem übersteigerten Ehrgefühl (was imemr nur weiter das Gefühl der Erniedrigung) und mangelnde Fähigkeit zur Selbstkritik und dem Verständnis dahingehend, macht es den Türken nicht nur in der Schule schwer.

    Man sollte mal mit Kritik umgehen lernen?

    In Deutschland sind wir zwangsläufig auf dem Weg, die Türken ständig mit unserer KLritik erschlagen zu müssen (schon weil sie nicht nur im Bildungssektor negativ herausstechen, sondern auch innerhalb der Kriminalstatistik)… weil es mit ihnen eben nicht funktioniert? Das Spiel des ständigen Widerstands hat begonnen? Der Abgrenzung?

    Das Spiel des Lebens innerhalb einer multikulturellen Gemeinschaft mit über 170 Nationen?

    Sprengstoff? Es gibt ja nicht nur die eingewanderten Türken … .

    […]

  5. Pepe sagt:

    Keine Migrantengruppe hat sich integriert. Griechenkinder besuchen griechische Kindergärten, jugoslawische Einwanderer pflegen Kontakt vornehmlich zu anderen Slawen, Italiener tun so, als würden sie deutsche Mögen u.s.w.

  6. Yilmaz sagt:

    Dann werde ich dieses Jahr aus Deutschland auswandern, damit meine Kinder bessere Chancen bekommen.

    Wer als Türke jetzt noch in Deutschland bleibt, ist selber Schuld !

  7. Fikret sagt:

    Die Statistiken sprechen eine gute Sprache. Besser als man unterstellt.

  8. Achherje sagt:

    @Pepe

    Sie beschreiben das sehr schön, nämlich, dass keiner genau weiß, was man mit dem Wort Integration eigentlich meint – und vor allem scheint jeder irgendwas anderes darunter verstehen zu wollen?

    @Yilmaz

    Jetzt aber mal nicht Kopf in Sand stecken und so. Vielleicht sind Sie ja der Mensch mit türkischem Mig-Hintergrund (unterstelle ich jetzt mal – Letzteres), der dieser Gesellschaft wieder Hoffnung bringt? Wenn die gehen, welche hier nicht nur ihr eigenes (nationales und religiöses) Ding durchziehen wollen, dann sind wir am Gesäß. Falls sie nicht so sind, solltet Sie hier bleiben und mit uns allen um eine bessere Gesellschaft bemüht sein. Das würde Sie ehren. In meiner Welt.

    MfG
    achherje

  9. Sinan A. sagt:

    Sagenhaft,
    die Studie schafft es tatsächlich, auf über 200 Seiten die verschiedenen Ethnien aus der Türkei komplett zu ignorieren. Die große Asylwanderung aus den 80ern wird verschwiegen. Im Klartext: 18-jährige Nachkommen von Asylbewerbern werden uns hier als Kinder von türkischen Gastarbeitern verkauft.

    Andererseits wird auf jugoslawischer Seite genau darauf geachtet, keine Flüchtlinge in die Statistik aufzunehmen. Alle Gruppen, die im Zuge des Jugoslawienkrieges das Land in Richtung Deutschland verlassen haben, werden nicht gewertet. Es zählen nur Kinder von Einwanderern, die vor 1990 ins Land gekommen sind.

    Die finanziele Unterstützung von Volkswagen und Bertelsmann ist außerdem ein Hinweis auf die inhaltliche Ausrichtung der Studie, nämlich Futter für ein borniertes Bürgertum. Die Besetzung der Wissenschaftler ist kerndeutsch. Die Perspektive der Autorinnen wird an vielen Formulierungen deutlich.

    Das Gesamtpaket kommt wie immer formschön und wissenschaftlich daher, inhaltlich ist es nichts wert.

  10. Diskriminierung sagt:

    Solange in Deutschland im Bereich BILDUNG keine Chancengleichheit herrscht, kann man sich das Thema „INTEGRATION“ schenken.

    Solange in Deutschland sich die nationalistisch rassistische Gruppen (NAZIS) wie Bakterien vermehren können, kann man sich das Thema „INTEGRATION“ schenken.

    Solange in Deutschland DISKRIMINIERUNG an der Tagesordnung ist, und von vielen BIO-DEUTSCHEN als „normal“ angesehen wird, kann man sich das Thema „INTEGRATION“ schenken.

    Solange die meisten „DEUTSCHEN“ sich als angeblich etwas Besseres sehen, obwohl viele von ihnen unter „MINDERWERTIGKEITSKOMPLEXEN“ leiden, kann man sich das Thema „INTEGRATION“ schenken.

    DEUTSCHLAND separiert und selektiert. Wie soll hier INTEGRATION möglich sein?