Honorarerhöhung?

Mogelpackung Integrationskurse

Die BAMF verkündete jüngst eine Honorarerhöhung für Lehrer an Integrationskursen. Eine gute Nachricht? Eine Integrationskursdozentin geht der Sache auf den Grund und stellt fest: Die Erhöhung ist eine Mogelpackung.

Von Eine Integrationskursdozentin Mittwoch, 07.12.2011, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 13.12.2011, 8:35 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Gute Nachrichten vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) aus Nürnberg: Die vom ihr an die Träger gezahlte Vergütung von bislang 2,34 € pro TeilnehmerIn und Unterrichtseinheit wird ab sofort auf 2,54 € angehoben; das – vom BAMF vor Jahren willkürlich festgelegte – „Mindesthonorar“ von 15 € brutto pro Unterrichtstunde wird auf 18 € erhöht. Welch frohe Kunde für Träger und DozentInnen in den Integrationskursen! Halleluja!

Bei näherem Hinsehen stellt sich die großartige Erhöhung als Mogelpackung heraus. Denn bislang gezahlte Pauschalen werden gekürzt oder gestrichen, insbesondere bei den Alphabetisierungs- und Elternkursen. Eine exemplarische Berechnung eines Anbieters diverser BAMF-Kurse weist gerade mal ein Plus von 1,5% aus; je nach Auslastung und Angebot könnten die Träger auch 1,7% Mehreinnahmen erzielen. Bei gleichzeitig gestiegenen Kosten durch zunehmenden bürokratischen Aufwand dürfte die Kalkulation der Schulen eher schlechter denn besser aussehen.

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Das BAMF hegt jedoch „die Erwartung“, dass durch diese Erhöhung die Honorare der DozentInnen um ganze 20% steigen sollen. Doch wie die Dinge liegen, werden im besten Falle diejenigen Lehrkräfte von den Neuerungen profitieren, die bisher unter 18 € verdienten – alle anderen werden wohl leer ausgehen! Und wer bisher nur 15 € hatte: Auch von 18 € pro Unterrichtseinheit kann eine voll ausgelastete Deutschdozentin weder leben noch sterben!

Auf der Strecke bleiben also wieder die Lehrkräfte, die seit Einführung der Integrationskurse im Jahr 2005 entweder starke finanzielle Einbußen hinnehmen mussten oder niemals eine Honorarerhöhung erhielten. 80% der Lehrkräfte sind als FreiberuflerInnen in voller Höhe sozialversicherungspflichtig, Krankheit, Ferien, Ausfalltage, Vor- und Nachbereitung sowie Fortbildungen werden ihnen nicht vergütet, sie sind nicht gegen Arbeitslosigkeit versichert. Viele müssen mittlerweile durch Hartz-IV aufstocken.

Seit Einführung der Integrationskurse protestieren die Aktion Butterbrot und das DaZ-Netzwerk gemeinsam gegen die prekären Arbeitsbedingungen im Auftrag des Staates. Im Februar legten auf Betreiben des Netzwerks alle 16 Integrationsminister der Bundesregierung einen Beschluss vor, in dem der Besorgnis über die schlechten Honorare Ausdruck verliehen und der Bund aufgefordert wurde, dringend Abhilfe zu schaffen. Diverse Bundespolitiker versprachen, sich für die Belange der DozentInnen einzusetzen.

Ohne Erfolg: Der zuständige Innenausschuss lehnte eine Erhöhung des Budgets für die Integrationskurse ohne jegliche Diskussion ab: keinen Cent mehr für Integrationskurse! Der Schwarze Peter der Unterfinanzierung wird, wie gehabt, bloß durchgereicht, vom Innenausschuss ans BAMF, vom BAMF an die Träger, von den Trägern an die Lehrkräfte. Warum sollte das Innenministerium oder das BAMF Verantwortung für die skandalösen Honorare übernehmen? Steht es den Trägern doch frei, ihren Dozenten aus 2,54 € pro Teilnehmer auch Spitzenhonorare zu zahlen!

Der nichts ahnenden Gesellschaft allerdings wird weiterhin die „Erfolgsgeschichte Integrationskurse“ vorgespielt, von deren chronischer Unterfinanzierung fällt nicht ein Wort.

Die Lehrkräfte bekommen derweil viele warme Worte zu hören; mittlerweile können (oder müssen) sie damit ihre Wohnungen beheizen. Mit dem Schwarzen Peter und Hartz-IV unter einem Dach, in enger Nachbarschaft zur Altersarmut: Das ist die interkulturelle Bedarfsgemeinschaft, in die sich Deutschlands Integrationskurs-LehrerInnen abgeschoben fühlen. Ist es da zu viel verlangt, dass sie weiterhin den Unterricht lebendig und den neusten Erkenntnissen entsprechend gestalten, alle Anwesenheits-, Unterschriften- und sonstige Listen ordnungsgemäß führen, jeden einzelnen Schüler individuell fördern und fordern, kurz, mit Hingabe ihre Aufgabe erfüllen, die MigrantInnen so schnell wie möglich für den deutschen Arbeitsmarkt fit zu machen?

Weit gefehlt: Erst die schlechte Bezahlung macht sie zu den solidarischen, überzeugenden, durch harte Lebenserfahrung gereiften Lehrern und Lehrerinnen, die unser Land für das Fortschreiben der Erfolgsgeschichte der Integrationskurse braucht. Dank dafür den politisch Verantwortlichen! Aktuell Meinung

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  1. Mathis sagt:

    Wie wäre es mit einer Kostenbeteiligung der Absolventen, um deren Nach-Qualifizierung es geht?
    Bedürftige Absolventen könnten weiterhin kostenfrei Kurse belegen.
    I

  2. Karin sagt:

    Vielen Dank für diesen Artikel! Zeigt er doch wieder mal wie ernst diese Regierung es mit der Integration meint und denen die sie „stemmen“. Keinen Cent mehr = Keine Stimme (mehr) für diese PolitikerInnen!!!!

  3. Tai Fei sagt:

    Mathis sagt:
    7. Dezember 2011 um 18:56
    „Wie wäre es mit einer Kostenbeteiligung der Absolventen, um deren Nach-Qualifizierung es geht?“
    Die Kurse SIND kostenpflichtig!

  4. Gregor Samsa sagt:

    …genau, mit dem Kreuz auf dem Wahlschein genehmigt die Wählerin/der Wähler Sanktionen, die nach der Wahl gegen sie/ihn gerichtet werden, ist doch logisch, oder? Was hat das noch mit Demokratie zu tun??
    Wie wäre es übrigens, wenn man aufgrund der Tatsache, dass eine spürbare Honorarerhöhung auf den St. Nimmerleins-Tag verschoben wird, den Unterricht sowie die damit zusammenhängende Tätigkeit dem Honorar anpasst? Da lediglich 15 € oder 18 € gezahlt werden, sollte auch ein entsprechender low-level-Unterricht erfolgen, denn schließlich bekommt man das, was man bezahlt. Auch eine Art von Widerstand, wie ich meine.

  5. Udo sagt:

    @Gregor Samsa
    ein low-level Unterricht existiert doch schon.
    Es liegt nicht nur an den Kursteilnehmern und der schlechten Organisation, dass die meisten Teilnehmer die Anforderungen (B1 Niveau nach Abschluß des Kurses) nicht erreichen.
    Über die Fähigkeiten und Motivation (verständlich!) mancher Lehrer müsste man auch mal nachdenken!

  6. Mathis sagt:

    @Tai Fei
    Sie haben Recht; ich glaubte, alle „verpflichteten“ Teilnehmer hätten keinerlei Kosten zu tragen.
    Tatsächlich wird pro Unterrichtsstunde etwa 1 Euro fällig. Nur wer Leistungen zum Lebensunterhalt bezieht, lernt kostenfrei.

  7. Tai Fei sagt:

    Mathis sagt:
    9. Dezember 2011 um 22:10
    „@Tai Fei
    Sie haben Recht; ich glaubte, alle “verpflichteten” Teilnehmer hätten keinerlei Kosten zu tragen.
    Tatsächlich wird pro Unterrichtsstunde etwa 1 Euro fällig. Nur wer Leistungen zum Lebensunterhalt bezieht, lernt kostenfrei“

    Du hast da was weggelassen.
    „Für jede Unterrichtsstunde zahlen Zuwanderer mit entsprechendem Berechtigungsschein 1,- €, d.h. je Sprachkursmodul 100,- € und 45,- € für den Orientierungskurs. Eine Kostenbefreiung ist unter bestimmten Voraussetzungen auf Antrag möglich“

  8. NochEine sagt:

    Gut, dass es jemand so auf den Punkt bringt. Ich kann mich dem mit meiner Erfahrung in Berlin nur anschließen. Schlecht bezahlte Lehrkräfte leben vor, dass die Beherrschung der Sprach- und Kulturvermittlung trotz teurer akademischer Bildung und großer Motivation nur etwas für „Gutmenschen“ und „Post-Materialisten“ ist. Wie überzeugend sind Sie als Lehrerin, wenn Sie mit Ihrer Arbeit weniger Geld verdienen und Sicherheit haben als ein radebrechender Arbeiter im Angestelltenverhältnis? Dadurch wird die Botschaft: „Sprache und Bildung sind der Schlüssel zum Erfolg“ ad absurdum geführt. Umsichtiges Vorgehen und pragmatisches Handeln bei der Gestaltung der Rahmenbedingungen für das Gelingen der Integration sollte anders aussehen. Auch hier gilt: Arbeit muss sich lohnen.

  9. renate sagt:

    ich bekomme jetzt schon seit jahren mails von vielen akteuren/innen, die
    sich sehr dafür einsetzen, etwas an unserem status zu verändern.
    als ich v or ca. 15 jahren mit dieser arbeit anfing und mich nach einiger
    zeit darüber beschwerte, wie unterbezahlt wir sind, dass wir alles elleine
    tragen müssen (krankenkasse etc.) haben mich die meisten nur ange-
    sehen und gemeint, du bist aber undankbar, sei doch froh, dass du
    arbeit hast. ich fand heraus, dass unsere arbeit „illegal“ ist und beim
    arbeitsamt ich als „scheinselbstständig“ (hab aber keinen schein!) gelte,
    da ich bin ich vor wut fast geplatzt.
    jetzt kümmern sich jüngere um unseren status und kämpfen dagegen,
    doch schon vor fast 10 jahren habe ich gesagt, dass ich wohl nicht
    mehr in den genuss reiner festanstellung oder anderer regularien
    komme und das glaube ich – leider – immer noch, dass sich nichts
    verändern wird, weil kein öffentl. interesse dahintersteckt – die interessen
    liegen bei den politikern doch irgendwo anders, das wisst ihr doch alle.
    fazit: wer noch jung genug ist, der suche sich etwas anderes, studiere
    weiter oder geht in die staatl. schulen.
    wir waren und wir bleiben lehrer 3. klasse.
    meine zeit ist bald abgelaufen und gehe dann in die armutsrente.
    schönen dank liebe leute!!!!!!
    wünsche euch allen eine gesegnete weihnacht und denkt nicht so viel
    über geld nach – es ist für alle genug da.

  10. Roswitha Haala sagt:

    Das „alte“ Problem und die aktuelle Bundestagswahl 2013:

    Sehr geehrte Bundeskanzlerin Merkel,

    in Ihrem TV-Wahlwerbespot zur Bundestagswahl 2013 betonen Sie:“Leistung muss sich wieder lohnen!“

    Dies steht – wie Sie wissen – seit Januar 2005 im grassen Widerspruch zur Praxis der Bundesregierungen bzgl. der Lehrkräfte in IntV-Integrationskursen.
    Aufgrund der unbezahlten Vor- und Nachbereitungszeit des Unterrichts – Ramboll Dez. 2009 mind. 50 %, in früheren BA-Kursen wurde bis 2004 der Schlüssel 1: 1 festgelegt – sind gerade leistungsstarke, emphatisch engagierte Lehrkräfte, die ihren Unterricht gruppen- und einzelspezifisch gemäß „Fördern und fordern“ unbezahlt vorbereiten, die wirtschaftlich absolut Dummen, wie folgende Berechnung des aktuellen BAMF-Mindesthonorars der Bielefelder Kolleg_innen belegt:

    „Berechnung eines Netto-Stundenhonorars

    Basis:
    20 Honorar/brutto pro Unterrichtsstunde (45 min.)
    20,00 Euro
    –      3,78 Euro  Rentenversicherung
    –      3,10 Euro  Krankenversicherung
    –      0,44 Euro  Pflegeversicherung
    –      0,80 Euro  freiwillige Arbeitslosenversicherung
    ——————————————————————-
    11,88 Euro
    –     1,66 Euro  14 % Steuern
    ————————————-
    10,22 Euro
    –     1,14 Euro   nicht bezahlte Krankheitstage (13,2)
    –     2,41 Euro   nicht bezahlte Urlaubstage (28)
    ——————————————————————-
    6,67 Euro   Honorar/netto pro Unterrichtsstunde
    -3,32 Euro    mind. 50 % unbezahlte Vorbereitungs- und Nachbereitungszeit (Ramboll Dez. 2009)
    ______________________________________________
     3,35 Euro  netto bleiben pro Unterrichtsstunde (45 min)“

    Demnach werden gerade Lehrkräfte, die ihren Beruf ernst nehmen, die für Kursteilnehmer_innen mit Problemen eine mitfühlende Einstellung haben, ihnen die Schwellenangst vor Migrationsdiensten überwinden helfen, finanziell abgestraft.

    Zur Erinnerung: In den früheren BA-Deutschkursen für Aussiedler_innen gab es eine sozialpädagogische Betreuung vor Ort, die bei Bedarf mit Migrationsdiensten zusammenarbeitete. Nicht so in den IntV-Integrationskursen. Es bestand keine „Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit“ der Lehrkräfte. Angestelltenverhältnisse mit zusätzlichen Sozialleistungen waren die Regel. Zwar gering bezahlt, aber nicht so sittenwidrig niedrig wie in IntV-Kursen. Von dem Lohn konnte ein_e Single mit bescheidenen Ansprüchen leben ohne Hartz IV aufstocken oder eine hohe RV-Nachforderung befürchten zu müssen.

    Was wollen Sie als erneute Bundeskanzlerin tun, damit sich für die IntV-Lehrkräfte die verlangte berufliche Qualifikation und „Leistung endlich lohnt“?

    Für die Beantwortung meiner Frage, danke ich Ihnen im Voraus und verbleibe

    mit freundlichen Grüßen

    Roswitha Haala