Etatkürzung bei Antidiskriminierung

Bundesregierung predigt Integration und kürzt Gleichbehandlung

Erneut hat die schwarz-gelbe Regierungskoalition Gelder der Antidiskriminierungsstelle des Bundes gekürzt. Damit wird ein Bericht zum Thema „Diskriminierungen im Bildungssektor“ gekippt und der Aufbau von Beratungsnetzwerken gegen Diskriminierung blockiert.

Dienstag, 29.11.2011, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 05.12.2011, 8:22 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Wenn es darum geht, Integration einzufordern, kann der Bundesregierung kaum das Wasser gereicht werden. Bildung und Arbeit stehen dabei hoch im Kurs. Geht es allerdings darum, die dafür erforderlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, fällt das Urteil mehr als ernüchternd aus. Das wurde bei den jüngsten Haushaltsberatungen noch einmal deutlich. Vergangenen Donnerstag (24.11.2011) beschloss die schwarz-gelbe Regierungskoalition, die Mittel für die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) zu kürzen.

Für die ADS haben die Mittelkürzungen spürbare Konsequenzen. Insbesondere die in diesem Jahr gestartete „Offensive diskriminierungsfreie Gesellschaft“, die bundesweit zum Aufbau von Beratungsnetzwerken gegen Diskriminierung beitragen und im Jahr 2012 deutlich ausgebaut werden sollte, ist „akut gefährdet“, sagte die Leiterin der ADS, Christine Lüders, bereits im Vorfeld der Haushaltsberatungen in Berlin. Ursprünglich war geplant, insgesamt zehn Beratungsnetzwerke für ihre Arbeit ab Ende 2011 über einen Zeitraum von 24 Monaten mit 1 000 000 Euro zu unterstützen. „Das wird nicht mehr möglich sein“, erklärte Lüders.

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Kürzung betreffen Diskriminierungsopfer
Deutlich einschränken muss sich die ADS auch bei der Öffentlichkeitsarbeit, die nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ein zentraler Auftrag der Arbeit der Stelle ist. „Mit 150 000 Euro Jahresbudget und fehlenden Flexibilisierungsmöglichkeiten bei unseren Haushaltstiteln sind wir zukünftig nicht mehr in der Lage, bundesweite Aufklärungskampagnen über die Rechte von Diskriminierungsopfern umzusetzen“, sagte Lüders. Auch auf Konferenzen, Tagungen und Veranstaltungen zum Antidiskriminierungsschutz müsse die ADS im Jahr 2012 verzichten.

Info: Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes ist mit Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) im August 2006 gegründet worden. Ziel des Gesetzes ist es, Diskriminierung aus rassistischen Gründen oder wegen ethnischer Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

Dabei belegen Studien, dass auf dem Arbeitsmarkt oder auf dem Wohnungsmarkt Bewerber mit ausländisch klingendem Namen massiv benachteiligt werden und Opfer aus Mangel an Beratung und Unterstützung oftmals schutzlos dastehen. Wie wichtig ein breit angelegtes Beratungsnetzwerk ist, zeigen auch Studien, aus denen hervorgeht, dass Ressentiments und Ausgrenzung von bestimmten gesellschaftlichen Gruppen, bis in die Mitte der Gesellschaft Einzug erhalten haben.

Bericht über Diskriminierungen im Bildungssektor fällt weg
Die Mittelkürzungen haben darüber hinaus Folgen für den für 2013 vorgesehenen Bericht an den Bundestag. Geplant ist ein Bericht zum Thema „Diskriminierungen im Bildungssektor“. „Die dafür notwendigen Forschungsexpertisen können nicht in vollem Umfang in Auftrag gegeben werden. Das Forschungsbudget reicht dafür nicht aus, da bereits für das nächste Jahr Forschungsgelder für Projekte gebunden sind und keine Flexibilisierung mehr möglich ist“, sagte Lüders. Möglich seien unter diesen Bedingungen lediglich zwei nicht kostenintensive Expertisen. Damit könne man aber das komplexe Thema nicht seriös bearbeiten.

Auch hier ist aufgrund bisher vorliegenden Erhebungen kein Geheimnis, dass insbesondere Migrantenkinder im Bildungssektor benachteiligt werden. Eine abschließende und umfassende Studie zum Problem wird damit auch künftig ausbleiben.

Für den Bundestagsabgeordneten Rolf Schwanitz (SPD) kommen die Mittelkürzungen nicht überraschend. „Die Koalition unterläuft mit ihren Kürzungen gezielt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Das ist ein Rechtsbruch durch die Hintertür. Die Kürzungen sind auch deshalb ein Skandal, weil in voller Kenntnis der ausländerfeindlich motivierten Mordserie einer Neonazi-Bande ein Gesetz ausgehebelt wird, welches das erklärte Ziel hat, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft zu verhindern oder zu beseitigen.“ (bk)
Leitartikel Politik

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  1. Fikret sagt:

    Was Sie darunter versteht , ist unklar. Neo-nazis wollen nicht zusammenleben, sie töten….wie gesagt, alle reden von Integration, keine/r weiss Bescheid.

  2. Pingback: Rassismus-Terror – Der Nährboden für rassistische Morde ist direkt unter unseren Füßen | MiGAZIN – Migration und Integration in Deutschland | MiGAZIN