Die Zukunft des arabischen Frühlings

Zwischen Scharia und moderner Demokratie

Die Einführung der Scharia in Libyen und Tunesien sorgt vielerorts für Beunruhigung. Widerspricht das islamische Rechtssystem der Scharia den Grundgedanken der Demokratie, für die zahlreiche Aktivisten der Revolution so heldenhaft demonstriert haben?

Von Freitag, 04.11.2011, 8:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 09.11.2011, 1:53 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Der Arabische Frühling ist Sinnbild für Freiheit und Gerechtigkeit. Der Reiz einer lang ersehnten Demokratie. Fortschritt und liberale Grundprinzipien – für die Revolutionäre der ersten Stunde war der Sturz der autoritären Regime eine Bestätigung an das demokratische Bewusstsein ihres Volkes.

Bei den ersten freien Parlamentswahlen in Tunesien gewinnt die islamische Ennahdha-Partei. Ein überragender Erfolg für die Religiösen, die nun beweisen müssen, dass Demokratie auf der Grundlage der Scharia möglich ist. Wie soll das gehen? Wie kann mit einem System, dem im aktuellen Diskurs Radikalisierungstendenzen zugeschrieben werden, Rechtssicherheit erreicht werden, ohne die eine Demokratie nicht möglich ist?

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Kritiker befürchten einen Rückfall ins „handabhackende und steinigende Taliban-Zeitalter“. Durch die tragende Rolle der Scharia innerhalb der Ennahda-Partei werde das Land politisch nicht in der Lage sein, sich mit der Demokratie zu versöhnen.

Warum aber sympathisiert eine beachtliche Zahl der Bevölkerung mit der Bewegung um Spitzenpolitiker Rachid al-Ghannouchi? Wieso werden ähnliche Ergebnisse auch in Ägypten erwartet? Sogar Libyen könnte mit einer islamisch geprägten Partei eine politische Ordnung im Sinne der Demokratie schaffen. Die Wähler sind größtenteils praktizierende Muslime, die ihren Glauben in einem islamisch geprägten Land friedlich und ungezwungen leben möchten. Auch mit der Verfasstheit der Scharia identifizieren sie sich, deshalb darf die Politik damit werben und Stimmen gewinnen. Oberste Priorität hat die soziale Frage – das Land braucht gute Arbeitsplätze, Mindestlöhne und eine Steuerreform. Das Land braucht aber auch weiterhin seine religiöse Identität und seinen islamischen Rechtsstaat.

Politik und Religion gehen somit Hand in Hand. Die Religion wird nicht mehr diktiert, sondern zusammengelebt. Politik wird wieder transparent und frei von Tyrannei. Ein demokratisches Zusammenspiel. Bleibt abzuwarten und zu beobachten, ob die von Ghannouchi erklärten Ziele seiner Partei eingehalten werden.

Tunesien war im Januar das erste Volk in der Region, welches erfolgreich gegen die autoritäre Herrschaft seiner Führung rebelliert hat. Jetzt wird dieser Schritt als wegweisend für die politischen Ergebnisse in der ganzen arabischen Welt gewertet. Die Vereinbarkeit von Islam und Demokratie ist eine Tatsache, die von Tunesien bestätigt wurde und mit seinen Nachbarregionen künftig gepflegt werden muss. Aktuell Ausland

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  1. Tobi sagt:

    Islam und Demokratie passen so gut zusammen wie Feuer und Wasser und jeder der sich mit beidem auch nur ein bißchen auskennt, weiß das. Das hier das Unrechtssystem Scharia beschönigend hoffiert wird, ist verstörend und beunruhigend. Leider überrascht es mich nicht so eine Ansicht auf dieser Internetseite zu finden.
    50% der tunesischen Moslems in Deutschland haben die Islamisten gewählt, also noch mehr als in Tunesien selbst, das sollte uns zu denken geben, denn es leben bekanntlich mehr als nur 80 000 tunesische Moslems in Deutschland.

  2. Fikret sagt:

    Demokratie passt zu keiner Religion. Die Religion ist eine private Sache. Da hat der Staat nichts zu suchen.

  3. Pragmatikerin sagt:

    @ Fikret

    mit Ihrer obigen Aussage gebe ich Ihnen vollkommen Recht :-)

    Pragmatikerin

  4. Mathis sagt:

    „Die Vereinbarkeit von Islam und Demokratie ist eine Tatsache , die von Tunesien bestätigt wurde….“

    Ich denke, diese „Tatsache“ ist bislang noch nicht erhärtet, jedoch lässt der friedliche Verlauf der Wahl schon mal auf einiges hoffen.
    Wie die Verfassung des Landes am Ende aussehen wird, entscheidet sich ja erst, auch wie die Rechte aller Gesellschaftsgruppen darin berücksichtigt werden.

    Wir sollten nicht erwarten,dass das, was die Tunesier als ihre Demokratie betrachten, dem entspricht, was wir als solche betrachten würden.Aber darum ging es ja den Menschen nicht, sondern eben um das Eigene. Und das ist ein beachtlicher Schritt in Richtung „Emanzipation“ von aufgezwungenen Konzepten.

  5. Snillisme sagt:

    „Die Vereinbarkeit von Islam und Demokratie ist eine Tatsache, die von Tunesien bestätigt wurde…“

    No comment

  6. Kehrhelm Kröger sagt:

    Natürlich kann Demokratie mit dem Islam vereinbar sein, und zwar dann wenn die Mehrheit das so will. Wenn auf einer Insel 90% Kannibalen leben und dort frei gewählt wird, ist Kannibalismus mit der Demokratie vereinbar. Es wundert auch nicht, Zeuge dieser politischen Entwicklung in Nordafrika zu werden. Demokratie ist nur der Modus, in dem Politik gemacht wird. Über die ideologischen und moralischen Grundlagen der Politik ist damit überhaupt nichts gesagt.