Interview mit Martin Neumeyer

„Integration ist das Mega-Thema der Zukunft“

Die CSU spricht Menschen aus anderen Ländern nicht in ausreichendem Maße an. Dabei ist Integration das "Mega-Thema der Zukunft", so die Einschätzung von Martin Neumeyer (CSU), Integrationsbeauftragter der Bayerischen Staatsregierung, im Gespräch mit dem MiGAZIN.

Von Andreas Wojcik Mittwoch, 26.10.2011, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 04.11.2011, 3:39 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Andreas Wojcik: Warum engagieren Sie sich für Integration in Deutschland?

Martin Neumeyer: Integration ist das „Mega-Thema“ der Zukunft. Durch die demografische Entwicklung wächst der Anteil von Menschen mit Zuwanderungshintergrund stetig – unabhängig davon, ob es noch weitere Zuwanderung gibt. In der Gruppe der unter 5-jährigen haben 34,6 % Migrationshintergrund. Die Gesellschaft wandelt sich also massiv, wird bunter und interkulturell vielfältiger. Und diesen Prozess müssen wir gestalten, damit das Zusammenleben – trotz aller Unterschiede – gelingt und mögliche Konflikte schon im Vorfeld entschärft werden.

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Wojcik: Was sollen andere (Menschen, Organisationen etc.) tun, damit Integration gelingt?

Neumeyer: Jeder kann dazu beitragen, dass Integration gelingt, indem er Menschen mit anderem kulturellen Hintergrund offen und ohne Vorbehalte begegnet und ihre Werte und Traditionen respektiert. Am leichtesten gelingt das, wenn man den anderen als Mensch sieht – und nicht in erster Linie die Nation, aus der er stammt oder die Religion, der er angehört. Was Organisationen betrifft, plädiere ich dafür, den eigenen Mitarbeitern oder Mitgliedern interkulturelle Kompetenzen zu vermitteln und sich interkulturell zu öffnen.

Wojcik: Haben Sie Beispiele, was man innerhalb der Partei tun könnte, um Integration und politische Partizipation von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte voranzutreiben?

Neumeyer: Das Problem liegt wahrscheinlich nicht innerhalb der CSU – in irgendeiner Satzung oder Ähnlichem – sondern darin, wie die Partei die Menschen mit Zuwanderungsgeschichte anspricht. Ihnen müssen Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie sie am politischen Geschehen teilnehmen können, und welche Perspektiven sich daraus ergeben. Immerhin betrifft dies mittlerweile einen Anteil von rund 25 Prozent der Gesamtgesellschaft. Um mehr Migranten in die Parteiarbeit mit einzubinden, muss in Zukunft verstärkt der Kontakt zu Migrantenorganisationen oder entsprechenden Medien hergestellt werden. Ziel der CSU ist es, möglichst viele Mitglieder mit Migrationshintergrund aufzunehmen. Ich halte es für wenig sinnvoll, wenn jede Gruppierung ihre eigene Partei gründet. Die CSU als große Volkspartei muss ein großes Spektrum an Interessenschwerpunkten bieten. Der Beitritt und die Bekenntnis zu einer Partei unseres bestehenden Parteiensystems sind für mich auch ein Beispiel für gelungene Integration nach unseren Vorstellungen.

Wojcik: Wo liegen Ihrer Ansicht nach noch konkret die Hürden in der Partei?

Neumeyer: Innerhalb der CSU gibt es keine Hürden, die einem Mitglied mit Migrationshintergrund irgendetwas verwehren. Es gibt Beispiele, die zeigen, dass Migranten JU-Vorsitzende werden – und dabei ihren Job nicht einmal schlecht machen. Problem innerhalb der Partei ist eventuell, dass Menschen aus anderen Ländern nicht in ausreichendem Maße angesprochen werden. Gerade diese müssen gewonnen werden und es muss ihnen die Scheu davor genommen werden, sich politisch zu engagieren. Diese vielen kleinen, oft irrationalen Gründe, warum Menschen mit Zuwanderungsgeschichte nicht politisch aktiv werden, müssen in den nächsten Jahren analysiert und behoben werden.

Wojcik: Welche Aufgaben sollten Europa, Bund, Länder und Kommunen übernehmen und was sollten sie nicht tun?

Neumeyer: Es geht meiner Ansicht nach nicht darum, wer was macht, sondern dass es durchdacht ist und klappt. Prinzipiell aber gilt „Integration gelingt vor Ort“, das heißt, je mehr in und von den Kommunen geleistet werden kann, desto besser. Dabei dürfen die Kommunen natürlich nicht allein gelassen werden, was die Finanzierung betrifft. Hier sind Bund und Land, je nach fachlicher Zuständigkeit, gleichermaßen gefordert. Die Notwendigkeit einer Koordinierung auf europäischer Ebene sehe ich nicht.

Wojcik: Können Sie sich vorstellen, wie Menschen mit und ohne Zuwanderungsgeschichte in 10 Jahren zusammenleben? Wie sieht die Zukunft der Integration aus?

Neumeyer: Das Zusammenleben zwischen Zuwanderern und Einheimischen hat sich in den letzten 10, ja 20 Jahren massiv gewandelt. Damals galten Menschen ausländischer Herkunft meist noch als Fremde oder Gäste, heute sind sie längst Mitbürger, die kulturell ganz sicher eine Bereicherung darstellen. Diese Entwicklung wird sich fortsetzen. Das Zusammenleben wird entspannter sein. Die interkulturelle Öffnung wird in allen gesellschaftlichen Bereichen zunehmen und die Vermittlung interkultureller Kompetenz ganz selbstverständlicher Bestandteil von Schul- und auch beruflicher Weiterbildung sein. Dank einer wachsenden Willkommenskultur werden sich mehr Zuwanderer künftig auch stärker mit Deutschland identifizieren und als Deutsche fühlen. Das hat auch Einfluss auf ihr Identitätsbewusstsein und ihr Wertegerüst.

Wojcik: Welche Erlebnisse und Erfahrungen haben Sie mit dem Thema „Integration“?

Neumeyer: Meine Erfahrungen mit dem Thema Integration sind fast durchgehend positiv. Ich erlebe einen starken Willen zum erfolgreichen Zusammenleben und auch ein wachsendes gegenseitiges Interesse. Die Bereitschaft zum Dialog ist bei den allermeisten Zuwanderern und Deutschen gegeben. Fremdenfeindlichkeit und Integrationsverweigerung sind absolute Randphänomene, die eine weit größere Aufmerksamkeit finden, als es ihrer Bedeutung entspricht. Dadurch entsteht ein falsches Bild der Realität, das aber seinerseits durchaus Einfluss auf die Einstellungen der Menschen zum Thema Integration hat. Obwohl kaum ein Land der Welt so viele Zuwanderer so gut integriert hat wie Deutschland, fallen den meisten Menschen beim Stichwort „Integration“ eher die noch bestehenden Probleme ein. Das muss sich ändern. Aktuell Interview Politik

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