Anzeige

Europäische Kommission

Sprachtest als Voraussetzung für Visum zur Familienzusammenführung ist rechtswidrig

In einer Stellungnahme stellt die EU-Kommission fest: Sprachtests dürfen Zusammenführung von Familien nicht verhindern. Entsprechende Regelungen sind rechtswidrig. Die Bundesregierung zeigt sich unbeeindruckt. Die Linke fordern Rücknahme der Regelung.

Mittwoch, 03.08.2011, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 09.08.2011, 2:11 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Die Tage der Regelung der Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug scheinen gezählt. In einer Stellungnahme der Europäischen Kommission vom Mai dieses Jahres, die dem MiGAZIN vorliegt, wird klargestellt, dass eine nicht bestandene „Eingliederungsprüfung“ nicht zur Verweigerung der „Einreise und Aufenthalt“ führen darf. Gemeint sind Sprachtests im Ausland, die Ehegatten vor dem Ehegattennachzug bestehen müssen.

Hintergrund der Stellungnahme ist ein Fall aus den Niederlanden. Dort hatte eine afghanische Mutter gegen die Verweigerung der Niederlande geklagt, ein Visum auszustellen. Begründet wurde die Ablehnung mit fehlenden Sprachkenntnissen. Das niederländische Gericht legte den Fall dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor und fragte, ob die Verweigerung der Niederlande, gegen die „Richtlinie über das Recht auf Familienzusammenführung“ vom September 2003 verstößt. Der EuGH wiederum bat die Europäische Kommission um eine Stellungnahme.

___STEADY_PAYWALL___

Sprachtests rechtswidrig
Das Fazit der Brüsseler Juristen ist eindeutig: Kein Mitgliedsstaat der Europäischen Union dürfe einem rechtmäßig dort lebenden Ausländer nur deshalb die Einreise seiner Kinder oder der Ehepartnerin verweigern, weil sie nicht schon im Ausland entsprechende Eingliederungsprüfungen bestanden haben. „Andere Faktoren sind in dieser Angelegenheit nicht relevant“, heißt es im Schreiben der Kommmissionsjuristen. Auch „die theoretische Möglichkeit, das Familienleben eventuell in einem Drittland zu organisieren oder die Rechte des Kindes dort umzusetzen, tut in diesem Falle nichts zur Sache“, heißt es in der Stellungnahme. Dies würde nämlich „zu einer Untergrabung dieser Rechte innerhalb der Union führen“.

Anzeige

In Deutschland gilt die Regelung seit 2007. Danach müssen Ehegatten einen Sprachtests im Herkunftsland ablegen, ehe sie in die Bundesrepublik einreisen dürfen. Diese Regelung gilt nur für zuziehende Ehegatten aus dem Nicht-EU-Ausland; EU-Bürger, US-Bürger, Australier, Schweizer, Japaner oder Koreaner sind davon ausgenommen. Siehe auch: Inländerdiskriminierung

Damit weht auch der deutschen Regelung harter Wind entgegen. Die Entscheidungen des EuGH sind bindend für alle Mitgliedsstaaten – wenn es zu einer Entscheidung kommt. Laut Informationen des Tagesspiegels ist der Fall der Afghanin bereits zu ihren Gunsten entschieden – vom nationalen Gericht. Ihr wurde unter Verweis auf die Stellungnahme der Kommission Recht zugesprochen. Damit fehlt der Präzedenzfall auf EU-Ebene. Nach Bekanntwerden der Stellungnahme der EU-Kommission dürfte es allerdings nur eine Frage der Zeit sein, bis auch deutsche Gerichte dem EuGH ein Verfahren vorlegen.

Bundesregierung uneinsichtig
Bis dahin wird die Bundesregierung unter Berufung auf eine umstrittene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts weiter beteuern, die nationale Regelung sei mit EU-Recht vereinbar. So wie in ihrer Stellungnahme vom 1. August 2011, die dem MiGAZIN ebenfalls vorliegt.

Auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts könne sich die Bundesregierung nun aber nicht mehr berufen, kontert die migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Sevim Dağdelen. Die Stellungnahme der Kommission widerspreche „eindeutig den Behauptungen der Bundesregierung“. Denn das Bundesverwaltungsgericht „hatte seine Auffassung, die Verschärfung des Ehegattennachzugs sei europarechtskonform, unzulässigerweise mit einer vermeintlich gleichlautenden Einschätzung der EU-Kommission begründet – was nunmehr als offenkundig unhaltbar bezeichnet werden muss. “

Zunehmende Erklärungsnot
In der Fachliteratur und von Sachverständigen werden entsprechende Zweifel seit Langem vorgebracht. Die Erklärung der Kommission, Integrationsanforderungen und Sprachtests dürfen dem Ziel einer erfolgreichen Familienzusammenführung nicht entgegenstehen, weder als Ausschlusskriterium oder Einreisebedingung fungieren, noch zur Ablehnung des Familiennachzugs führen, untermauert diese Rechtsauffassung erneut.

Damit „kommt die Bundesregierung in arge Erklärungsnot“, so Dağdelen weiter. Sie fordert die Bundesregierung auf, nicht darauf zu warten, dass der Europäische Gerichtshof die deutsche Regelung für europarechts- und menschenrechtswidrig erklärt. Die Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug müssten schnellstmöglich zurückgenommen werden.

„Für türkische Staatsangehörige sind sie wegen des Verstoßes gegen die so genannten Standstill-Klauseln im EWG-Türkei-Assoziationsrecht ohnehin nicht anwendbar, wie jüngst der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages bestätigt hat“, so die Linkspolitikerin abschließend. (es)
Leitartikel Politik

Zurück zur Startseite
MiGLETTER (mehr Informationen)

Verpasse nichts mehr. Bestelle jetzt den kostenlosen MiGAZIN-Newsletter:

UNTERSTÜTZE MiGAZIN! (mehr Informationen)

Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.

MiGGLIED WERDEN
Auch interessant
MiGDISKUTIEREN (Bitte die Netiquette beachten.)

  1. Tai Fei sagt:

    @Lutheros
    „Oder hab ich da jetzt was falsch verstanden? Worin liegt jetzt genau der Gewinn?“
    Der Gewinn liegt darin, dass dadurch die Rechtsstaatlichkeit/-sicherheit erhalten bleibt. Diese Regelung steht nämlich AUCH zum GG im Widerspruch. Ich gebe hier zudem zu bedenken, dass diese Regelung ja auch nicht für ALLE galt. Die USA und Canada waren hier z.B. ausgenommen. Nun kann man ja argumentieren, dass Englisch von vielen in DE gesprochen wird und daher eine Kommunikation möglich wäre. Allerdings sprechen viele Menschen aus Kenia, Zimbabwe, Pakistan usw. gut englisch. Diese müssen aber den Test ablegen. Japan war übrigens auch ausgenommen. In DE wird man mit japanisch bestimmt nicht weit kommen. Es ging bei der Verabschiedung dieses Gesetzes also gar nicht um Integration. Die entsprechenden Kurse NACH der Einreise sind ja nach wie vor Pflicht. Hier wurden ganz gezielt soziale Schranken aufgebaut. Einen Sprach- und Integrationskurs in DE durchzuführen ist bezahl- und überschaubar. Im Ausland ist das nicht ohne weiteres möglich. Zwar werden entsprechende Kurse in einige Städten angeboten, in Kleinstädten oder gar ländlichen Gebieten aber nicht. Außerdem ist Deutsch weltweit auch nicht gerade das Maß aller Dinge, auch wenn in der EU ja seit neustem wieder Deutsch gesprochen wird. So müssen also nicht nur Kursgebühren sondern auch Transport, Unterbringung und Lebenshaltung zusätzlich aufgebracht werden. Man ist also gezwungen zwei oder gar drei Haushaltsführungen zu finanzieren.

    Noch einmal, niemand spricht sich GEGEN Deutsch- oder auch Integrationskurse aus. Ein rechtsstaatliches Unding ist es jedoch die Visaerteilung von den wirtschaftlichen Möglichkeiten der Person abhängig zu machen. Recht gilt für ALLE, unabhängig ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.

    PS: eine Lektüre des GGs sei Dir ans Herz gelegt.

  2. Pragmatikerin sagt:

    @Tai Fei

    „Außerdem ist Deutsch weltweit auch nicht gerade das Maß aller Dinge, auch wenn in der EU ja seit neustem wieder Deutsch gesprochen wird.“

    Es gab mal eine Zeit in Amerika, wo die Sprache Deutsch oder Englisch als Landessprache zur Debatte stand; Deutsch unterlag nur ganz knapp. ;-)

    Pragmatikerin

  3. Pragmatikerin sagt:

    Nachtrag:

    „Es gibt eine weit verbreitete Legende, Deutsch wäre beinahe zur offiziellen Landessprache in den USA geworden. Diese Geschichte wurde seit 1840 immer wieder von der deutschen Presse aufgegriffen. Die sogenannte „Mühlenberg Legende“ erzählt, dass um 1790 im Parlament des Staates Pennsylvania angeblich darüber abgestimmt wurde, ob Deutsch zur offiziellen Landessprache erklärt werden sollte. Der Sprecher des Parlamentes, ein Deutsch-Amerikaner mit Namen Frederick A. Mühlenberg, soll die entscheidende Stimme für English und gegen Deutsch abgegeben haben. In Wirklichkeit hat eine solche Abstimmung jedoch niemals stattgefunden.“ ;-)

  4. Pragmatikerin sagt:

    @ Georg Pfister

    „Eine Sprache und die dazugehörige Kultur lern man wo am besten?????na Richtig im Ursprungsland.“

    Sie haben ja soooo recht, aber warum kennen dann viele Migranten nicht unsere Sprache und wollen von unserer Kultur in Deutschland nichts wissen?

    Ich kann es Ihnen flüstern: Da wo kein Druck gemacht wird, findet auch nur selten etwas – natürliches – statt. Viele wollen einfach nur hier leben, ohne Rücksicht darauf, was die Mehrheitsgesellschaft gesellschaftlich für wichtig hält. Das ist die Wahrheit.

    Pragmatikerin

  5. Tai Fei sagt:

    @Praktikantin
    Schon wieder eine Behauptung
    „Da wo kein Druck gemacht wird, findet auch nur selten etwas – natürliches – statt“
    Sowohl Sprach- als auch Integrationskurse sind in DE seit einigen Jahren PFLICHT. Eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis wird beim Fehlen entsprechender Nachweise NICHT gewährt.

  6. Pragmatikerin sagt:

    „Sowohl Sprach- als auch Integrationskurse sind in DE seit einigen Jahren PFLICHT. Eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis wird beim Fehlen entsprechender Nachweise NICHT gewährt“

    Das gilt sicher nicht für die Migranten, die schon eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis haben.

    Pragmatikerin

  7. Tai Fei sagt:

    @Praktikantin
    „Das gilt sicher nicht für die Migranten, die schon eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis haben.“
    Nein, da greift die Besitzstandswahrung. Das ist ein Grundpfeiler des demokratischen Rechtsstaates. Bist Du anderer Meinung?

  8. Pragmatikerin sagt:

    @ Tai Fei

    Ich habe Ihnen nur auf Ihre Aussage geantwortet.

    Bitte dzuen Sie mich nicht, auch wenn ich nicht Ihrer Meinung bin.

    Pragmatikerin

  9. Tai Fei sagt:

    @Praktikantin
    Interessant, Sie outen sich damit als Gegnerin des demokratischen Rechtsstaats. Dann stellt sich nur die Frage wie sie die Integration von Ausländern fordern können, wenn Sie selbst nicht integriert sind.

  10. Pragmatikerin sagt:

    gell, ich bin eine Nachfahrin der Hugenotten, lol ?

    Pragmatikerin