Studie
Hessen mit und ohne Migrationserfahrung sind sich verblüffend ähnlich
Menschen mit und ohne Migrationserfahrung sind sich verblüffend ähnlich - sie denken und fühlen dasselbe. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Emnid-Befragung, die im Auftrag des Hessischen Integrationsministeriums durchgeführt wurde.
Mittwoch, 29.06.2011, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:45 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Knapp 12 Prozent der hessischen Bevölkerung besitzt keinen deutschen Pass. Damit ist Hessen das Flächenland mit dem höchsten Ausländeranteil gemessen an der Gesamtbevölkerung. Insgesamt können 1,49 Mio. Personen in Hessen auf Migrationserfahrung zurückgreifen. Diese Personengruppe setzt sich zusammen aus knapp 684 000 Menschen ohne und 807 000 Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit. Damit liegt der Anteil der Bevölkerung mit Migrationserfahrung in Hessen bei 24,6 Prozent (Bundesdurchschnitt 19 Prozent). Bei Kindern unter 6 Jahren beträgt diese Quote sogar 45 Prozent.
Angesichts dieser gesellschaftlichen Zusammensetzung hat das Hessische Integrationsministerium eine Umfrage in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse präsentierte Integrationsminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) in der Studie „Meinungsbilder – Zur Wahrnehmung von Zuwanderung und Integration in Hessen 2011“ am Mittwoch vergangener Woche. Danach sind sich die Menschen mit und ohne Migrationserfahrung verblüffend ähnlich.
Hessen fühlen sich wohl
So fühlen sich 93 Prozent der Hessen in ihrem Bundesland „wohl“. Unter den Personen mit Migrationserfahrung sind es 86 Prozent, unter denen mit eigener Migrationserfahrung sogar 91 Prozent.
Dennoch offenbart die Umfrage Faktoren, die das Bild trüben. Denn etwa die Hälfte der Befragten mit (48 Prozent) und ohne Migrationserfahrung (43 Prozent) glaubt, dass für Zugewanderte keine Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt herrscht. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch bei der Einschätzung der Aufstiegschancen im Betrieb (48 bzw. 40 Prozent).
Zuwanderer glauben eher an Chancengleichheit
Was die Beurteilung der Chancengleichheit bei Bildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten angeht, ist die Einschätzung der Personen mit Migrationserfahrung jedoch positiver (79 Prozent) als jene, ohne diesen Erfahrungsschatz (71 Prozent). Ähnlich gewichtet ist auch die Einschätzung des Wohnungsmarkts. Hier glauben Menschen mit Migrationserfahrung (61 Prozent) ebenfalls eher an eine Chancengleichheit als Befragte ohne Migrationserfahrung (53 Prozent).
Ebenfalls bemerkenswert ist, dass die Wahrnehmung der gesellschaftlichen Beteiligungschancen von Zugewanderten bei Hessen ohne Migrationserfahrung deutlich pessimistischer ist. Nur jeder Vierte ohne Migrationserfahrung glaubt hier an eine Chancengleichheit; unter den Hessen mit Migrationserfahrung beträgt diese Quote nur 17 Prozent.
Wer soll mehr für die Integration tun?
Gut 60 Prozent der Befragten mit und ohne Migrationserfahrung meinen, dass die hessische Gesellschaft genug dafür tue, Zuwanderer erfolgreich zu integrieren. Das eindeutige „ja“ wird hier von Personen mit Migrationserfahrung sogar häufiger angegeben.
Und auch bei der Frage, ob die Zuwanderer selbst genug für ihre Integration tun, gehen die Meinungen in Hessen nicht wesentlich auseinander. Gut zwei Drittel der Befragten sind der Auffassung, die Zugewanderten selbst müssten mehr für Integration tun.
Kaum einen Unterschied gibt es auch bei der Einschätzung des Nachbarn. Hessen mit und ohne Migrationserfahrung hätten lieber einen hochqualifizierten Nachbarn, der gut verdient (zustimmend 84 bis 90 Prozent). Einen Nachbarn, der von staatlichen Leistungen lebt, hätte nur jeder dritte Hesse gern. In beiden Fällen ist den Befragten die Staatsbürgerschaft des Nachbarn relativ egal.
Zuwanderung?
Auch beim Thema Zuwanderung sind sich die Hessen weitestgehend einig. 39 Prozent der Menschen ohne Migrationserfahrung sind der Meinung, dass Deutschland mehr Fachkräfte aus dem Ausland braucht; bei denen mit Migrationserfahrung 47 Prozent dieser Ansicht.
Download: Für die Studie „Meinungsbilder – Zur Wahrnehmung von Zuwanderung und Integration in Hessen 2011“ (PDF-Datei) wurden 1001 Personen mit telefonischen Anschlüssen in Hessen ab 18 Jahren befragt. 19 Prozent der Befragten haben Migrationserfahrung, 12 Prozent (aller Befragten) verfügen über eigene Migrationserfahrung.
Kaum einen Unterschied gibt es auch bei der Einschätzung, dass Zuwanderung eine Bereicherung für die Gesellschaft darstellt (jeweils zwei Drittel). Etwa genauso viele – mit oder ohne Migrationserfahrung – vertreten die Auffassung, dass „vor allem“ oder „nur“ leistungsstarke Zuwanderer ins Land kommen sollten. Dabei wünschen sich Personen ohne Migrationserfahrung etwas häufiger, dass „vorwiegend soziale Gründe“ als Zuwanderungskriterium Anwendung finden sollten. Eine uneingeschränkte Zuwanderung können die Wenigsten vorstellen – Personen mit Migrationserfahrung etwas häufiger (8 Prozent) als Personen ohne Migrationserfahrung (5 Prozent).
Verbundenheit mit Deutschland
Schließlich empfinden fast alle Befragten mit Migrationserfahrung (91 Prozent) eine Verbundenheit mit Deutschland: 39 Prozent spüren eine „in etwa gleiche“ Verbundenheit mit Deutschland und dem Herkunftsland, 30 Prozent fühlen sich „eher mit Deutschland“ und 22 Prozent „nur mit Deutschland“ verbunden. „Nur mit dem Herkunftsland verbunden“ fühlt sich dagegen nur 1 Prozent.
So überrascht es auch nicht, dass eine deutliche Mehrheit der Menschen in Hessen „nie“ oder „selten“ an die Möglichkeit der Auswanderung denkt. Dies gilt sowohl für Personen mit als auch ohne Migrationserfahrung. Allerdings ist bei denen, die bereits Migrationserfahrung haben, der Anteil derer, die „oft“ an Auswanderung denken, mit 22 Prozent deutlich höher als bei den Personen ohne Migrationserfahrung (9 Prozent). (es)
Gesellschaft Leitartikel Studien
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„Was die Beurteilung der Chancengleichheit bei Bildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten angeht, ist die Einschätzung der Personen mit Migrationserfahrung jedoch positiver (79 Prozent) als jene, ohne diesen Erfahrungsschatz (71 Prozent).“
erfahrungsschatz! danke, migazin. von dieser art der berichterstattung und umschreibung könnte sich der mainstream etwas abgucken.
Tja, kommt halt ganz drauf an welche Kriterien man verwendet. Sarrazin könnte in punkto ‚Zurechtbiegen von Statistiken‘ hier bei Euch noch was dazulernen.