Junge Islamkonferenz

Hitzige Debatten und eine Portion Medienrummel

Serdar Bulat ist einer von 40 TeilnehmerInnen der ersten Jungen Islam Konferenz. Ein Planspiel, in dem die Jugendlichen Rollen von den eigentlichen TeilnehmerInnen der Deutschen Islam Konferenz einnehmen.

Von Serdar Bulat Dienstag, 01.03.2011, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 03.03.2011, 4:49 Uhr Lesedauer: 6 Minuten  |  

8.35 – ich bin schon fünf Minuten zu spät dran; das Handy klingelt und ich weiß, dass ich gleich gefragt werde, wo ich denn bleibe. Nun stehe ich vor dem Bundesinnenministerium. Ein repräsentativer Bau mitten in Berlin. Hier findet die erste Junge Islam Konferenz (JIK) statt und ich bin dabei.

Die Junge Islam Konferenz, ein Projekt der Stiftung Mercator und der Humboldt-Universität zu Berlin (HU), richtet sich an Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund zwischen 17 und 23 Jahre. Hierbei soll das Thema „Islam in Deutschland“ diskutiert werden.

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Zwei Wochenenden zuvor lernten wir uns alle schon auf dem Vorbereitungsseminar kennen. Spätestens seitdem waren wir mindestens Semi-Experten beim Thema „Islam in Deutschland“ und der Deutschen Islam Konferenz.

Auf Schritt und Tritt beobachtet
Der offizielle Beginn des Tages für alle lautet 10 Uhr, mit Ausnahme für mich und den Mitteilhehmerinnen Aylin, Denise und Marett. Die Stiftung Mercator suchte uns zuvor aus, um Medienvertretern bei einem Pressefrühstück Rede und Antwort zu stehen.

Doch davor stand mein persönliches Highlight des Tages an: Die Deutsche Welle bat mich um ein Interview und kündigte an, mich beim Pressetermin und später beim Planspiel begleiten zu wollen. Nun war mir bewusst, dass jeder Schritt den ich tat, beobachtet wurde. Kurzes durchatmen: Bevor ich wieder los kann, will das ZDF auch noch ein kurzes Interview für das Morgenmagazin.

Die Uhr schlägt 9: Die Presse und das Frühstück rufen. Der kleine Saal ist schon voll. Einen Kaffee mit ordentlich viel Zucker nehme ich mir mit an den Tisch, für alles andere ist kein Platz, geschweige denn Zeit. Jetzt sitze ich zwischen Dr. Bernhard Lorentz, dem Geschäftsführer der Stiftung Mercator und der JIK-Teilnehmerin Denise, die während der Konferenz als Dr. Guido Westerwelle auftrat.

Schnelllebiger Medienrummel
Eine kurze Vorstellungsrunde beginnt und anschließend legen auch schon die Journalisten los. Arme von MedienvertreterInnen ragen in die Luft und zunächst stellen sie Fragen wie zum Beispiel: Was war ihre Motivation für die Teilnahme an der JIK und wo begegnen Sie dem Islam im Alltag? Alles Fragen die leicht zu beantworten sind. Doch wie explosiv das Thema „Islam“ sein kann, musste ich selbst bei der Pressekonferenz feststellen. In meiner Bewerbung zur JIK habe ich erwähnt, „dass der Islam heute ein Teil Deutschlands ist, ist nirgendwo deutlicher abzulesen als in der Präsenz des Kopftuchs“. Dies nutzte ein Reporter der Welt Kompakt und versuchte mich aus der Reserve zu locken. Doch Aylin sprang ein und gemeinsam ließen wir den Reporter auflaufen.

Die halbe Stunde verging wie im Flug. Nach vielen Fotos und Interviews mache ich mich auf in den Großen Saal. Vorbei an den InitiatorenInnen Frau Dr. Foroutan, Leiterin des Forschungsprojektes „HEYMAT“ an der HU Berlin, Frau Kücük, der „Erfinderin“ der JIK und Herr Kneip von der Stiftung Mercator, tanke ich Lob und Selbstbewusstsein. Wir hätten uns perfekt gegeben und wären super, hieß es. Noch immer hatte ich keinen Happen zu mir nehmen können.

Ronald Pofalla in Aktion
Die Tische sind voller Akten, Ordnern und Notizen und Kameras stehen überall herum. Ein kurzes Händeschütteln und geflüsterte Begrüßungen mit meinen MitteilnehmerInnen und prompt schlüpfe ich in die Rolle des Dr. Ronald Pofalla. CDU-Mitglied und Chef des Bundeskanzleramtes. Zwei Wochen hatte ich Zeit die Rolle anhand einer Rollenkarte einzustudieren und seiner Einstellung zu dem zu überarbeitenden Empfehlungsschreiben über die Institutionalisierung staatlich-muslimischer Kooperation auf kommunaler Ebene. Noch die Nacht zuvor habe ich mir YouTube-Videos des Politikers angesehen. An Schlaf war eh nicht zu denken.

Doch nun richtet Dr. Bernhard Lorentz, Geschäftsführer der Stiftung Mercator, das Wort in die Runde: „Wenn wir uns für Integration einsetzen und die Rolle des Islams und der Muslime in Deutschland thematisieren, dann müssen wir mit den jungen Menschen reden. Die 40 Teilnehmer zeigen uns, wie die Zukunft Deutschlands aussehen kann.“

Es folgen Prof. Dr. Klaus Eder, Direktor des Institutes für Sozialwissenschaften an der HU, Dr. Thomas Herzog, Mitarbeiter des Bundesinnenministeriums und Prof. Dr. Rita Süssmuth, ehemalige Bundestagspräsidentin. Sie fordert von uns unsere eigenen Ideen einzubringen und MuslimInnen wie auch Nicht-MuslimInnen zu helfen durch ein besseres Verständnis. Des Weiteren sei sie schon sehr gespannt, was bei unserer Diskussion rauskommt. Schließlich werden wir gemeinsam ein Empfehlungsschreiben mit unseren Ideen und Anmerkungen den Teilnehmern der Deutschen Islam Konferenz überreichen. Dieses ist jedoch bis zur Übergabe am 29.03 geheim.

„Ein bunteres Deutschland“
Der Umgang mit soviel Vertrauen auf Vorschuss fiel den meisten nicht schwer. Dr. Naika Foroutan, die Projektleiterin der JIK erklärt das Planspiel und stimmt uns mit dem Satz „Ich möchte ein bunteres Deutschland von Ihnen“ ein. Dies waren viele akademische Titel und berühmte Persönlichkeiten. Die RednerInnen stehen dort im Leben, wo ich noch hin will. Doch klein fühlte ich mich nicht. Schließlich ging es ja um uns.

Die Vorstellungsrunde der Alter Ego der TeilnehmerInnen beginnt. Ich werde gleich ein erstes Statement aussprechen, das ich nicht vertrete. Die Nervosität steigt und ich bin gleich dran. Gleich fünf Kameras drehen sich zu mir und Mikrofone werden auf meinen Tisch gestellt. „Wir müssen bereit sein, für unsere christlich geprägten westlichen Werte einzustehen!“, lautet eins meiner Statements. Ein Raunen geht durch den Saal.

Hitzige Debatten folgen in Plenen, Projektgruppen und informellen Gesprächen. Das Zeitgefühl ist nicht mehr anwesend. Ich scheine in die Rolle so sehr vertieft zu sein, dass die anderen TeilnehmerInnen mich auch in privaten Situationen als „Pofalla“ ansprechen. Anscheinend liegt mir eine gewisse Polarisierung. Ronald Pofalla macht es mir, ehrlich gesagt, auch sehr einfach.

„Diktat von oben“
Während zahlreicher Diskussionen, zum Beispiel wie man eine staatlich muslimische Kooperation auf kommunaler Ebene nennen könnte, bin ich in meinem Element. Zur Abstimmung stehen „Islamforum“ und „Interkultureller Dialog“. Mein Alter Ego Pofalla spricht oft von Leitkultur, also ist da schon mal gar kein Platz für Interkulturalität. Basta!

Es bilden sich ad-hoc Bündnisse. Mein Duisburger Kollege, Adolf Sauerland, spricht von uns als CDU-Fraktion (Christoph Aalhaus, Volker Bouffier und Ronald Pofalla) als wir ein Papier mit Vorschlägen vorstellen.

Die muslimische Seite attestiert uns ein „Diktat von oben“ und einen „bestimmenden Ton, dessen Sprachrohr nicht größer werde, wenn es mehr Leute vertreten“. Roland Schäfer (SPD) wirft uns gar eine „christliche Kreuzzugmanier“ vor.

Ein Gefühl von Macht
Was wir alle während der Konferenz verspürten, war ein Gefühl von Macht Entscheidungen maßgeblich zu beeinflussen und sie aber auch verhindern zu können.

Zugegeben, teilweise traten wir als CDU-Fraktion schon sehr arrogant auf. Zu riskieren hatten wir aber auch nichts und unsere Vormachtstellung war äußerst bequem.

Die JIK bot mir einen vorurteilsfreien Raum, mit anderen Jugendlichen Ideen und Erfahrungen auszutauschen, falsche Vorurteile zu beseitigen und sinnvolle statt spalterische Debatten zu führen. Ich empfand ein Wir-Gefühl.

Eins ist mir klar geworden: Als Muslim sehe ich das demonstrative Bekenntnis zum Islam, vor allem nach Sarrazins Provokationen, als eine Art Grundpflicht für ein zukünftiges Zusammenleben von MuslimInnen und Nicht-MuslimInnen. Aktuell Feuilleton

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