Zwangsehen
Bundesregierung verheddert sich erneut in Widersprüche
Der Ehegattennachzug wurde 2007 an Sprachkenntnisse geknüpft, um unter anderem Zwangsverheiratungen zu verhindern. Bis heute bleibt die Bundesregierung den Nachweis schuldig, dass die Regelung tauglich ist.
Donnerstag, 11.11.2010, 8:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 16.11.2010, 4:03 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Im August 2007 trat unter Führung der CDU/SPD Regierungskoalition die Regelung des Ehegattennachzugs in Kraft. Damit wurde als Voraussetzung für den Ehegattennachzug eingeführt, dass sich der Ehegatte zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann.
Begründet wurde die Regelung integrationspolitisch. Zugezogene Ehefrauen könnten sich mit Grundkenntnissen der deutschen sich einfacher integrieren und im Falle von Zwangsverheiratungen einfacher und schneller Hilfe in Anspruch nehmen.
Zahlreiche Experten und Migrantenorganisationen hielten die Begründung für einen Vorwand, um den unkontrollierten Zuzug von Ausländern zu stoppen. Deutschkenntnisse könnten nach der Einreise viel besser und schneller erlernt werden als in den Herkunftsländern, in denen teilweise nicht einmal Deutschkurse angeboten werden.
Außerdem sei fraglich, ob die Regelung überhaupt geeignet sei, um Zwangsverheiratungen zu verhindern. Experten forderten vielmehr die Kürzung der zweijährigen Ehebestandszeit, damit Opfer von Zwangsverheiratungen die Ehe im Bundesgebiet nicht zwei Jahre erdulden müssen, um nicht abgeschoben zu werden.
Evaluationsbericht vorgelegt
Nach mehr als drei Jahren seit Einführung der Spracherfordernisse vor dem Ehegattennachzug hat die Bundesregierung Ende September diesen Jahres den Evaluationsbericht zur Regelung vorgelegt. Der Bericht zeigt, „dass die Zahl der zum Ehegattennachzug erteilten Visa […] unmittelbar nach der Einführung des Sprachnachweiserfordernisses gesunken“ ist und auch heute noch weniger Visa erteilt werden als vor dem Inkrafttreten des Sprachnachweiserfordernisses. Damit bewahrheitet sich die Befürchtung der Kritiker, es gehe in erster Linie darum, die unkontrollierte Zuwanderung zu einzudämmen.
Auch kann die Bundesregierung den Vorwurf nicht entkräften, dass Sprachkenntnisse nicht vor Zwangsverheiratungen schützen. In dem vorgelegten Bericht heißt es lapidar: „Ferner berichteten Lehrer von Einzelfällen, in denen Frauen offensichtlich absichtlich durch die Prüfung fallen, um eine ungewollte Ehe in Deutschland zu vermeiden.“
Keine Erkenntnisse
In einer jetzt veröffentlichten Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion muss die Bundesregierung allerdings zugeben, dass sie „nicht über Erkenntnisse darüber“ verfügt, „ob es sich bei diesen Fällen um Zwangsehen handelt“. Auch könne die Bundesregierung nicht sagen, ob die Zwangssituation dieser Frauen nach der gescheiterten Prüfung beendet war.
Eine externe unabhängige Evaluation zum Thema beabsichtige die Bundesregierung dennoch nicht. Sie habe „keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Angaben“. Die Ehebestandszeit hat sie zwischenzeitlich jedoch geändert. Vergangenen Monat wurde sie von zwei auf drei Jahre verlängert. (bk) Aktuell Politik
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