Menschlich. Emotional. Mutig.
Türkische Männer in Berlin-Neukölln
In Talkshows und Interviews wird das Bild des türkischen Macho, Kriminellen, Extremisten verbreitet. Das Buch „Halbmondwahrheiten - Türkische Männer in Deutschland - Innenansichten einer geschlossenen Gesellschaft“ von Isabella Kroth zeigt ein anderes Bild von muslimischen Männern.
Von GastautorIn Montag, 08.11.2010, 8:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 11.11.2010, 3:03 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Zwangsheirat, Ehrenmord, Jugendkriminalität, Islamisten sind die Schlagworte derzeitiger Diskussionen über Integration. In diesem Kontext ist Integration „gescheitert“. Insbesondere muslimische Männer sind die Gruppe, von der angenommen wird, sie wären integrationsunwillig oder gar integrationsunfähig. Viel zu viele Publikationen von verschiedenen Autorinnen und Autoren beschreiben das Bild und bedienen die Klischees. Damit sind sie berühmt geworden und diese Berühmtheit hat ihnen nicht nur finanziellen Reichtum beschert, sondern gleichwohl sind diese Literaten zu Integrationsexperten unserer Gesellschaft aufgestiegen. In Talkshows und Interviews wird damit das Bild des Macho, Kriminellen, Extremisten, Ganz-und-gar-Andersartigen verbreitet.
Das Buch „Halbmondwahrheiten“ von Isabella Kroth zeigt nun ein anderes Bild von muslimischen Männern. Zwölf Porträts von türkischen Männern bieten Einblicke in Geschichten die das Leben und die Integration in Deutschland schrieben. Die autobiografischen Berichte nehmen den Leser und die Leserin mit, sie vermitteln ohne erhobenen Zeigefinger und ohne auf die Tränendrüse zu drücken einen emotionalen Zugang zu den schwierigen Lebenswegen der einzelnen Männer. Jede Geschichte für sich ist dramatisch, traurig, authentisch und einzigartig.
Die Art der Darstellung von Frau Kroth ist klar, die Geschichten sind in kurzen Sätzen verfasst. Damit erscheinen die Porträts lebendig, die Männer haben es so erlebt und berichtet. Wir erleben Türken, die ähnliche persönliche Probleme und Schwierigkeiten haben, wie viele Männer in Deutschland. Auch sie wurden von ihren Frauen verlassen, haben Schwierigkeiten mit den Kindern, mit Drogen, mit Arbeitslosigkeit, Einsamkeit und Kraftlosigkeit und der Suche nach Wegen aus der Verzweiflung. Die Episoden zeugen von Mut und Unverzagtheit – trotz aller widrigen Umstände. Woher nehmen die Männer dieses schneidige Selbstvertrauen?
Kazim Erdogan hat es geschafft, den Männern ihr Selbstwertgefühl zurückzugeben. Als Teilnehmer einer wöchentlichen Männergruppe in Neukölln haben sie gelernt über ihre Probleme nachzudenken, sie auszusprechen und Lösungen und Wege für sich selber zu suchen. Herr Erdogan zeigt uns die Menschen hinter den Klischees: jeder Mensch ist einzigartig. Die Unterschiede zwischen den Kulturen sind kleiner sind als wir denken. Hinter jedem Zugewanderten steht eine Geschichte, die sich nicht mit den üblichen Klischees beschreiben lässt. Integration ist nicht gescheitert, sondern die Kommunikation untereinander. Wir müssen uns kennenlernen und miteinander ins Gespräch kommen, das zeigt uns Herr Erdogan.
Das Buch ist uneingeschränkt empfehlenswert für die, die nebeneinander leben wollen. Für diejenigen, die miteinander leben wollen ist es eine Pflichtlektüre! Aktuell Rezension
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Sie wissen aber schon das diese Männergruppe in Berlin gerade wegen der „Klischees“ gegründet wurde.
Wenn 50% der Türken in Berlin arbeitslos gemeldet sind und 1/3 der türkischen Schuljungen polizeibekannt, wie soll man es denn sonst nennen?
Sollte man sich nicht eher Gedanken darüber machen, dass es immer wieder Berlin ist, was mit solchen Zusammenhängen in Verbindung gebracht wird? Der Artikel „Gleiche Deliktsbelastung bei ähnlichen sozialen Verhältnissen“ zeugt davon, dass es nun einmal soziale Probleme sind, die der Behandlung bedürfen damit es in der Gesellschaft funktioniert. Die ganze Integrationsfrage kann nur scheitern, solange die Arbeitslosigkeit und Geldmangel nicht wirklich bekämpft werden. Es hilft auch nicht die Arbeitslosenzahlen zu beschönigen, indem Menschen die trotz Arbeit aufstocken müssen einfach ausgeblendet werden. Wer am Existenzminimum lebt, kann kulturelle Events einfach nicht miterleben und wenn Kultur unser Wissen und unser Verhalten positiv fördert, können die Menschen die es sich nicht leisten können auch nicht positiv in dieser Gesellschaft mitwirken.
Ich wüsste nicht was dagegen spricht, sich die Argumente der vermeintlich „Anderen“ auch mal anzuhören bzw. anzulesen, statt sich ganz einfach dem Sarrazynismus einer ganz anderen Welt anzuschließen.
@bogo70
Das Problem ist doch das das Kind spätestens Anfang der 80er schon in den Brunnen gefallen ist. Ich habe mir grad auf ZDF.de einen Film über Europa und seine Politik angesehen. Die Staaten sind alle überschuldet, das Lebensarbeitsalter wird mit Sicherheit drastisch steigen, die Rente vielleicht sogar ganz wegfallen wenn es so weiter geht und das alleine birgt schon immensen gesellschaftlichen Zündstoff. Glauben Sie wirklich das die die bisher abgehängt sind jetzt noch nachkommen werden? Die mögen in Ihrer Feststellung recht haben aber das Problem ist es auch schon immer gewesen, das die Masse des Volkes eine eigene psychologische Dynamik entwickelt wenn die Dinge hart auf hart kommen. Dazu gehört auch das Finden eines Sündenbockes aus teilweise berechtigten und auch aus unberechtigten Gründen. Es wird hier dann eine Mischung stattfinden. Im Prinzip ähnlich der Situation „des Islam“. Keiner hat mehr einen Überblick und es wird dann wahllos draufgehauen. Und das ist eben die Gefahr der Zukunft. Wenn die Menschen die Situation nicht mehr erfassen können bzw. den Überblick verlieren kann vieles ausser Kontrolle geraten. Und das gehört mit zum Schlimmsten was den Deutschen zuwider ist.
Andererseits man sagt in Deutschland ist die Integration gescheitert. Gehen wir doch einfach mal nach Schweden das im Großen und Ganzen eine recht junge Einwanderungserfahrung aufweist. Ein Volk kann noch so Tolerant sein. Wenn es das Gefühl hat wie viele Schweden mittlerweile, das die Einwanderung von ca. 1,9 Millionen Menschen aus Afrika (Somalia) und Nahost (Irak) dazu führt das man sich kulturell verständnislos gegenübersteht und man umso mehr das Gefühl hat das die eingewanderten Menschen aus entsprechenden Ländern 1 zu 1 ihren Stiefel so weiterführen wollen wie bisher dann entstehen auch ungeachtet jeder Integrationsbemühungen Parteien wie die Schwedendemokraten. Und es ticken Leute aus die auf Einwanderer schiessen.
Und um wieder zurück zu kommen zur Machokultur. Es ist doch unbestritten Fakt das Frauen innerhalb der türkischen Communitiy zumindest in der Mehrzahl weniger zu sagen haben. Geschafft haben es nur bisher Privilegierte die modern und gutbehütet z.B. in Istanbul aufgewachsen sind und in die Stiefel des Vaters geschlüpft sind und ebenso Geschäfte tätigen. Das sind aber immer noch Ausnahmen.
Und es kann aber auch irgendwie nicht sein das man den Menschen vorlebt wie man sich die gesellschaftliche Freiheit vorstellt und daraufhin genau das Gegenteil eintrifft nämlich die seit den 70er Jahren immer Stärkere kulturelle Abgrenzung. Ich habe schon viele Beiträge von älteren Leuten gelesen das auch in Berlin der Kontakt früher wesentlich besser und einfacher war. Erst mit dem verstärktem Einzug von Moschee- und Kulturvereinen ist dieser dann mehr und mehr abgebrochen.
Was war jetzt also zuerst da? Die Henne oder das Ei?
Ich finde ihre Sicht auf die Dinge sehr pessimistisch, wenn wir die Hoffnung aufgeben gewinnt nur die Fraktion derer, die es versteht alle moralischen Skrupel von sich zu werfen.
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