Theater
Gottgefällig, knallhart und sexy – die Schwarzen Jungfrauen verschonen nichts und niemanden
Am 20. März wurde das Theaterstück „Schwarze Jungfrauen“ von Feridun Zaimoglu und Günter Seufert wiederaufgenommen. Fünf Monologe von muslimischen Frauen, die auf authentischen Interviews beruhen, bringen sicher geglaubte Klischees ins Schwanken und eröffnen neue Denkräume.
Von GastautorIn Donnerstag, 25.03.2010, 8:08 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 06.09.2010, 0:01 Uhr Lesedauer: 6 Minuten |
Da steht eine von fünf jungen Frauen frontal den Zuschauern zugewandt in ihrer Zelle und spricht diesen zu: „Was ist denn dabei, zu Gott zu finden? Das ist für mich kein Problem. Und die anderen Pilzmaden, die ich zu Gesicht bekomme, die Tetrapack fressen, die Arschritzenfressen, die hier rumlaufen. Illegale Pornohasen sind das. Die Frauen fackeln nicht lange und ficken. Das gilt auch für die bürgerlichen Frauen.“
Aus einem weißen Kasten, der aussieht wie ein riesiges Puppenhaus, rufen die fünf Schauspielerinnen aus ihren einzelnen Zellen nacheinander ihre Monologe heraus. Alle sind in neutral-cremefarbener Aufmachung und mit künstlicher Glatze. Sie unterscheiden sich äußerlich kaum voneinander, so dass sich die Zuschauer allein auf die Sprechakte konzentrieren können. Das Gesagte ist mitunter vulgär und provokativ. Die „Schwarzen Jungfrauen“ nehmen kein Blatt vor den Mund.
Aus ihnen ist die bewährte Sprachgewalt des Schriftstellers Feridun Zaimoglu zu hören. Dieser hat gemeinsam mit Günter Senkel aus Interviews mit in Deutschland lebenden „Neomosliminnen“ zehn Monologe herausgearbeitet. Dabei galt als Abmachung, „ dass ich ihren Hass (das der Frauen), ihre Wut und ihre Lebensbeichten in meine Form und Kunstsprache übersetzen darf. Die Inhalte habe ich unverändert gelassen“, so Zaimoglu in der Zeitschrift Theaterheute vom Mai 2006.
Das ganze Stück ist getragen von Enthüllungen und Entfesselungen aus wuchtigem „Mauldreck“ (Zaimoglu) über Beziehungen, Sex, Körperlichkeit, Glauben und aus “standfesten“ politischen Meinungen:
„Der Gottessucher macht Kriminalität für das, was oberhalb der Wolken ist. Was für eine Heldentat, die Zwillingstürme einzuebnen. Das Wahrzeichen im Arsch und Amerika im Schock.“ Kommentiert eine der Frauen den elften September und feiert Ossama Bin Laden als „Jahrhunderthelden“.
Für eine junge Türkin, die vor ihrer „Klischee-Familie“ mit zwei Brüdern, einem Moscheegänger als Vater und einer Mutter -„dick in der Küche“ – wegläuft und in der Großstadt ihre Freiheit auslebt, gibt es keinen Widerspruch: „Ich ficke immer noch, weil ich weiß, es schadet nicht meinem Glauben.“ Sie betet fünf mal am Tag und fastet im Ramadan. Denn sie entdeckt nach einem ausschweifenden Leben in Berlin mit vielen Partys und Liebschaften den Islam für sich wieder und findet „alles Scheiße außer Gott.“
Der Kreuzberger Filmregisseur Neco Celik –bekannt mit Filmen wie „Urban Guerillas“ und „Alltag“ hat gemeinsam mit den Dramaturgen Insa Popken und Tuncay Kulaoglu fünf dieser Monologe zur Bühnenreife bearbeitet und somit seine erste Theaterregie vorgelegt. Zuerst für das Berliner Hebbel am Ufer im Rahmen des Kulturfestivals „Beyond Belonging – Migration II“ im März 2006.Wiederaufgenommen wurde die Inszenierung im Ballhaus Naunynstrasse in Berlin Kreuzberg am 20. März 2010 und ist dort bis zum 30. März zu sehen.
Diese Neomosliminnen taugen nicht für traditionelle Integrationsdebatten. Sie sind alles andere als das, was der ideologisch verblendete Blick der Öffentlichkeit auf ein Quadratmeter Stoff suggeriert. Denn sie setzen sich radikal in Szene und unterminieren das medial erzeugte Bild der stimmlosen, entpersonalisierten und unterdrückten Muslima mit Wortwitz und Schlagfertigkeit: „Fünf Gebete minus ein Gebet sind immer noch vier Gottesdienste. Fünf Gebete sind das volle Pensum. Du kannst nicht mit Gott schachern. Wenn du es trotzdem versuchst, feilscht er mit dir im Jenseits um deinen Aufenthalt in der Hölle.“ Feuilleton
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