Bewerbung, Diskriminierung, Brief, Syrer, Flüchtling
Das Ablehnungsschreiben an Salim F. © MiGAZIN

„Gehen Sie zurück in Ihre Heimat!“

Ablehnungsschreiben an syrischen Azubi-Bewerber macht sprachlos

Salim F. ist syrischer Flüchtling und gut angekommen in Deutschland. Er hat die Sprache gelernt und Qualifikationen anerkennen lassen. Ihm fehlt nur noch ein Ausbildungsplatz. Statt einer Stelle bekommt er jetzt einen gut gemeinten Rat: Er solle zurück in seine Heimat. Der Krieg sei vorbei.

Mittwoch, 20.12.2017, 14:57 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 22.07.2018, 14:44 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Salim F. (26, Name geändert) kam vor knapp zwei Jahren als syrischer Flüchtling nach Deutschland. Er lebt in Bonn und ist auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz. Er spricht bereits Deutsch auf B1-Niveau und bereitet sich aktuell auf seine B2-Prüfung vor. Sein Abitur aus der Heimat hat er in Deutschland anerkennen lassen, seinen Führerschein ebenfalls. „Viele Ausbildungsstellen fragen nach dem Führerschein“, sagt er dem MiGAZIN.

Anfang Dezember entdeckt er auf Facebook eine Stellenanzeige, die zu ihm passt. Ein Autohaus in der Nähe expandiert und sucht nach Azubis. Salim F. bewirbt sich auf die Stelle. „Ich habe mich wirklich gut vorbereitet und ordentlich beworben“, betont er im Gespräch mit MiGAZIN. Um sicherzugehen, lässt er die Bewerbungsunterlagen sogar beim Arbeitsamt kontrollieren. „Super Bewerbung“, bescheinigt ihm die Beraterin – Anschreiben, Lebenslauf, Sprache, Form.

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Hinweis: An dieser Stelle war die Facebook-Stellenausschreibung des Autohauses zu sehen. Die Anzeige wurde vom Autohaus inzwischen entfernt.

Gut eine Woche später liegt auch schon Post im Briefkasten. Es ist ein Ablehnungsschreiben. Das Autohaus sei nach Auswertung der Unterlagen zu dem Ergebnis gekommen, dass Salim F. nicht die Vorgaben erfülle. Bei der weiteren Auswahl werde er daher nicht berücksichtigt. Soweit keine Überraschung für Salim F.

Empfehlung: Gehen Sie zurück!

Doch im nächsten Satz gibt das Autohaus Salim F. einen Rat, der dem Bewerber die Sprache verschlägt: „Ich möchte Ihnen eher die Empfehlung aussprechen, in Ihr Land zurückgehen [sic], da der Krieg beendet ist und Sie dort dringend benötigt werden, um es wieder aufzubauen.“ In dem Schreiben ist der Geschäftsführer des Autohauses als Ansprechpartner genannt.

Bewerbung, Diskriminierung, Brief, Syrer, Flüchtling

Dieses Ablehnungsschreiben erhielt Salim F. auf seine Bewerbung für einen Ausbildungsplatz in einem Autohaus © MiGAZIN

Salim F. traut seinen Augen nicht: „Ich habe seit meiner Ankunft in Deutschland wirklich alles unternommen, um einen Ausbildungsplatz zu finden. Ich kann verstehen, wenn die Leute einen nicht haben wollen. Aber so etwas hätte ich mir niemals vorgestellt. Ist das normal in Deutschland?“, fragt er im Gespräch mit diesem Magazin.

Rechtsexpertin: Starkes Indiz für Diskriminierung

Anissa Bacharwala, Rechtsexpertin für Antidiskriminierungsrecht, sieht in dem Schreiben ein starkes Indiz für einen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Möglicherweise habe der Betroffene Anspruch auf Entschädigung und Schadensersatz. Das AGG verbietet Benachteiligungen unter anderem wegen der ethnischen Herkunft.

Auf Nachfrage des MiGAZIN wollte sich das Autohaus zu dem Vorgang nicht äußern. Der Geschäftsführer ließ am Telefon ausrichten, dass man über „interne Vorgänge“ nicht mit Dritten rede.

Update: Autohaus entschudligt sich

Updade 20.12.2017, 19:48 Uhr
Das Autohaus hat in einer öffentlichen Stellungnahme auf Facebook auf die Kritik reagiert und sich für das Ablehnungsschreiben entschuldigt. „Durch eine nicht nur dumme, sondern auch inhaltlich falsche Darstellung gegenüber eines Bewerbers durch eine verantwortliche Person unseres Unternehmens, werden wir zu Recht kritisiert. Wir möchten uns für diese Äußerung entschuldigen und werden personelle Konsequenzen aus diesem Vorfall ziehen“, heißt es darin.

Das Autohaus kündigt an, Kontakt zu dem Bewerber zu suchen, um sich persönlich zu entschuldigen. Außerdem wolle man Salim F. um „persönliches Vorstellungsgespräch bitten“.

Kurze Zeit nach Erscheinen des MiGAZIN-Artikels hagelte es Kritik auf der Facebook-Seite des Autohauses. Die Rheinische-Post und Neues Deutschland haben den Vorfall ebenfalls aufgegriffen und darüber berichtet. (es) Aktuell Panorama

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  1. Ali sagt:

    @ Wolfgang

    in Deutschland gibt es bereits Gesetze, die Deutschen und EU-Bürgern Vorrang bei der Arbeitsplatzsuche einräumen. Erst danach kommen Türken und andere Drittstaaten.

  2. Tolkewitzer sagt:

    Wenn jemand bei uns im Lande weilt, dessen Aufenthaltsstatus ungeklärt ist, würde ich als Ausbildungsbetrieb auch lieber jemanden einstellen, wo ich mir sicherer sein kann, daß er nach der Lehre meinem Unternehmen zur Verfügung steht.
    So eine Lehre kostet nämlich einiges und jeder Handwerksbetrieb investiert damit in seine Zukunft.
    Was anderes wäre es, wenn so ein Betrieb Asylbewerber mit dem Hintergrund ausbildet, dem Heimatland dieser Menschen dann gut ausgebildete Facharbeiter zu schicken, so wie das früher mit Vietnam und Kuba in der DDR gemacht wurde.
    Aber diese Intention geht aus dem Beitrag nicht hervor.
    Dem Verfasser des Ablehnungsschreibens gebührt ein Lob. Er hat Eier in der Hose und redet nicht verschwurbelt um den heißen Brei.

  3. Thomas sagt:

    #Vöhringer
    Wer Menschen wegen ihrer Herkunft diskriminiert, der gehört bestraft. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Ich weiß nicht, in welcher Form sich die „persönlichen Konsequenzen“ auf den Mitarbeiter auswirken sollen. Ich würde ja eher eine Fortbildung für Personalführung empfehlen. Entlassen wäre nur eine ultima Ratio. Zumindest muss der Mitarbeiter sich eindeutig dazu äußern, wie das Verhältnis untereinander in der Firma laufen soll wenn der junge Mann da seine Ausbildung anfangen sollte. Ein unbefangenes Handeln ist von allen Protagonisten unter diesen Vorzeichen schwer bis unmöglich.

    Den Mitarbeitern des MiGAZIN ein frohes Weihnachtsfest.

  4. Sebaldius sagt:

    Im Kommentarbereich hier zu diesem Artikel sieht man auch mal wieder sehr deutlich, wie irrational und hysterisch und durchgedreht die allgemeine Diskussion über Asyl und Flucht und Vertreibung und Migration geworden ist hierzulande. Es bleibt aber festzustellen, dass es hier, genauso wie anderswo und überall in den Medien, immer nur die Befürworter der weltweiten globalen Flucht und Vertreibung und Migration sind, die keine Argumente mehr haben. Bzw. die in ihrer völligen Argumentlosigkeit mit dem Kopf gegen die Mauer rennen und ihre komplett irrsinnigen Ansichten als allgemeine Wahrheit ausgeben wollen.

    Da freut sich hier zum Beispiel eine @Stefanie Eronen über Ärzte aus Indien, die hierher nach Deutschland einwandern und hier dann Steuern zahlen und den Deutschen Gesundheit bringen sollen. Wie absurd ist das eigentlich? Indien ist eine funktionierende parlamentarische Demokratie, zudem eine Atomstreitmacht mit globaler Wirkung, Indien betreibt Weltraumfahrt und schickt Satelliten hoch, Indien steht weltweit an siebter Stelle mit seinem Bruttoinlandsprodukt, noch vor Kanada und Russland und Italien und Australien. Es ist eine Lüge, diese eingewanderten indischen Ärzte als Flüchtlinge auszugeben. Da fehlt dann nur noch dieser unsäglich dumme Vergleich, diese indischen Ärzte mit den Juden zu vergleichen, die im Driiten Reich aus Deutschland in die USA flüchten mussten.

    Tatsächlich hat aber allein das Hessische Landesprüfungs- und Untersuchungsamt im Gesundheitswesen (HLPUG) in Frankfurt 16 Ärzten, die als Flüchtlinge nach Hessen gekommen sind, die Approbation erteilt, so dass sie die allgemeine Berufserlaubnis haben, als Ärzte arbeiten zu dürfen. Und in ganz Deutschland dürften es wohl noch sehr viel mehr sein.

    Darüber mögen sich die Befürworter von Asyl und Flucht und Vertreibung und Migration jetzt freuen, aber dass dann genau diese Ärzte und alle anderen ausgebildeten Fachkräfte in ihren eigenen Heimatländern fehlen, und durch ihre Flucht nach Deutschland das Problem der Verelendung und des Niedergangs ihrer Herkunftsländer erst verursachen und beschleunigen, das begreifen sie nicht.

    Und genau das ist die Schizophrenie und das ewige Dilemma der Befürworter von Asyl und Flucht und Vertreibung und Migration, dass sie nicht mehr unterscheiden können zwischen Ursache und Wirkung. Die wissen selber nicht mehr, was sie eigentlich wollen: Wollen sie jetzt die Fluchtursachen in den Herkunftsländern bekämpfen, also Fachkräfte dorthin schicken? Oder wollen sie doch lieber die Flucht von möglichst vielen nach Deutschland befördern, und dadurch diese Länder ausbeuten? Und das hat nichts mehr zu tun mit AfD oder links oder rechts, das ist einfach nur eine Frage von Vernunft oder Dummheit.

    Meine Meinung zu diesem Thema: Dieser Junge sollte sich langsam darauf vorbereiten, in seine Heimat zurückzugehen.

  5. Lisa sagt:

    Einigen wir uns darauf, dass die “ Rückkehrempfehlung “ unnötig war, eine Absage jedoch unabhängig von Herkunft einen jeden treffen kann. Nächste Bewerbung absenden!