Merkel unentschieden

SPD bekräftigt Forderung nach Einwanderungsgesetz

Eigentlich wollte die Unionsfraktion das Thema Einwanderungsgesetz schnell abhaken, da meldet sich Kanzlerin Merkel zu Wort: sie denkt noch nach. Die SPD wiederum bekräftigt ihre Forderung nach einem Einwanderungsgesetz, ebenso Migrationsforscher Bade.

Mittwoch, 04.02.2015, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 09.02.2015, 16:44 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

In der Union gehen die Meinungen zu einem Einwanderungsgesetz, wie es SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann vorgeschlagen hat, weiterhin auseinander. Die Unionsfraktion hatte zuvor noch erklärt, CDU und CSU im Bundestag sähen nach intensiver Prüfung keinerlei Handlungsbedarf. Ein Einwanderungsgesetz sei nicht nötig. Deutschland habe mit dem Aufenthaltsgesetz ein gutes System.

Im Gegensatz dazu ist Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) offensichtlich für die Fortführung der Debatte. „Meine Meinungsbildung dazu ist noch nicht abgeschlossen“, sagte sie am Dienstag in Berlin. CDU-Generalsekretär Peter Tauber und weitere CDU-Wirtschaftspolitiker wiederum haben sich bereits festgelegt und plädieren für ein Einwanderungsgesetz. Auch der Vorsitzende der Jungen Union, Paul Ziemiak, kritisiert die Blockade-Haltung von CSU und Teilen der CDU gegenüber dem Oppermann-Vorstoß.

___STEADY_PAYWALL___

Oppermann: Situation wird unterschätzt
Der SPD-Politiker selbst bekräftigte unterdessen seine Forderung nach einem neuen Gesetz. „Wir brauchen qualifizierte Einwanderung, um unseren Wohlstand zu erhalten“, sagte Opperman am Dienstag im ZDF-Morgenmagazin. Derzeit werde die volkswirtschaftliche Gesamtsituation noch unterschätzt: In den kommenenden Jahren seien sechs Millionen Fachkräfte zu ersetzen.

Der SPD-Politiker bemängelte eine fehlende Klarheit in der derzeitigen deutschen Gesetzgebung. Es gebe zu viele Vorschriften zur Einwanderung, darunter etwa rund 50 verschiedene Aufenthaltstitel. Ein Einwanderungsgesetz, das die Vorschriften bündeln würde, wäre ein „starkes Signal“ an qualifizierte junge Menschen: „Wer hier sein Glück machen will – mit Fleiß und Anstrengung, der ist willkommen.“

Grüne mit eigenem Antrag
Unterstützung bekommt die SPD von den Grünen, die generell ein neues Einwanderungskonzept fordern. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte der Passauer Neuen Presse: „Wir sind ein Einwanderungsland. Davor kann selbst die Union nicht mehr die Augen verschließen.“ Deutschland brauche ein zukunftsfähiges Konzept, das auch im arbeitsmarktpolitischen Interesse Einwanderung, Integration und Partizipation gestalte. Am Donnerstag werde seine Fraktion dazu einen Antrag im Bundestag einbringen.

Oppermann hat ein Einwanderungsgesetz mit flexiblem Punktesystem nach kanadischem Vorbild vorgeschlagen. Unter anderem sollen Einwanderungswillige Punkte bekommen, wenn sie eine Ausbildung für Mangelberufe in Deutschland oder deutsche Sprachkenntnisse vorweisen können.

Bade: Da ist nichts mehr zu steuern
Der renommierte Migrationsforscher Klaus J. Bade indes ist überzeugt, dass ein Punktesystem im ursprünglichen kanadischen Sinne heute für Deutschland nicht mehr in Frage kommt. „Ein Einwanderungsgesetz für die zu mehr als drei Vierteln aus Europa und insbesondere aus der Europäischen Union stammende Zuwanderung wäre nur ein einladender klingendes Firmenschild; denn in Europa gilt Freizügigkeit. Da ist nichts mehr zu steuern“, schreibt Bade in seiner MiGAZIN Kolumne.

Allerdings könnte „der Wildwuchs von Regelungen“ unter dem Stichwort „Einwanderungsgesetz“ zusammengeführt werden. Denn sobald es den
europäischen Volkswirtschaften wieder besser gehe, „werden die Zuwanderungen aus Europa zurückgehen. Aber der eklatante Zuwanderungsbedarf in Deutschland wird aus demographischen Gründen bleiben, weil die Eltern der Kinder von morgen gestern schon nicht mehr geboren worden sind“, so Bade weiter. Deshalb müsse sich Deutschland zukunftsorientiert um Einwanderungen aus Drittstaaten weit jenseits der Europäischen Union kümmern.

Industrie- und Handelstag sieht keinen Bedarf
Der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHK) hingegen sieht keinen Bedarf für ein neues Einwanderungsgesetz, hält aber Nachbesserungen bei den Regelungen für sinnvoll. Der Großteil der Zuwanderer komme derzeit aus der EU, wo es ohnehin die Freizügigkeit gebe, sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben der Nordwest-Zeitung“ in Oldenburg. Für Menschen aus Dritt-Ländern seien die Einwanderungsregelungen bereits deutlich verbessert worden, dies müsse allerdings „noch bekannter gemacht“ werden.

Nach DIHK-Berechnungen bräuchte die deutsche Wirtschaft jedes Jahr zusätzlich zwischen 100.000 bis 150.000 gut qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland. „So könnten wir dem Fachkräftemangel wirkungsvoll begegnen“, erklärt Wansleben. Missbrauch müsse durch klare Regelungen vermieden werden, forderte er. Kommunen müssten bei der Aufnahme von Zuwanderern unterstützt werden.

Rheinland-Pfalz plant Bundesratsinitiative
Rheinland-Pfalz plant derweil eine Bundesratsinitiative für ein Einwanderungsgesetz. Eine moderne, offene und transparente Regelung zur Einwanderung sei notwendig, um künftig den Bedarf an Fachkräften zu decken, erklärte die Mainzer Integrationsministerin Irene Alt (Grüne). Es gehe aber auch darum, ein „Zeichen für eine offene Gesellschaft“ zu setzen und für eine „Willkommenskultur“. (epd/mig) Leitartikel Politik

Zurück zur Startseite
MiGLETTER (mehr Informationen)

Verpasse nichts mehr. Bestelle jetzt den kostenlosen MiGAZIN-Newsletter:

UNTERSTÜTZE MiGAZIN! (mehr Informationen)

Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.

MiGGLIED WERDEN
Auch interessant
MiGDISKUTIEREN (Bitte die Netiquette beachten.)

  1. Mike sagt:

    Was bitteschön soll in einem „EINWANDERUNGSGESETZ“ stehen, dass nicht bereits im „AUFENTHALTSGESETZ“ geregelt ist? Bereits jetz gibt es für Dritstaatsangehörige die Möglichkeit zur Arbeitsaufnahme abhängig von Qualifikation und Bedarf dauerhaft ins Bundesgebiet zuzuwandern.

    Die von RheinlandPfalz geforderte „offene Gesellschaft“ kann nicht per Gesetz verordnet werden.