NSA-Skandal

Grundrechte nur für Deutsche!?

Laut Bundesnachrichtendienst (BND) werden keine Telekommunikationsdaten von Deutschen weitergegeben. Erklärung: E-Mail Adressen mit einer „de“-Endung seien nicht betroffen. Logische Schlussfolgerung wäre: „.de“ = Deutscher, „.com“ = Nicht-Deutscher?

Von Deuchler, Onay, Limburg Mittwoch, 11.09.2013, 8:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 12.09.2013, 23:09 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Die aktuellen Erklärungen der Bundesregierung zu den Ausspähung der Internetkommunikation durch die NSA und den GCHQ werden immer absurder. Nachdem zunächst Kanzleramtschef Pofalla erklärt hatte die US-Behörden würden nicht gegen deutsche Gesetze in Deutschland verstoßen, ergänzte der BND kürzlich, dass keine Telekommunikationsdaten von Deutschen weitergegeben würden. Das ist nicht nur völlig unglaubwürdig, sondern ist eines der dreistesten Ablenkungsmanöver, die sich die Bundesregierung in der Nachrichtendienstaffäre leistet.

Die Erklärung von Pofalla mag inhaltlich sogar richtig sein (wer weiß das schon so genau?), sie zielt aber bewusst am Kern der Debatte vorbei. Das Absaugen der Daten, wird nicht primär in Deutschland („auf deutschem Boden“), sondern an anderen Datenknotenpunkten dieser Welt vollzogen. Betroffen ist natürlich gleichwohl die Internetkommunikation von Millionen Menschen in Deutschland – von Deutschen und Ausländern.

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Eine glaubwürdige – ja eine notwendige Erklärung wäre gewesen – wenn Pofalla, die US-Regierung oder auch die britische Regierung erklärt hätte, man würde sich in Europa an europäische Gesetze halten und auch in den USA europäisches Datenschutzrecht zumindest in Bezug auf europäische Kommunikation respektieren. Dies ist nicht erklärt worden, weil es nicht zutrifft.

Die Bundesregierung müsste eingestehen, dass sie unter den derzeitigen Bedingungen unsere Daten nicht schützen kann, sobald diese Deutschland verlassen. Und das geschieht im Internet täglich millionenfach. Es ist ein politisches Versagen, dass die Bundesregierung nicht einmal den Versuch unternimmt, sich für internationale verbindliche Datenschutzstandards einzusetzen, um so die Grundrechte der Menschen in Deutschland effektiv zu schützen. Denkbar wäre etwa eine Initiative zur Aufnahme des Datenschutzes in den Internationalen Pakt für bürgerliche und politische Rechte, aber von schwarz-gelb ist keine derartige Initiative zu erwarten. Sie ist so der Nachrichtendienstkooperation der Briten und Amerikaner hilflos ausgeliefert.

Gleich in zweierlei Hinsicht skandalös ist die Erklärung des BND zur Kooperation mit den USA. Stets wird darauf hingewiesen das keine Verbindungsdaten deutscher Staatsbürger weitergegeben würden. In gleichlautenden Zeitungsberichten wird erläutert, dass Telefonate mit einer deutschen Vorwahl oder Mailadressen mit einer „.de“ Endung nicht weitergegeben werden würden. Diese Erklärung soll aus Sicht des Dienstes Sicherheit und Beruhigung bringen. Aus Sicht von Juristen und Bürgerrechtlern bietet sie allerdings Anlass zu allerhöchster Sorge.

Zum einen ist die vom BND angeblich vorgenommene Abgrenzung völlig willkürlich und lächerlich. Denn wer hat denn bei der Auswahl seiner Mailadresse auf die Endung geachtet? Ist die Endung einer Mailadresse ein Hinweis auf die Staatsangehörigkeit des Users? „.de“ = Deutscher, „.com“ = Nicht-Deutscher? Natürlich nicht.

Aber selbst wenn diese Abgrenzung praktikabel wäre, erklärt der BND damit einen offenen Verfassungsbruch. Denn das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, wie es das Bundesverfassungsgericht 1983 formulierte, ist kein Deutschengrundrecht. So werden Grundrechte im juristischen Jargon genannt, die nur Deutschen im Sinne des Grundgesetzes zustehen. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ergibt sich aus Artikel 1 und 2 des Grundgesetzes. Es bezieht sich auf alle in Deutschland lebenden Personen und auch auf diese, die sich nur hier aufhalten. Die Bundesregierung hat die Pflicht das Grundgesetz einzuhalten und zu verteidigen. Sie muss erklären wie solche absurden Regelungen in Bundesbehörden entstehen konnten.

Es ist ein Ansatz von institutionellem Rassismus wenn eine Sicherheitsbehörde den Grundrechtsschutz nur für deutsche Staatsangehörige gewährleistet, entgegen der Rechtsprechung des höchsten Deutschen Gerichts. Der Bundesregierung muss diese Datenweitergabe des BND unverzüglich unterbinden, damit das Grundgesetz in Deutschland tatsächlich gilt! Aktuell Meinung

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  2. FreeSyria sagt:

    Die Stasi würde vor der NSA Leistung erblassen :)