Schock-Studie

Migranten fühlen sich in Ämtern und Behörden am häufigsten diskriminiert

Schlechter hätte die Studie der Antidiskriminierungsstelle aus Sicht des Staates kaum ausfallen können. Weder Arbeitgeber noch Vermieter oder Lehrer, es sind Beamte in Ämtern und Behörden, von denen Migranten sich am meisten diskriminiert fühlen.

Donnerstag, 02.08.2012, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:45 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Fast jeder Zweite (42 %) in Deutschland lebende Zuwanderer berichtet von diskriminierenden Alltagserfahrungen – doppelt so häufig wie die Mehrheitsbevölkerung. Das ist das Ergebnis einer Auswertung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS), die am Mittwoch vorgestellt wurde. Sie wurde auf Basis einer repräsentativen Befragung des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) durchgeführt.

Rund 24 Prozent der Befragten ohne und 42 Prozent der Befragten mit Migrationshintergrund gaben an, in einem der acht abgefragten Lebensbereiche (Bildung, Arbeitsmarkt, Ämter / Behörden, Nachbarschaft, Religionsausübung, Freizeitaktivitäten, öffentliche Transportmittel, Wohnungssuche) benachteiligt worden zu sein. Einen signifikanten Unterschied zwischen Ost- und Westdeutschland gab es dabei nicht.

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Diskriminierung in Ämtern und Behörden
Die meisten Diskriminierungserfahrungen machten die befragten Migranten in den Bereichen Ämter und Behörden (22 %) und auf dem Arbeitsmarkt (19 %). Schaut man nur auf Lebensbereiche, die für die Befragten in ihrer jeweiligen Lebensphase relevant waren – etwa den Besuch einer Bildungseinrichtung oder eine Erwerbstätigkeit – dann erhöhen sich diese Zahlen noch weiter: 24,3 Prozent aller am Arbeitsmarkt tätigen Migranten fühlten sich im vergangenen Jahr diskriminiert (davon über 40 % sehr oder eher stark) ebenso wie 23,7 Prozent der (Berufs-)Schüler (davon über ein Viertel sehr oder eher stark).

Im Bereich der Diskriminierung aufgrund der Religionszugehörigkeit zeigt sich, dass vor allem Muslime von Benachteiligung berichten. Personen mit islamischem Glaubensbekenntnis geben in allen Bereichen signifikant höhere Benachteiligungserfahrungen an als Angehörige anderer Religionen und Bekenntnislose.

Info: Die Studie „Benachteiligungserfahrungen von Personen mit und ohne Migrationshintergrund“ der Antidiskriminierungsstelle basiert auf Befragungen im Rahmen des Integrationsbarometers des SVR. (Erhebungszeitraum: Sommer 2011). Insgesamt nahmen mehr als 9200 Personen an der Befragung teil. Migranten waren mit 76,8 Prozent vertreten, Personen ohne Migrationshintergrund mit 23,2 Prozent. Die Studie kann unter antidiskriminierungsstelle.de kostenlos heruntergeladen werden. Noch mehr Studien zu Integrations- und Migrationsthemen gibt es im MiG-Dossier.

Warnsignal
ADS- Leiterin Christine Lüders wertete die Befunde als „Warnsignal“. Die Studie zeige, wie wichtig eine effektive Antidiskriminierungsarbeit in einer vielfältigen Gesellschaft sei. Lüders empfahl, Ämter und Behörden in ihrer Kompetenz im Umgang mit ethnischer Vielfalt weiter zu schulen und Diskriminierung beim Zugang zum und auf dem Arbeitsmarkt sowie im Bildungswesen konsequent zu bekämpfen.

Maßnahmen zur Förderung der interkulturellen Öffnung sollten dabei sowohl gezielte Fortbildungsmaßnahmen der Beschäftigten, eine kulturell und sprachlich vielfältige Zusammensetzung des Personals als auch mehrsprachige Informationsangebote umfassen. Im Bereich Arbeitsmarkt könnte zudem die Einführung anonymisierter Bewerbungsverfahren Chancengleichheit zwischen den Bewerbergruppen herstellen. „Der Abbau von Diskriminierung ist für den Zusammenhalt der Gesellschaft entscheidend“ sagte die SVR-Vorsitzende Prof. Dr. Christine Langenfeld. „Chancengleichheit ist die Voraussetzung dafür, sich zugehörig zu fühlen.“

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), ließ die Studie am Mittwoch unkommentiert. Die sonst übliche Erklärung blieb aus. (bk) Gesellschaft Leitartikel Studien

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  1. Max Mustermann sagt:

    Die Lösung des „Problems“ steht auf S. 20 des Berichts: höhere Bildung!
    Wie zu erwarten korreliert die ungleich höhere Abiturientenquote asiatischer Zuwanderer mit deren geringeren „Diskriminierungserfahrungen“.
    Platt gesagt: wer dumm und/oder faul ist und sich nicht selbst um Integration bemüht fühlt sich diskriminiert.
    Ist ja auch einfacher.

  2. Autark sagt:

    @ MaxMus

    Das ist nur ein Teil der Lösung. Wenn Sie die Studie schon aufgeschlagen haben, dann schauen Sie doch auch mal danach, ob es Unterschiede in den verschiedenen Lebensbereichen gibt bez. der Diskriminierungserfahrungen bei Menschen mit gleichem Bildungsniveau bzw. gleicher Herkunft. Und genau da liegt ein weiterer Brocken des Problems. Menschen werden in Behörden am häufigsten diskriminiert, wenn sie nicht deutsch sind. Das ist kein Bildungsproblem!

  3. Torgey sagt:

    @MaxMustermann: Wie sagt man so schön: Correlation is not causation. Möglicherweise werden Asiaten völlig unabhängig von ihrer Bildung weniger häufig diskriminiert, als Menschen anderer Herkunftsregionen. Möglicherweise auch, weil man die einen übern Kamm weg als gut gebildet, die anderen für dumm und faul hält?

  4. Ritter sagt:

    Wir Deutsche werden in Ämtern und Behörden genauso oft oder wenig tatsächlich diskriminiert wie Zuwanderer.
    Wahrscheinlich noch öfters, da die Beamten auf Migranten mehr Rücksicht nehmen.
    Außerdem sagt die Studie nichts von tatsächlicher Diskriminierung, sondern von subjektiver GEFÜHLTER Diskriminierung.
    Die ganze Studie ist deshalb eigentlich umsonst. Sie dient nur dazu, dass unsere Migranten wieder über Diskriminierung jammern und heulen können.
    Wie gesagt, denkt ihr, wir Deutschen werden in Ämtern und Behörden nicht diskriminiert und schlecht behandelt.
    Nur haben wir Deutsche keine Lobby oder Integrationsbeauftragte.

  5. Optimist sagt:

    @ Max Mustermann

    Seit wann wird man auf den Ämtern nach dem Bildungsstand gefragt oder dementsprechend behandelt? Steht mir das auf der Stirn, daß ich studiert habe oder Schulabbrecher bin, oder wie?

    So einen Unsinn kann man auch nur von sich geben, wenn man die Realität durch eine rosa Brille sieht bzw die nicht erlebten Erfahrungen in der Theorie durchspielt, da ist ja alles immer sooo einfach. Aber bloß nicht den Fehler bei sich selber suchen und zugeben, daß die Mehrheitsgesellschaft die Problemverursacher sind und nicht umgekehrt.

  6. Mustafa sagt:

    @ MaxMus

    Wissen Sie, dass Problem bei der Sache ist, dass mit höherem Bildungsniveau die Diskriminierung nur stärker wahrgenommen wird, weil man dann erst merkt, wie sehr die Aussage, dass bildungsferne die Ursache sei, Beschönigt.

    Jemand mit einem geringen Bildungsniveau akzeptiert Ungleichheit und Diskriminierung weit eher, weil er/sie die ihm/ihr zugestandenen Rechte nicht kennt … jemand der diese kennt, merkt sehr schnell, dass man meist ohne eine gute Rechtschutzversicherung und einen guten Anwalt in Deutschland nicht weit kommt, da als Reflex, von Seiten der Organe (vom Lehrer bis zum Verwaltungsbeamten) Rechte meist verwehrt werden und man auf diese bestehen muss, wenn nötig mit juritischen Miteln.

    Da gebe ich ihnen Recht, als gebildeter Mensch weiß man um sein Recht – wenn die eigenen monetären Bedingungen stimmen – juristisch zu kämpfen … Ob man es aber als weniger diskriminierend bezeichnen kann, sich sein Recht immer erkämpfen zu müssen, wage ich zu bezweifeln.

    Ich möchte aber auch betonen, dass gerade die Diskriminierungen auf dem Wohnungs-und Arbeitsmarkt eine Ebene haben, wo man eben nicht mehr um sein Recht kämpfen kann, da die Benachteiligung weitaus subtiler läuft!

    Ein einfaches Beispiel!

    In meinem ganzen Leben, ich bin 36 Jahre alt, bin ich nur einmal von einem deutschen Polizisten bei einer allgemeinen Straßenverkehrkontrolle mit den Worten „Guten Abend“ begrüßt worden …. in Bonn Bad Godesberg und saß gutgekleidet in einem M.Benz CLK, so dass man mich wahrscheinlich für einen Diplomatenangehörigen gehalten hat.

    Allgemein beginnt ein Polizeibeamter in NRW den Dialog mit einem Türkeistämmigen mit den Worten: „Führerschein – Fahrzeugpapiere“ – Es ist schon bedauerlich, von jemandem, der weitaus schlechter Deutsch spricht als ich, so angesprochen zu werden, dabei falle ich noch nicht einmal in ein Raster, dass ein solches Auftreten legitimieren würde (Habe Bekannte bei der Polizei und weiss, wie die sich wem gegenüber zu Verhalten haben) –

    Fremdstämmigen gegenüber muss man nicht freundlich sein … sind doch alle „latente Kriminelle“!

    Also Lügen Sie sich weiterhin ihr „Deutschland-Disney-Land“ zusammen – die deutsche Realität, wie die Studie auch schön aufzeigt, sieht ganz anders aus!

  7. tobi sagt:

    Ich fühl mich auch als deutscher beim arbeitsamt diskriminiert.

  8. Max Mustermann sagt:

    @ Autark
    Das ist der entscheidende Teil.
    Ich arbeite in einer Behörde. Wer vernünftig Deutsch spricht und sich halbwegs integrieren will (und folglich gewillt ist, unsere Rechtsordnung zu akzeptieren) wird dort nicht diskriminiert.
    Übrigens ist die negative Konnotation dieses Begriffs noch recht neu, aber welchen Gutmenschen interessiert das schon.

    Im Übrigen ist das ganze hier extrem einseitig und unsachlich, wenn man schon als Überschrift „Schockstudie“ schreibt und es letztlich um reines Empfinden geht.
    In 100 Jahren fühlen sich unsere Enkel im eigenen Land diskriminiert. Unterschied: das wird niemanden interessieren.

  9. Mustafa sagt:

    @MaxMus

    Sie schreiben: „In 100 Jahren fühlen sich unsere Enkel im eigenen Land diskriminiert. Unterschied: das wird niemanden interessieren.“

    Diskriminiert? Von den Kopftuchmädchen die der Sarrazin prophetisch vorausgesagt hat?

    Sie arbeiten in einer Behörde? „Wer vernünftig Deutsch spricht und sich halbwegs integrieren will (und folglich gewillt ist, unsere Rechtsordnung zu akzeptieren) wird dort nicht diskriminiert.“?

    Genau!

    Ich zitiere mal aus dem obigen Artikel: „Die meisten Diskriminierungserfahrungen machten die befragten Migranten in den Bereichen Ämter und Behörden (22 %)“

    :-)

  10. Der Türke sagt:

    Ich glaube das Problem des Max Mustermann und Konsorten, ist das immer mehr Muslime sich über ihre Rechte im Klaren sind, und die dann natürlich auch einfordern.
    Da sagt ein Max Mustermann zur Kollegin Klaudia Musterfrau: „Das gab es früher nicht!“
    Ah ja, wie schön waren die Zeiten als Ali noch Fabrikarbeiter war und Ayse die Toiletten putzte und entweder nur „ja“ oder „nein“ sagen konnte. Man konnte fast alles mit denen machen.
    Ein Gedanke noch an unseren Hausmeister von der ersten Mietwohnung meiner Eltern in Deutschland vor mehr als 32 Jahren. Der kam jeden Tag, um punkt 20 Uhr, und befiehl meinen Eltern das Licht auszumachen und schlafen zu gehen.Was meine Eltern taten? Sie hielten sich an diese Regel!