KfW Gründungsmonitor

Fast jeder vierte Gründer hat einen Migrationshintergrund

Migranten beleben Gründungsgeschehen in Deutschland und sie setzen vergleichsweise häufiger innovative Geschäftsideen um. Sie stoßen aber auch häufiger auf Probleme bei der externen Finanzierung.

Freitag, 06.07.2012, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:45 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

184.000 Personen und damit etwas weniger als ein Viertel aller Menschen, die sich in Deutschland im Jahr 2011 selbstständig gemacht haben, hatte einen Migrationshintergrund (22 %). Im Vergleich zum Vorjahr ist die Anzahl der Gründer mit Migrationshintergrund um 15 % gestiegen, bei einem generellen Rückgang der Gründerzahl um 11 %. Treiber des Anstiegs waren selbstständige Nicht-EU-Ausländer (+31 %). Dies ist ein zentrales Ergebnis der Sonderauswertung des KfW Gründungsmonitors 2012.

„Viele Migranten, insbesondere wenn sie über keinen in Deutschland anerkannten Bildungs- und Berufsabschluss verfügen, konnten offenbar nicht in gleichem Maße von den guten Arbeitsmarktbedingungen profitierten wie deutsche Gründer“, sagt Dr. Margarita Tchouvakhina, Abteilungsdirektorin bei der KfW Bankengruppe. „Sie lassen sich aber nicht entmutigen, sondern nehmen ihr Schicksal selbst in die Hand und wagen den Schritt in die Selbstständigkeit. Dadurch wird das Gründergeschehen hierzulande deutlich belebt“, sagt Tchouvakhina.

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Migranten Innovationsfreudiger
In ihren Gründungsvorhaben unterscheiden sich Migranten und Deutsche nur geringfügig. So gründen Migranten etwas häufiger im Team als deutsche Gründer (26 % vs 19 %) und stellen deutlich öfter zu Beginn der Selbstständigkeit schon Mitarbeiter ein (48 % vs. 27 %), die zu 35 % aus dem eigenen familiären Umkreis stammen (Deutsche 30 %). Gründer mit Migrationshintergrund bieten am häufigsten mit ihrem Unternehmen persönliche Dienstleistungen an (35 %; z. B. Friseure, Kosmetiksalons, Fotografen oder DJ’s) an (ebenfalls Spitzenposition bei deutschen Start ups: 30 %).

Download: Der KfW Gründungsmonitor 2012 – Jährliche Analyse von Struktur und Dynamik des Gründungsgeschehens in Deutschland, kann unter kfw.de kostenlos heruntergeladen werden.

Ein Unterschied ist allerdings auffällig: Unter den Gründern mit Migrationshintergrund sind vergleichsweise häufig Personen zu finden, die als ihr Hauptmotiv für den Start angeben, eine – oft innovative – Geschäftsidee umzusetzen: Im Durchschnitt der Jahre 2008 bis 2011 liegt der Anteil dieser sogenannten Entrepreneure bei den Gründern mit Migrationshintergrund bei 24 % Prozent, bei Deutschen hingegen lediglich bei 11 %. „Entrepreneure sind in der Regel deutlich erfolgreicher als andere Gründungen. Sie geben wichtige Impulse für unsere Volkswirtschaft“, so Tchouvakhina.

Probleme bei der externen Kapitalbeschaffung
Der Blick auf die Datenlage der Jahre 2008 bis 2011 zeigt, dass knapp ein Viertel aller Gründungen mit Migrationshintergrund durch Menschen mit türkischer Staatsangehörigkeit vollzogen werden; fast jeder Zehnte kommt aus Russland. Mit Anteilen von jeweils 4-5 % sind Österreicher, Polen, Italiener und Griechen die nächst größeren Gruppen. Tchouvakhina: „Die Zuwanderung aus EU-Ländern, die von der Finanz- und Schuldenkrise schwer betroffen sind, hat sich im Jahr 2011 deutlich erhöht: Allein aus Griechenland kamen etwa 90 % mehr Einwanderer, 52 % mehr aus Spanien. Wir erwarten in den kommenden Jahren einen Anstieg der Gründungen durch diese Gruppen.“

Für die Umsetzung ihres Gründungsvorhabens setzen Migranten etwas seltener finanzielle Mittel ein als Deutsche (70 % vs. 67 %) und benötigen in diesem Fall etwas häufiger externe Kapitalgeber (41 % vs. 33 %). 24 % von ihnen – und somit fast doppelt so häufig wie deutsche Gründer – stoßen dabei jedoch auf Schwierigkeiten: „Insbesondere bei Gründungen aus der Arbeitslosigkeit heraus verstärken sich die strukturellen Nachteile von Gründern beim Zugang zu Finanzmitteln. Hinzu mögen nicht anerkannte Bildungs- und Berufsabschlüsse kommen, was die externen Kapitalgeber verständlicherweise restriktiver agieren lässt“, so die Abteilungsdirektorin der KfW Bankengruppe abschließend. (etb) Leitartikel Studien Wirtschaft

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  1. Pingback: Jungunternehmerin Sevda Ünal: „Der Schritt in die Selbstständigkeit war die richtige Entscheidung“ | MiGAZIN

  2. Brandt sagt:

    Alles schön und gut – aber das reicht nicht. Eines der institutionellen Haupthindernisse für Diaspora Enterpreneurship ist ihre ungenügende Kapitalversorgung. Die Zuwanderer brauchen einfach eine gemeinsame Genossenschaftsbank. Praxiserfahrung haben für lokale Gründungen vor allem die us-amerikanischen Community Banks.

    Im Bereich der Diaspora Ventures im Herkunftsland gab es schlecht durchdachte Co-Development Konzepte in Frankreich und Spanien, bei der Sparkonten für Gründungen von Zuwanderern im Herkunftsland, Steuervergünstigungen bekamen. Für die Kapitalbeschaffung für Agrarbetriebe war Raiffeisen in Deutschland mit seinem Modell sehr erfolgreich.

    Die gesamte Organisation des Kapitalmarktes müßte man auf EU Ebene reorganisieren. In UK gibt es Venture Capital Trust, die starke Steuervergünstigungen auf Kapitalgewinne erhalten. Einige Fonds haben Ventures in ihrem Portfolio. Es gibt aber keine Venture Capital Fonds für Diaspora Ventures. Die Zuwanderer haben also kein professionelles Risikomanagement für Gründungsvorhaben in der City Of London. Das müssen Sie dazu lernen, und sich mit etwa 30 Mio. Ausländern und Zuwanderern auf einen gemeinsamen Venture Capital Fonds einigen.

    Im Bereich der Mikrokredite gibt es Probleme, weil die Zuwanderer trotz Universitätszugang bisher noch nicht auf den Gedanken kamen, ihre informellen Kreditpraktiken innerhalb des sozialen Netzwerks in einen Mirokredit-Rahmen zu institutionalisieren.

    Die Migranten haben auch keine eigenen Business Inkubatoren. Insbesondere aus den USA & UK kann man eine Menge lernen, wie man Business Inkubatoren nutzt, um das Risiko des Scheiterns zu senken.

    Die Zuwanderer dürfen nicht so lange mit dem Import von ökonomischen Institutionen warten. Der deutsche Staat und die Handelskammern werden die Arbeit nicht machen.