
Angebot statt Drohung
Hilfswerke mahnen sachliche Debatte über syrische Flüchtlinge an
Ein Jahr nach dem Zusammenbruch des Assad-Regimes ist die Sicherheitslage in Syrien weiter instabil. Damit fehlen nach Auffassung von Hilfsorganisationen wichtige Grundvoraussetzungen für eine Rückkehr syrischer Flüchtlinge.
Von Jürgen Prause Montag, 08.12.2025, 10:33 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 08.12.2025, 10:04 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Hilfswerke fordern eine sachliche Debatte über die Flüchtlinge, die in Deutschland Schutz vor dem Bürgerkrieg in Syrien gesucht haben. Ein Jahr nach dem Zusammenbruch des Assad-Regimes bleibe die Sicherheitslage in Syrien instabil, erklärten Diakonie Deutschland, „Brot für die Welt“ und Diakonie Katastrophenhilfe am Sonntag in Berlin. Sieben Millionen Menschen seien innerhalb des Landes vertrieben. Es mangele an Wohnraum und Unterstützung. Aus der Union kam unterdessen die Forderung nach verstärkten Rückführungen nach Syrien.
„Der Schutz und die Unterstützung geflüchteter Menschen müssen weiterhin zentrale Leitlinien politischen Handelns bleiben“, mahnten die evangelischen Hilfswerke mit Blick auf Forderungen nach einer Rückführung syrischer Geflüchteter. Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch verwies darauf, dass viele Syrerinnen und Syrer längst Teil unserer Gesellschaft geworden seien. „Es braucht ein klares Signal, dass viele Menschen bleiben werden und hier nach wie vor willkommen sind. Sie sollten in erster Linie Bleibeperspektiven haben, statt sie zur Rückkehr nach Syrien aufzufordern.“
„Wichtige Voraussetzungen für eine Rückkehr fehlen“
Dagmar Pruin, Präsidentin von „Brot für die Welt“ und Diakonie Katastrophenhilfe, erklärte, die humanitäre und wirtschaftliche Lage in Syrien Land sei katastrophal. Bewaffnete Milizen stellten im ganzen Land eine ernsthafte Bedrohung für die Menschen dar. „Damit fehlen wichtige Grundvoraussetzungen für Rückkehrende, sich ein neues Leben in der Heimat aufzubauen“, unterstrich die Theologin. Wer Syrien für sicher erkläre, um Abschiebungen zu rechtfertigen, ignoriere die Verhältnisse vor Ort.
Der Leiter der Diakonie Katastrophenhilfe, Martin Keßler, erklärte, Syrien bleibe ein Jahr nach dem Sturz des Assad-Regimes ein Land in tiefer Not. Rund 16 Millionen Menschen seien dort auf Hilfe angewiesen, zwei Drittel der Bevölkerung. Trotz der angespannten humanitären Lage und zerstörter Städte seien bereits mehr als eine Million Syrer in ihre Heimat zurückgekehrt. Das zeige: „Es braucht keine Drohung zur Rückkehr, sondern konstruktive Angebote, gemeinsam mit Rückkehrwilligen den Wiederaufbau Syriens stärker in den Blick zu nehmen.“
CDU-Politiker Throm für verstärkte Abschiebungen
Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Alexander Throm (CDU), sagte unterdessen dem Nachrichtenportal Web.de News, die ursprünglichen Fluchtgründe Bürgerkrieg und Assad-Regime seien inzwischen weggefallen. „Deswegen müssen wir auch an die Rückkehr von Personengruppen denken, die erst kurz hier sind oder nicht gut integriert sind“, sagte Throm. Die Kosten für den deutschen Staat seien sehr hoch, mehrere Hunderttausend Syrer seien im Bürgergeld. Zugleich sprach Throm sich dafür aus, dass „bestens integrierte“ Syrer ein dauerhaftes Bleiberecht bekommen.
Die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Sonja Eichwede, sagte Web.de News, eine sehr große Zahl von Menschen aus Syrien sei in Deutschland hervorragend integriert. Unzählige arbeiteten in sozialversicherungspflichtigen Berufen und seien zum Beispiel als Ärztinnen und Ärzte unverzichtbarer Bestandteil unserer Gesellschaft geworden. Experten zufolge tragen diese Menschen mit ihren Beiträgen den Staat mit und finanzieren mitunter auch die Sozialsysteme.
Grüne halten Abschiebungen für falsch
Der innenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Marcel Emmerich, erklärte, es sei verantwortungslos, so zu tun, „als könnten übermorgen Hunderttausende dahin zurück, und daher sind auch Abschiebungen falsch“. Statt Ängste zu schüren, solle die Bundesregierung etwa den Wiederaufbau eines syrischen Rechtsstaats fördern und flexiblere Aufenthaltsrechte in Deutschland zusichern.
Diakonie-Präsident Schuch ergänzte, die Menschen, die sich eine Rückkehr nach Syrien vorstellen könnten, sollten die Möglichkeit zu Erkundungsreisen bekommen, ohne dass sie dadurch ihren Schutzstatus in Deutschland verlieren. (epd/mig) Aktuell Panorama
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