
BMI beruft Islamkritiker
Neuer „Islamismus“-Beraterkreis löst Zweifel und Kritik aus
Ein „Experten“-Gremium gegen Islamismus – besetzt mit Stimmen, die selbst durch islamfeindliche Aussagen auffallen? Der neue Beraterkreis des Innenministeriums sorgt für Zweifel, ob hier Extremismus bekämpft wird – oder das Misstrauen gegenüber Muslimen weiter geschürt.
Sonntag, 23.11.2025, 15:08 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 23.11.2025, 15:30 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Das Bundesinnenministerium hat einen neuen Beraterkreis zur Bekämpfung von Islamismus berufen. Aus der „Task Force Islamismusprävention“ wird der „Beraterkreis Islamismusprävention und Islamismusbekämpfung“, wie das Ministerium am Freitag mitteilte. Aufgabe des Gremiums unter Leitung des Parlamentarischen Staatssekretärs Christoph de Vries (CDU) soll die Erarbeitung eines Bund-Länder-Aktionsplans mit einem „ganzheitlich strategischen Ansatz“ sein, hieß es.
Dieser solle konkrete Handlungsempfehlungen in Themenfeldern wie Prävention und Repression im digitalen Raum, Aufklärung und Sensibilisierung öffentlicher Stellen, Islamismusfinanzierung und ausländische Einflussnahme enthalten, erklärte de Vries. Themen seien außerdem wissenschaftliche Grundlagenforschung zum Thema Islamismus, Förderung der Errichtung von Lehrstühlen, Radikalisierung und religiöses Mobbing an Schulen sowie islamistischer Antisemitismus. Zudem gehe es um die Errichtung einer „Dokumentationsstelle Politischer Islam“ nach dem österreichischen Vorbild, die allerdings fachlich wie inhaltlich umstritten ist.
Ministerium beruft 15 Fachleute
Es gehe darum, den „islamistischen Extremismus“ als Nährboden für Terrorismus in den Blick zu nehmen, hieß es. Dafür werde der Beraterkreis künftig ein breiteres Themenspektrum abdecken. Die bisherige, vor gut einem Jahr eingerichtete Task Force fokussierte sich auf das Thema Online-Radikalisierung.
Für den neuen Beraterkreis hat das Ministerium 15 Expertinnen und Experten berufen. Dazu gehören der Leiter des Zentrums für Islamische Theologie an der Universität Münster, Mouhanad Khorchide, der Extremismus-Experte und Psychologe Ahmad Mansour, der Migrationsforscher Ruud Koopmans, die Integrationsbeauftragte des Berliner Bezirks Neukölln, Güner Balcı, und der Bundesvorsitzende der Kurdischen Gemeinschaft Deutschland, Ali Ertan Toprak.
Özoğuz: Geht es um Islamismus oder um Muslime?
Die frühere Bundestagsvizepräsidentin und SPD-Abgeordnete Aydan Özoğuz stellt im Hinblick auf die Personalien im Kurznachrichtendienst X infrage, dass es um Islamismus geht. „Geht es um Islamismus oder eher pauschal um Muslime, wenn von einem Expertenkreis mehrere ausgrenzende und herabwürdigende Äußerungen gegenüber Muslimen bekannt sind?“, fragt die SPD-Politikerin. Einige der in den Expertenkreis berufenen Personen waren in der Vergangenheit wiederholt mit islamfeindlichen Aussagen aufgefallen.
Özoğuz kritisiert zudem die Aussage des Staatssekretärs de Vries. Er hatte Medienberichten zufolge erklärt, „man wolle der Erzählung, Muslime seien Opfer einer rassistischen Mehrheitsgesellschaft, etwas entgegensetzen“. Özoğuz schreibt dazu: „Man könnte die NSU Familien oder die Hanauer Angehörigen mal fragen, ob die Diskriminierungen und der Hass nur eingebildet waren. Antimuslimischer Rassismus ist eine bittere Realität in unserem Land und darf nicht im Kampf gegen Islamismus relativiert werden.“
Ahmet Şenyurt, Fernsehjournalist und Autor, ist der Meinung, dass einige der sogenannten Experten „ungeeignet und unterqualifiziert“ sind. „Es geht diesen Kräften nicht um Aufklärung, sondern um Meinungsmache und die Kommerzialisierung der eigenen Meinung. Dem Staatssekretär geht es um Polarisierung, nicht um Differenzierung“, schreibt Şenyurt im X.
Grüne befürchten Schwächung der Islamkonferenz
Die Religionsbeauftragte der Grünen im Bundestag, Lamya Kaddor, kritisierte, dass das Innenministerium mit den Berufungen den Kontakt zum umstrittenen Netzwerk „Arbeitskreis Politischer Islam“ intensiviere. Das Netzwerk versteht sich als überparteilicher Zusammenschluss, der über den „Politischen Islam“ aufklären will, wobei der Terminus umstritten ist. Zum Netzwerk gehören unter anderem die in den Beraterkreis berufenen Mansour, Koopmans und Toprak, die sich bislang als Islamkritiker einen Namen gemacht haben.
Kaddor befürchtet nach eigenen Worten, dass die von dem Netzwerk infrage gestellte Deutsche Islamkonferenz „droht, zunehmend einzuschlafen“. Sie sei in den vergangenen Jahrzehnten eine wichtige Plattform des Austausches zwischen Islamverbänden und Stimmen aus Zivilgesellschaft und Forschung gewesen. Nach sechs Monaten Regierungszeit des neuen Innenministers seien weder die programmatische noch die politische Ausrichtung der Islamkonferenz erkennbar, kritisierte die Grünen-Politikerin. Stattdessen seien die Mittel gekürzt worden.
Dobrindt: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland.“
Die Deutsche Islamkonferenz war 2006 vom damaligen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) für den Austausch zwischen Staat und Muslimen gegründet worden. Auf das Gremium gehen unter anderem die Gründung von Lehrstühlen für islamische Theologie sowie die Etablierung muslimischen Religionsunterrichts und einer Imam-Ausbildung in Deutschland zurück.
Im Jahr 2018 sagte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt, damals CSU-Landesgruppenchef im Deutschen Bundestag: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland.“ (epd/mig) Leitartikel Politik
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