
Petition und Strafanzeige
Kritik an Merz‘ „Stadtbild“-Äußerung nimmt zu
Die Kritik an Bundeskanzler Merz zu seiner „Stadtbild“-Äußerung reißt nicht ab: Eine Petition erreichte bereits 140.000 Unterschriften. Eine Hamburger Rechtsanwältin fordert auf Instagram zu Strafanzeigen gegen Merz auf. Gegenwind bekommt Merz inzwischen auch von seinem Vize.
Mittwoch, 22.10.2025, 18:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 22.10.2025, 18:25 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Gegen die Äußerung von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) zu vermeintlichen „Problemen im Stadtbild“ gibt es weiterhin Kritik aus Gesellschaft und Politik. Eine Petition sammelte innerhalb eines Tages mehr als 100.000 Unterschriften. Wie ein Pressesprecher der Berliner Staatsanwaltschaft bestätigte, ging zudem eine Strafanzeige wegen möglicher Volksverhetzung gegen Merz ein.
Diese wird laut Staatsanwaltschaft nun geprüft. Allein der Eingang einer Anzeige bedeute nicht, dass ermittelt wird. Die Hamburger Rechtsanwältin Tuğba Sezer hatte zuvor auf Instagram eine fünfseitige Muster-Strafanzeige zur Verfügung gestellt.
Die am Dienstag gestartete Petition unter dem Titel „Wir sind die Töchter“ gegen eine weitere Äußerung von Merz erreichte bis Mittwochnachmittag knapp 140.000 Unterschriften. „Strukturelle Gewalt gegen Frauen ist das Problem“, erklärte die Initiatorin Cesy Leonard, Gründerin der Aktionskunstgruppe „Radikale Töchter“. Diese Gewalt finde fast immer im eigenen Zuhause statt, die Täter seien „nicht irgendwelche Menschen im Stadtbild“, sondern Ehemänner, Väter oder ehemalige Partner. Zu den Unterstützerinnen zählen den Angaben zufolge etwa die Klimaaktivistin Luisa Neubauer und die Schauspielerin Marie Nasemann („Armans Geheimnis“).
Klingbeil kontert Merz
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) bekommt inzwischen auch Gegenwind von Vizekanzler Lars Klingbeil. „Wir müssen als Politik auch höllisch aufpassen, welche Diskussion wir anstoßen, wenn wir auf einmal wieder in wir und die unterteilen, in Menschen mit Migrationsgeschichte und ohne“, sagte der SPD-Chef auf einem Kongress der Gewerkschaft IGBCE in Hannover.
„Ich sage euch sehr klar, ich möchte in einem Land leben, in dem Politik Brücken baut und Gesellschaft zusammenführt, statt mit Sprache zu spalten“, sagte Klingbeil weiter. „Und ich sage euch auch: Ich möchte in einem Land leben, bei dem nicht das Aussehen darüber entscheidet, ob man ins Stadtbild passt oder nicht.“ Das heiße nicht, dass es keine Probleme gebe, sagte der Bundesfinanzminister. „Aber ich möchte auch, dass wir begreifen, dass die Vielfalt, die wir heute haben, dass das eine Stärke ist in diesem Land.“
Memes, Reels und TikToks
Kritik erntet Merz auch zunehmend von Promis. Enthüllungsjournalist Günter Wallraff appelliert an Merz: „Gehen Sie in sich! Besinnen Sie sich auf das ‚C‘ in Ihrem Parteinamen.“ Mit seiner Aussage stigmatisiere er ganze Bevölkerungsgruppen aufgrund ihrer Herkunft und Hautfarbe. Komikerin Carolin Kebekus sagte im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur: „Ich bin ja auch Tochter. Und ganz ehrlich – das größte Problem, das ich mit dem Stadtbild habe: E-Roller.“
Ähnliche Kommentare in Form von Memes, Reels und TikToks werden derzeit in den sozialen Netzwerken x-fach geteilt. Da fährt der Kanzler im „Merz-Mobil“ durch die Stadt und sammelt Migranten ein. Eine Familie verlässt ihre Wohnung, frei nach dem Motto: „Wir sind auf dem Weg, das deutsche Stadtbild zu ruinieren.“ Und Töchter stellen klar, dass es ihres Erachtens sexistische und chauvinistische Männer sind, die nicht ins Stadtbild passen.
Merz‘ umstrittene Aussage
Merz war vergangene Woche mit einer Äußerung über die Migrationspolitik in die Kritik geraten. Ihm zufolge gebe es „im Stadtbild noch dieses Problem“. Die Äußerung wurde in sozialen Netzwerken kritisiert, weil sie als Ablehnung von Migranten gewertet wird. Auf die Frage eines Journalisten am Montag, was er damit konkret gemeint habe, sagte Merz, der Journalist solle, wenn er Töchter habe, diese fragen. „Ich vermute, Sie kriegen eine ziemlich klare und deutliche Antwort“, sagte Merz, ohne wiederum selbst zu präzisieren, was er konkret als Problem versteht.
Am Dienstagabend demonstrierten gegen diese Aussage nach Veranstalterinnenangaben bis zu 7.500 Personen unter dem Motto „Wir sind die Töchter“ vor der CDU-Zentrale in Berlin. Die Polizei sprach von bis zu 2.500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.
Kriminologe: Merz‘ Angst unbegründet
Laut dem Kriminologen Thomas Bliesener liegt die Gefahr, dass Frauen Gewalt durch Männer erfahren, in den eigenen vier Wänden deutlich höher als auf der Straße. Er hält die „Stadtbild“-Äußerung von Merz für wenig zielführend. „Der Kanzler spricht von einer zunehmenden Angst vor Gewaltkriminalität, die ich nicht erkennen kann“, sagte der Direktor des in Hannover ansässigen Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst.
Mehrere Studien belegten, dass die Kriminalitätsfurcht abnehme und deutlich hinter der Angst vor steigenden Lebenshaltungskosten, Wohnungsverlust, Überforderung des Staates durch Geflüchtete oder autoritären Herrschern weltweit liege. Die Beunruhigung durch Kriminalität steige kurzfristig immer dann, wenn über einzelne Gewalttaten in den Medien berichtet werde, sagte der Direktor: „Da kocht die Volksseele hoch. Die Aufregung ebbt dann aber auch schnell wieder ab.“ (dpa/mig) Leitartikel Politik
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