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Herbert Brücker im Gespräch

Experte kritisiert Aus der beschleunigten Einbürgerung

Forscher Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) kritisiert das Aus der schnelleren Einbürgerung. Dadurch werde die Einwanderung von Fachkräften beeinträchtigt, sagt er im Gespräch. Er sieht eine Verschlechterung des politischen und gesellschaftlichen Klimas für Migranten.

Von Dienstag, 21.10.2025, 17:44 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 21.10.2025, 13:19 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Kritiker sehen in der jetzigen Reform des Staatsangehörigkeitsgesetzes, die Verlängerung der Einbürgerungsfrist wieder auf fünf Jahre, ein fatales integrationspolitisches Signal ausgesendet. Halten Sie diese Sicht für schlüssig?

Herbert Brücker: Grundsätzlich hilft die Einbürgerung der Integration. Eingebürgerte Menschen erreichen nicht nur genauso hohe oder höhere Erwerbstätigenquoten wie die deutsche Bevölkerung. Sie beziehen auch geringere Sozialleistungen. Eine Behinderung der Einbürgerungschancen wirkt deshalb negativ.

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Wie relevant für das Einbürgerungsgeschehen ist die jetzige Reform?

Die Abschaffung der Einbürgerungsmöglichkeit nach drei Jahren trifft nur einen sehr kleinen Kreis, in der Regel hochqualifizierte Personen mit exzellenten Deutschsprachkenntnissen, die ökonomisch gut gestellt sind und die sich zudem im Bildungssystem oder durch ehrenamtliches Engagement ausgezeichnet haben. Es geht, nach den vorliegenden Informationen, wohl nur um einige hundert Personen pro Jahr. Insofern sind die materiellen Auswirkungen auf die lebende Migrationsbevölkerung gering, es geht eher um eine symbolische Maßnahme.

Die Befürworter der Reform sagen dagegen, nachhaltige Integration und gesellschaftliche Teilhabe brauche Zeit und sollte nicht zu früh mit der Vergabe der Staatsbürgerschaft „belohnt“ werden. Ist das nachvollziehbar?

Es stimmt, dass Integration in der Regel Zeit braucht. Deshalb kommt es auf die Kriterien für die Einbürgerung an. Die meisten Menschen brauchen länger, bis sie die deutsche Sprache gut oder sehr gut sprechen, erfolgreich im Arbeitsmarkt sind und auch sozial teilhaben. Darum macht im Regelfall eine spätere Einbürgerung Sinn. Aber warum soll jemand, der eine deutsche Schule im Ausland besucht hat, perfekt Deutsch spricht, überdurchschnittlich verdient und sich sozial engagiert nicht schon früher eingebürgert werden? Das ist das, was andere Einwanderungsländer, mit denen wir im Wettbewerb stehen, machen. Es kommt deshalb auf den erreichten Integrationsstand an, nicht auf die Aufenthaltsdauer.

Deutschland braucht aus demografischen Gründen wie viele andere EU-Länder auch in Zukunft Hunderttausende hochqualifizierte Zuwanderer pro Jahr. Wäre da die beschleunigte Einbürgerung nicht der richtige Weg gewesen, Hürden zu senken?

Wir brauchen eine Nettozuwanderung von 400.000 Personen pro Jahr, das entspricht etwa 1,6 Millionen Zuzügen, um das Erwerbspersonenpotenzial zu stabilisieren. Inzwischen haben wir einen negativen Wanderungssaldo mit der EU, sodass diese Menschen aus Drittstaaten kommen müssen. Dafür müssen wir Anreize schaffen. Neben wirtschaftlichen Faktoren spielt die Frage einer gesicherten Bleibeperspektive auch eine zentrale Rolle. Die Option einer schnelleren Einbürgerung kann dabei helfen, ist aber nicht entscheidend. Nur wenn die Bundesregierung und der Gesetzgeber mit deren Abschaffung das Signal senden wollen, dass eigentlich weniger Migration gewollt ist, wird es problematisch.

Geht man davon aus, dass auch die Nachbarländer um Zuwanderer werben, dann ist diese Reform nur schwer zu vermitteln. Nehmen potenzielle Migranten in aller Welt diese neuen Restriktionen überhaupt zur Kenntnis?

Die Menschen im Ausland kennen sicher nicht jedes Detail des deutschen Aufenthaltsrechts. Sie nehmen aber die Stimmung und die zentralen Regelungen sehr sensibel war. So ist Deutschland als Zielland der ersten Wahl in der weltweiten Gallup-Befragung, die die Migrationsabsichten erhebt, 2024 deutlich zurück gefallen. Ich glaube zwar nicht, dass eine einzelne Maßnahme große Auswirkungen hat, aber es kommt auf das Gesamtkonzert an.

Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) sagte in der Debatte im Bundestag: „Der deutsche Pass muss als Anerkennung für gelungene Integration zur Verfügung stehen und nicht als Anreiz für illegale Migration.“ Ist es nicht eher so, dass eine schnelle Einbürgerung ein starker Anreiz für Integration ist?

Die These des Ministers ist sachlich schwer haltbar. Herr Dobrindt meint wahrscheinlich Asylbewerberinnen und Asylbewerber. Sie müssen zunächst die Asylverfahren durchlaufen, dann kommen alle anderen Hürden wie exzellente Deutschsprachkenntnisse, gute Verdienste und besondere Leistungen im Bildungs- und Ausbildungssystem und Ehrenamt noch hinzu. Das ist in drei Jahren nicht zu schaffen. Die Regelung richtet sich an einen anderen Personenkreis. Schließlich gibt es keinerlei empirische Evidenz für die Behauptung, dass durch die beschleunigte Einbürgerungsoption die Zahl von Asylanträgen steigt.

Wird die Reform merklichen Einfluss auf die Zahlen der Einbürgerungen haben?

Ich vermute nicht, in aller Regel erfolgt die Einbürgerung nicht vor Ablauf der Fünfjahresfrist. Viel wichtiger ist, dass die zuständigen Behörden die Anträge schneller bearbeiten, so dass die gesetzlich vorgesehenen Fristen auch praktisch wirksam werden. Ich mache mir größere Sorgen, dass die Einwanderung von Fach- und Arbeitskräften, die wir dringend brauchen, beeinträchtigt wird. Die Reform ist nur ein kleiner Mosaikstein. Aber wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Verschlechterung des politischen und gesellschaftlichen Klimas für Migrantinnen und Migranten Auswirkungen hat, auch auf die Einwanderung von Fachkräften. (epd/mig) Aktuell Interview Wirtschaft

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