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Zohreh Shirazi © privat, Zeichnung: MiG

Irans Kampf um Wasser

Wenn Flüsse verschwinden

Menschen im Iran kämpfen ums nackte Überleben. Flüsse sind versiegt, Böden geborsten, ganze Dörfer verlassen – der Klimawandel ist dort längst keine Debatte mehr, sondern bittere Gegenwart.

Von Dienstag, 21.10.2025, 17:11 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 19.10.2025, 16:29 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Es ist später Nachmittag in Isfahan. Die Sonne brennt, der wind trägt Staub über das leere Flussbett. Früher glitzerte hier der Zayandeh Rud. Familien saßen am Ufer, Kinder spielten. Heute? Nichts. Nur Risse im Boden. „Früher haben wir hier Enten gefüttert“, murmelt ein älterer Mann. Er schüttelt den Kopf.

Seit Jahren verschwindet das Wasser im Iran. Der Urmiasee, einst berühmt, fast weg. Feuchtgebiete in Khuzestan? Nur noch Salz und Staub. Und jetzt Isfahan.

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Die Regierung spricht vom Klimawandel. Viele Menschen glauben das nicht. Sie reden von falschen Entscheidungen, von Verschwendung. „Wir haben immer mit wenig Wasser gelebt“, sagt Hassan, ein Bauer. „Aber dass es gar keins mehr gibt? Das gab es noch nie.“

November 2021. Bauern aus der Region kommen nach Isfahan. Mit Traktoren, mit Transparenten. Sie schlagen Zelte auf. Mitten im ausgetrokneten Flussbett. Im Zayandeh Rud. „Ohne Wasser kein Leben!“, ruft einer ins Megafon.

Die Leute hören zu, tagelang, in der Höffnung auf Veränderung, die ihnen endlich eine Zukunft hier ermöglicht. Familien bringen Essen. Studenten helfen beim Organisieren. Aber dann? Sicherheitskräfte kommen. Reißen Zelte ab. Verhaften einige. Die Bilder bleiben. Auf Social Media. In den Köpfen.

„Wasser kommt nur stundenweise. Manchmal morgens. Manchmal nachts. Manchmal gar nicht.“

In Yazd, Kerman, Khuzestan: Wasser kommt nur stundenweise. Manchmal morgens. Manchmal nachts. Manchmal gar nicht. Die Leute füllen Eimer, Tanks, Kanister. Wer Geld hat, kauft Flaschenwasser. Wer nicht, läuft. Kilometerweit. Eine Frau aus Iwes Dorf: „Manchmal komt der Tankwagen erst nach zwei Tagen. Und wenn er leer ist, haben wir pech.“

In Khuzestan stehen Büffel in schlammigen Pfützen. Früher waren es Seen. Die Regierung zeigt auf die Dürre. Die Leute zeigen auf die Regierung. „Das Wasser geht in die Fabriken, nicht zu uns“, schimpft ein alter Mann. „Und wir sollen einfach zusehen.“

Tatsächlich: Stahlwerke, Zuckerrohrplantagen – riesiger Verbrauch. Aber ob es ohne sie besser wäre? Wer weiß das schon?

Experten warnen seit Jahren. „Wir verlieren Millionen Kubikmeter Wasser durch veraltete Bewässerung“, sagt eine Hydrologin aus Teheran. Sie fordert Tropfbewässerung. Recycling in der Industrie. Keine neuen Staudämme ohne Umweltprüfung. Alles richtig. Nur: Es passiert wenig.

„Wenn die Umwelt kollabiert, kollabiert auch die Gesellschaft.“

Kein Wasser bedeutet keine Ernte. Kein Job. Keine Geduld. In Khuzestan gab es schon mehrere Proteste. Manche Dörfer sind halb leer. Die Menschen ziehen weg. Eine Soziologie sagt: „Wenn die Umwelt kollabiert, kollabiert auch die Gesellschaft.“

Es gibt Pläne: Entsalzungsanlagen am Persischen Golf, Wassertransfers aus dem Kaspischen Meer. Teuer. Kompliziert. Vielleicht zu spät.

Die Sommer werden heißer. Die Flüsse leerer. Die Menschen wütender. „Wir wollen nicht wegziehen“, sagt Hassan. „Aber wie sollen wir hier bleiben?“

Abends auf der Khaju Brücke. Touristen machen Fotos. Kinder spielen im Staub. Und unten? Kein Wasser. Keine Fische. Nur Stille.

Ein Fluss, der Jahrhunderte lang Leben schenkte, ist selbst zum Opfer geworden. Meinung

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