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Handschelle am Gitter (Symbolfoto) © de.depositphotos.com

Rassismus-Vorwürfe

15-jähriger Schwarzer begeht Suizid im JVA

Der Suizid eines 15-jährigen Schwarzen in der Justizvollzugsanstalt Ottweiler ist Thema einer Ausschuss-Sondersitzung im Saar-Landtag. Es gibt neue Details. Eine zentrale Frage bleibt: Ging dem Selbstmord Rassismus durch JVA-Bedienstete voraus?

Dienstag, 12.08.2025, 13:58 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 12.08.2025, 13:58 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Nach dem Tod eines Jugendlichen in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Ottweiler beschäftigen Vorwürfe von Gewalt und Rassismus Politik und Justiz im Saarland. Die saarländische Justizministerin Petra Berg (SPD) hat eine „vollständige und lückenlose Aufarbeitung der Geschehnisse“ versprochen. „Die im Raum stehende Vorwürfe sind sehr gravierend und wir nehmen sie ernst“, sagte Berg nach einer Sondersitzung des Justizausschusses des Landtags am Dienstag in Saarbrücken. Die Betroffenheit in dem Fall ist groß.

Es habe in der knapp zweistündigen nicht öffentlichen Sitzung „keinerlei Anhaltspunkte“ für Rassismus-Vorwürfe gegen Justizbedienstete gegeben, sagte der oppositionelle CDU-Abgeordnete Christopher Salm. Ebenso wie Berg warnte auch Salm vor der Vorverurteilung von Justizbeschäftigten.

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Der Schwarze 15-Jährige nahm sich demnach am 1. August in der JVA Ottweiler das Leben. Nach dem Suizid des Jungen wurden Vorwürfe von Gewalt und Rassismus in der Haftanstalt laut. Die Obduktion des 15-Jährigen ergab „keine Hinweise auf Fremdeinwirkung“ und „keine äußeren Verletzungszeichen“, wie die Staatsanwaltschaft Saarbrücken mitteilte.

Insassen belasten JVA-Bedienstete

Am Tag nach dem Todesfall hatten Mitinsassen Vorwürfe gegen einzelne JVA-Bedienstete erhoben, den 15-Jährigen vor seinem Tod verletzt zu haben. Es kam zum Protest in der Haftanstalt: 17 Gefangene des Jugendvollzugs weigerten sich nach der Freistunde, in ihre Hafträume zurückzukehren. Es kam zu einem längeren Polizeieinsatz vor Ort. Nun laufen Vorermittlungen und Ermittlungen gegen Bedienstete wegen Körperverletzung im Amt.

Laut Salm war der Jugendliche in der JVA zunächst gesondert und „sicher verwahrt“ – auch mit Videoüberwachung – untergebracht. Er sei dort von Psychologen, Arzt und Sozialdienst engmaschig betreut worden. An dem Tag, an dem man seine Verlegung in den normalen Haftraum beschlossen habe, habe er sich das Leben genommen. Er sei zuvor fünf Wochen in der JVA untergebracht gewesen, sagte Salm.

Schwere Vorwürfe auch in sozialen Medien

In den sozialen Medien wird rassistische Gewalt für den Tod des 15-Jährigen verantwortlich gemacht. „Er war schwarz, minderjährig – und zuvor Gewalt durch Justizbeamte ausgesetzt“, heißt es in einem Spendenaufruf für die Familie. Es gebe „Hinweise, dass Nelson kurz vor seinem Tod getreten und geschlagen wurde – angeblich wegen eines gestohlenen Snacks“.

Die Vorwürfe wögen schwer: „Wie kann es sein, dass ein junger schwarzer Mensch so verzweifelt ist, dass er keinen anderen Ausweg sieht, als sich das Leben zu nehmen? Was für rassistischer Gewalt muss Nelson ausgesetzt gewesen sein?“, heißt zu der Aktion unter dem Titel „Gerechtigkeit für Nelson“.

CDU fordert Aufklärung

„Wir als CDU legen Wert darauf, dass der Vorfall auch im Rahmen der Suizidprävention eingehend aufgearbeitet wird, um darauf aufbauend Maßnahmen zu ergreifen, um solche Vorfälle in Zukunft zu vermeiden“, sagte der Politiker. Justizministerin Petra Berg (SPD) müsse die notwendige Transparenz gegenüber dem Parlament herstellen. Zur Frage, warum der 15-Jährige einsaß, wollte Salm mit Blick auf die nicht öffentliche Sitzung keine genauen Angaben machen.

Nur soviel: „Die Umstände, die dazu führen, dass ein 15-Jähriger überhaupt in der JVA in Deutschland oder im Saarland landet, die sind schon sehr, sehr hoch.“ Dafür seien „sehr viele Straftaten innerhalb kürzester Zeit von Körperverletzungen bis Wohnungseinbruchsdiebstählen“ nötig.

Linke fordern Reform

Auch die Saar-Grünen wollen eine „lückenlose Aufklärung“. Der Fall werfe schwerwiegende Fragen zum Zustand des saarländischen Justizvollzugs auf. „Der Tod eines Jugendlichen in staatlicher Obhut ist eine menschliche Tragödie“, sagte Grünen-Chef Volker Morbe. Wenn sich der Verdacht auf „institutionellen Rassismus“ erhärte, müssten politische und strukturelle Konsequenzen folgen.

Die Linke forderte „tiefgreifende Reformen im saarländischen Justizvollzug“. Neben einer unabhängigen Aufarbeitung seien eine bessere Suizidprävention, psychische Betreuung und eine grundsätzliche Reform der Haftbedingungen nötig – besonders für jugendliche Gefangene. Im Saarland gibt es eine SPD-Alleinregierung.

Ministerin spricht Familie Mitgefühl aus

Ministerin Berg sagte, der tragische Suizid des Jugendlichen habe sie zutiefst erschüttert. „Mein aufrichtiges Mitgefühl gilt der Familie und seinen Freunden in dieser sehr schweren Zeit.“ (dpa/mig) Aktuell Panorama

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