
Studie zeigt
Glücksspiel boomt – was macht der Staatsvertrag?
Für viele ist Glücksspiel ein netter Spaß nebenbei. Wer sich aber nicht zügeln kann, kann schnell in Spielsucht verfallen – insbesondere wenn um echtes Geld gespielt wird. Migranten sind überdurchschnittlich oft betroffen.
Dienstag, 01.07.2025, 0:33 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 02.07.2025, 16:38 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Glücksspiel in Deutschland nimmt immer weiter Fahrt auf. Immer mehr Deutsche spielen am Smartphone oder Laptop um echtes Geld. Klar ist: Die Langeweile der Covid-Lockdowns hat einen zusätzlichen Schub gebracht – doch auch im neuen Alltag bleiben die Umsätze hoch. Der neue Glücksspielstaatsvertrag sollte für klare Verhältnisse sorgen – doch die Realität ist anders.
Wie verläuft bisher das Zeitalter nach dem Glücksspielstaatsvertrag?
Seit dem Sommer 2021 gilt bundesweit ein neues Gesetz für Online-Spielautomaten, Poker, Sportwetten und andere Glücksspiele aus dem Netz. Die gemeinsame Behörde der Länder überwacht die Anbieter, vergibt bundesweite Lizenzen und geht gegen illegale Angebote vor. Das Marktvolumen in Deutschland stieg von 2,7 Milliarden Euro im Jahr 2020 auf über 3,3 Milliarden Euro im Jahr 2022.
Aber mit der Legalisierung wächst auch die Konkurrenz. Viele Spielerinnen und Spieler vergleichen Offerten, Boni und Spiele. Die Suche nach Anbietern mit Echtgeld etwa erreichte 2023 laut Google Trends sogar Rekordniveau. Als die Hauptzielgruppe der Branche gelten insbesondere junge Erwachsene im Alter von 18 bis 35 Jahren.
Die Behörde plant, ihre Kontrollen noch einmal zu verschärfen. So soll ein zentrales Register für Spielerinnen und Spieler dafür Sorge tragen, dass diese nur noch bei einem Anbieter ein Konto besitzen können. Außerdem müssen die Anbieter künftig verpflichtend Höchsteinsätze festlegen und Maßnahmen zum Spielerschutz, wie etwa Einzahlungslimits oder Spieldauerbeschränkungen, zur Verfügung stellen.
Gesellschaftliche Trends: Wer spielt online?
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung erhebt regelmäßig Zahlen zum Spielverhalten. Demnach hat fast jede vierte Person zwischen 18 und 70 Jahren schon einmal online um Geld gespielt. Männer sind doppelt so häufig aktiv wie Frauen. Besonders beliebt sind Sportwetten und virtuelle Slots.
Einige Trends:
- 60 % der regelmäßigen Spieler nutzen mindestens einmal pro Woche ein Glücksspielangebot online.
- Fast 80 % spielen mobil — Tendenz steigend.
- Viele Spieler kombinieren verschiedene Spiele-Formen und -Arten.
Zudem zeigt sich: Wer früh anfängt, bleibt meist länger dabei. Viele fangen mit Sportwetten an und wechseln später zu anderen Spielen. Laut der Bundeszentrale spielt der soziale Aspekt eine Rolle: Freunde oder Bekannte geben oft den Anstoß. In sozialen Netzwerken finden sich Gruppen, die Tipps austauschen und neue Seiten empfehlen. Neben den legalen Angeboten locken weiterhin illegale Plattformen ohne Lizenz.
Diese Seiten bieten oft höhere Einsätze, kaum Limits und aggressive Boni. Genau hier liegt ein großes Risiko für Spieler mit problematischem Verhalten, da Schutzmaßnahmen fehlen und Gewinne oft unsicher sind.
Migrations- und Integrationsperspektiven im Kontext Glücksspiel
Die Bundesämter warnen seit Jahren: Menschen mit Migrationshintergrund stoßen auf zusätzliche Hürden. Sprachprobleme, kulturelle Unterschiede und mangelnde Aufklärung erhöhen das Risiko für Spielsucht.
In Integrationskursen spielt das Thema kaum eine Rolle. Viele Zuwanderer wissen nicht, welche Angebote legal sind und welche nicht. Beratungsstellen berichten, dass gerade junge Migranten häufig in mit Echtgeld zocken, ohne sich über Sperrsysteme oder Limits zu informieren.
„Wir brauchen Aufklärung in mehreren Sprachen und niedrigschwellige Hilfe“, sagt eine Beraterin der Caritas in Hamburg. Pilotprojekte in Berlin und Nordrhein-Westfalen versuchen, diese Lücke zu schließen. Broschüren in Türkisch, Arabisch oder Russisch sollen helfen, doch der Bedarf ist größer als das Angebot.
Verbraucheraufklärung und rechtlicher Rahmen
Der Kampf gegen illegale Angebote gleicht dem sprichwörtlichen Kampf gegen Windmühlen. Immer wieder tauchen neue Plattformen auf, oft im Ausland registriert, kaum greifbar für deutsche Behörden.
Für Verbraucher heißt das: Augen auf bei der Anbieterauswahl! Ein seriöses Angebot zeigt seine Lizenznummer gut sichtbar an, stellt Nutzungsbedingungen auf Deutsch bereit und bietet Support in deutscher Sprache. Zudem gilt: Maximal 1.000 € Einzahlung pro Monat und Pflicht zur Verifizierung.
Die Bundeszentrale bietet Tests an, mit denen Spieler ihr Risiko prüfen können. Auch Hotlines stehen rund um die Uhr bereit. Doch viele nutzen diese Angebote nicht — aus Scham oder Unwissenheit.
Perspektiven für die Zukunft: Sicherheit und Prävention
Experten sind sich einig: Ganz ohne Glücksspiel wird es nicht gehen. Stattdessen muss der Fokus auf Prävention liegen. Drei Stellschrauben gelten als entscheidend:
- Strikte Kontrollen: Betreiber, die gegen Auflagen verstoßen, verlieren ihre Lizenz. Mehr Kontroll-Personal gegen Verstöße und schnellere Ahnung.
- Mehr Transparenz: Ein zentrales Sperrsystem schützt gefährdete Spieler. Sperren wirken flächendeckend, Schlupflöcher werden geschlossen.
- Bessere Aufklärung: Schulen, Sportvereine und Migrantenorganisationen sollen stärker eingebunden werden. Prävention muss dort ansetzen, wo Menschen erreicht werden, am besten schon vor dem ersten Spiel.
Einige Bundesländer fordern zusätzlich ein Werbeverbot für riskante Spiele im Internet. Andere Länder, wie die Niederlande, sind hier schon einen Schritt weiter und verbieten Werbung für solche Anbieter im Fernsehen und Radio, um besonders Jugendliche besser zu schützen.
Fazit: Spielspaß ja, aber sicher
Das Glücksspiel bleibt in Deutschland ein heißes Eisen. Die Zahlen steigen, die Einnahmen sprudeln — doch gleichzeitig wächst die Verantwortung. Wer mit Echtgeld spielt, muss sich gut informieren und Grenzen setzen. Staat, Anbieter und Gesellschaft müssen gemeinsam dafür sorgen, dass Spielspaß nicht in Sucht umschlägt.
Integration, Prävention und klare Regeln sind dabei keine Gegensätze, sondern Bedingung für einen funktionierenden Markt. Der Glücksspielstaatsvertrag ist ein wichtiger Anfang — ein Anfang. (em)
Panorama
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