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Stacheldraht © JarkkoManty @ pixabay.com (CC 0), bearb. MiG

Druck auf Ausländerbehörden

„Man merkt immer mehr, es soll abgeschoben werden.“

Mehr und mehr ausreisepflichtige Menschen landen in Abschiebehaft. Sie sind teilweise bis zu einem Jahr untergebracht, sagen Kritiker. Nur ein kleiner Teil seien Straftäter. Die Haftanstalten suchen händeringend Bedienstete.

Von Dienstag, 16.12.2025, 10:45 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 16.12.2025, 10:45 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

„Wir erleben zurzeit einen enormen Druck auf die Ausländerbehörden“, sagt Frank Gockel vom Verein „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft in Büren“. Die „Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige“ (UfA) in einem Waldgebiet weit ab vom Zentrum der ostwestfälischen Kleinstadt werde ständig voller. „Man merkt immer mehr, es soll abgeschoben werden.“

Deutschlands größte Abschiebehaftanstalt hat 175 Plätze in ihren Zellen. „Bis zu 160 sind dort untergebracht“, erklärt Gockel. Das bestätigt auch die zuständige Bezirksregierung Detmold. Ein Großteil der Insassen sei aus Nordafrika, aus Algerien oder Marokko. Aber auch aus dem Irak oder Afghanistan stammen viele der Menschen. Bewacht und versorgt werden sie von 125 Mitarbeitenden.

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Einzelne mehr als sechs Monate in der Einrichtung

Seit 30 Jahren besucht Frank Gockel die Häftlinge in der Bürener Einrichtung. Er und die anderen Vereinsmitglieder bieten vor allem rechtliche Hilfe an. Laut dem „Rückführungsverbesserungsgesetz“ des Bundes sollte der Ausreisegewahrsam nur 28 Tage dauern. „Aber das ist keinesfalls immer so“, berichtet Gockel. „Es gibt immer mehr Einzelfälle, die über sechs Monate hier sind.“ Er kenne auch Menschen, die etwa ein Jahr hier festgesessen hätten. Gleichzeitig kämen immer mehr neue Fälle rein. Dabei fehle der Anstalt das Personal.

Den Druck können auch die Behörden nicht von der Hand weisen: „Im Schnitt verbringen die Männer 29,1 Tage in der UfA Büren, in 2024 waren dies 22,7 Tage“, teilt die Bezirksregierung mit. Es sei „herausfordernd“, neues Personal zu finden. Neben der Versetzung von ausgebildeten Beamten aus anderen Bereichen „richtet sich eine Ausschreibung gezielt an pensionierte Vollzugs- und Polizeibeamte“.

Bundesweit 790 Abschiebehaftplätze

Die Belegungszahlen hätten sich „unter anderem durch politische Entscheidungen sowohl auf EU-, Bundes- als auch nicht zuletzt auf Länderebene erhöht“, sagt eine Sprecherin des NRW-Flüchtlingsministeriums auf epd-Anfrage. Es gebe bundesweit einen gestiegenen Bedarf an Haftplätzen: „Ebenso sind die Kapazitäten der anderen Bundesländer regelmäßig ausgeschöpft.“ Bundesweit stünden insgesamt 790 Abschiebehaftplätze zur Verfügung.

Die Einrichtung in Büren ist nach Angaben des „Bundesfachverbands zur Unterstützung von Menschen in Abschiebehaft“ bundesweit eine von 15 Abschiebehaft-Einrichtungen. Aber weitere sollen folgen. So plant NRW eine zweite „Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige“ in Mönchengladbach. In Sachsen-Anhalt entsteht ein Bau in Volkstedt. In Thüringen wurde eine Einrichtung im August eröffnet.

Allein zwischen 2021 und 2024 sind die Inhaftnahmen in den vorhandenen Anstalten um 63 Prozent gestiegen, hat eine Untersuchung des Mediendienstes Integration mit der Universität Hamburg kürzlich ergeben.

Pro Asyl: „Nur ein kleiner Teil sind Straftäter“

„Pro Asyl“ beklagt den großen Abschiebedruck. „Es gibt eine zunehmende Brutalisierung der Zugriffe“, sagt die rechtspolitische Sprecherin der Flüchtlingshilfsorganisation, Wiebke Judith. „Im Vergleich zu früher wird der bestehende Spielraum bei den Ausländerbehörden nicht mehr positiv für die Betroffenen genutzt.“ Es sei auch nicht so, dass es in der Hauptsache Kriminelle treffe, wie von der Politik oft behauptet werde: „Nur ein kleiner Teil sind Straftäter.“

Diese Erfahrung hat auch Berater Frank Gockel beim Hilfsverein in Büren gemacht: „Vielleicht sind ein Fünftel unserer Fälle Menschen, die eine Straftat begangen haben.“ Er kenne aber viele Fälle, in denen Menschen aus Krankenhäusern oder Schulen heraus abgeschoben worden seien. Es gehe vielfach um Menschen, die sich integriert und gearbeitet hätten. „Das trifft auch zum Beispiel Jesiden, denen man ja eigentlich einst Schutz gewähren wollte, oder Menschen, die überhaupt keinen kriminellen Hintergrund haben. Die Behörden nehmen jeden, den sie kriegen können“, schildert Gockel. „Die stehen unter erheblichem Druck.“ (epd/mig) Leitartikel Panorama

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