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Außenminister Johann Wadephul (CDU) © Odd Andersen/AFP

Wadephul im Gespräch

„Ich sehe in jedem Geflüchteten einen Menschen, der meine Nächstenliebe verdient“

Zwischen Weltpolitik und Weihnachtsbotschaft – Außenminister Johann Wadephul im Gespräch über Krieg und Hoffnung, Glauben und Diplomatie – und über Migration, Geflüchtete, Abschiebungen nach Syrien sowie den schwierigen Spagat zwischen Nächstenliebe und politischer Verantwortung.

Von und Sonntag, 14.12.2025, 13:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 14.12.2025, 13:28 Uhr Lesedauer: 8 Minuten  |  

Herr Minister, in wenigen Tagen ist Weihnachten. „Friede auf Erden“ heißt die Botschaft der Weihnachtsgottesdienste. Wie hoffnungsvoll sind Sie in diesen Zeiten?

Johann Wadephul: Ich bin prinzipiell von einer großen Zuversicht getragen. Und das Jahr hat gezeigt: Es gibt durchaus Möglichkeiten, Konflikte beizulegen oder zumindest zur Ruhe zu bringen, wenn auch manchmal auf ungewöhnliche Art und Weise. Das gilt im Rückblick für den Krieg im Gaza-Streifen. Und aktuell sind wir in intensivsten Bemühungen, auch für die Ukraine zu einer Lösung zu kommen.

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Was erwarten Sie für die nächsten Tage bei den Gesprächen?

Ich habe Hoffnung. Gleichzeitig kann man natürlich nicht leugnen, dass die Risiken nach wie vor sehr groß sind. Denn noch ist ein wirklicher Wille des russischen Präsidenten Wladimir Putin nicht zu erkennen, den Krieg zu beenden. Und auf diesen Willen kommt es an, denn Putin ist der Aggressor. Er hat den Krieg begonnen, es ist an ihm, diesen Krieg zu beenden. Das muss bei allen Diskussionen dieser Tage klar sein.

Was wünscht sich Johann Wadephul privat für die Weihnachtstage?

Ehrlich gesagt, vor allem Ruhe. Und Zeit mit der Familie.

Sie sind seit Mai Außenminister. Werden Sie denn in diesem Jahr Weihnachten anders feiern als früher?

Grundsätzlich wird Weihnachten für mich kein anderes Fest sein. Wir schenken uns einander: Wir sind in der Familie zusammen, und wir gehen gemeinsam in die Gottesdienste. Diese gemeinsame Zeit ist vielleicht noch etwas wertvoller geworden. Meine Schwiegereltern leben noch, wir haben drei Kinder, das dritte Enkelkind ist gerade unterwegs. Das ist eine große Familie, und mit der zusammen zu sein, das ist für mich das Zentrum meines Lebens. Das steht für mich auch im Mittelpunkt des Weihnachtsfestes.

Gibt es ein traditionelles Weihnachtsgericht bei Wadephuls?

Wir essen sehr gerne Wild. Das ist einerseits schmackhaft, und es ist echt bio, weil es wirklich aus der Natur stammt.

Machen Sie eine andere Außenpolitik als Vorgängerinnen oder Vorgänger im Ministeramt, weil Sie evangelischer Christ sind?

Das müssten andere beurteilen. Ich versuche, mich in meinem Leben mal erfolgreicher, mal weniger erfolgreich, an meinem Glauben zu orientieren. Das gilt für mein Privatleben genauso wie für mein berufliches Tun.

Welche Rolle spielt Religion in der Diplomatie?

Wenn Sie sich die größeren Konflikte dieser Erde angucken, haben viele davon einen religiösen Hintergrund. Nicht alle. Aber das muss einfach für jeden, der Außenpolitik macht, ein Thema sein. Das hat nichts mit meinem persönlichen Glauben zu tun, sondern ich muss einfach wissen und in meine Politik einbeziehen, dass auch Religionen eine Ursache für Konflikte sind. Manchmal zum Glück aber auch für Verständigung und für Versöhnung.

Unter ihrer Vorgängerin Annalena Baerbock (Grüne) wurde ein Referat im Auswärtigen Amt zu Religionen und Außenpolitik weitgehend abgeschafft. Verfolgen Sie da eine andere Strategie?

Ganz klar ja. Bitte nicht missverstehen im Sinne einer Christianisierung unserer Außenpolitik. Aber religiöse Aspekte müssen einfach mitgedacht werden. Dazu gehört auch die Verfolgung oder Diskriminierung von religiösen Minderheiten. Nicht umsonst haben wir beschlossen, dass wir in dieser Regierung den Beauftragten für Religions- und Weltanschauungsfreiheit, Herrn Rachel, im Auswärtigen Amt verorten. Das Christentum ist übrigens die stärkste betroffene Religionsgemeinschaft der Welt, wenn es um die Verletzung religiöser Rechte und Freiheiten und auch um Verfolgung geht. Darauf sollte man schon hinweisen.

Sie waren gerade in China. Auch dort werden Christen verfolgt. Hat das Thema Platz bei so einer Reise?

Ich spreche das in dem Bewusstsein an, dass das natürlich nicht zu einer grundlegenden Änderung führt. Aber Schweigen wäre nicht verantwortbares Unterlassen.

Sie sind CDU-Politiker. Zwischen den Kirchen und den Unionsparteien gibt es insbesondere beim Thema Migration Differenzen. Sitzen Sie als profilierter Christ zwischen den Stühlen?

Ich sehe in jedem Flüchtling ein Geschöpf Gottes, einen Menschen, der meine Nächstenliebe genauso verdient hat wie ein Nachbar, der seit Ewigkeiten neben mir lebt. Auf der anderen Seite weiß ich um die Begrenztheit unserer Möglichkeiten und die negativen Effekte einer sehr starken Zuwanderung, die wir gerade auch nach Deutschland hatten. In diesem Spannungsverhältnis befinde auch ich mich und kann Konflikten und Widersprüchen nicht ausweichen.

Sie spielen damit auf die Diskussion an, die Sie mit Ihrer Aussage, man könne aktuell kaum menschenwürdig in Syrien leben, in Ihrer Partei ausgelöst haben. Was war das Problem, und ist das ausgeräumt?

Als Außenminister ist es nicht nur meine Aufgabe, die deutsche Sicht der Dinge im Ausland zu repräsentieren, sondern auch das zurückspiegeln, was ich dort sehe und höre. Damit befinde ich mich in einem anderen Kontext als diejenigen, die hier rein innenpolitische Debatten zu bestreiten haben. Aber ich finde es auch nicht dramatisch, wenn es dann mal kracht und Positionen aufeinandertreffen. In der nachfolgenden Diskussion habe ich auch dazugelernt. Sie hat geholfen, zu vielen Gemeinsamkeiten zu finden.

Nämlich zu welchen, was die Frage nach Abschiebungen und freiwilliger Rückkehr nach Syrien angeht?

Wir haben von Anfang an gesagt, dass Personen, die schwerste Straftaten begangen haben oder Gefährder sind, abgeschoben werden. Das stand auch durch meine Aussage nie infrage. Dazu müssen mit der syrischen Regierung Gespräche geführt werden. Das habe ich dort unter anderem getan. Der weitere Aspekt ist, dass wir es Leuten ermöglichen wollen, zurückzukehren. Ein zukünftiger Aufenthalt in Deutschland ist nicht möglich für Menschen, die keine Integration in diese Gesellschaft schaffen und deswegen von unserem Sozialsystem abhängig sind. Dass die Akzeptanz dafür schwindet, ist völlig verständlich.

Wann werden Syrerinnen und Syrer in großer Zahl Deutschland wieder verlassen?

Wann und in welchem Zeitraum das genau erfolgt, ist entscheidend von äußeren Faktoren abhängig und daher schwer vorherzusagen. Aber es findet jetzt ein Befriedungsprozess in Syrien statt, ein Wiederaufbauprozess. Das Wichtigste, was wir jetzt tun können, ist, das praktisch zu unterstützen. Deswegen organisieren wir einen Besuch des syrischen Präsidenten Ahmed al-Scharaa in Deutschland, eine Wiederaufbaukonferenz und einen deutsch-syrischen Wirtschaftsrat.

Mit dem Besuch Al-Scharaas ist relativ bald im neuen Jahr zu rechnen?

Er ist eingeladen, und wir sprechen über Termine zu Beginn des Jahres. Aus deutscher Sicht wäre es wünschenswert, dass das möglichst bald stattfindet.

Hätten Sie einen Wunsch, welchen Appell Ahmed al-Scharaa an seine hier lebenden Landsleute richtet?

Ich habe Präsident al-Scharaa ja in Damaskus getroffen und weiß, dass er sich wünscht, dass möglichst viele Syrerinnen und Syrer zurückkehren und das Land mit aufbauen. Das finde ich sehr verständlich und unterstütze ich gerne.

Das Bundesinnenministerium hat in dieser Woche entschieden, dass ein Teil der Menschen aus Afghanistan mit Aufnahmezusagen aus bestimmten Programmen nicht mehr wird einreisen dürfen. Warum so viel Härte bei dieser überschaubaren Zahl gefährdeter Menschen?

An dieser Stelle ist das Bundesinnenministerium zuständig. Es hat diese Entscheidung nach Abwägung aller rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte so gefällt. Vorher haben wir dafür gesorgt, dass diejenigen, die einen rechtlichen Anspruch haben, auch herkommen können. Ich hatte vorher in Gesprächen mit der pakistanischen Seite erreicht, dass die Verfahren ein halbes Jahr länger laufen konnten. Deswegen konnten Menschen insbesondere aus dem Aufnahmeprogramm nach Deutschland kommen. Für Personen aus dem Überbrückungsprogramm und von der Menschenrechtsliste hat das Innenministerium diese Möglichkeit jetzt nicht mehr gesehen.

Werden alle anderen Personen – also diejenigen mit rechtlich festen Zusagen – noch bis Jahresende kommen können, bevor Ihnen die Abschiebung aus Pakistan droht?

Ich gehe davon aus, dass das Priorität hat. Die erforderlichen Überprüfungen und auch Flüge finden jetzt schnell statt.

Auch bei diesem Thema hat die evangelische Kirche die Bundesregierung kritisiert und sogar entschieden, Klageverfahren von Afghanen finanziell zu unterstützen. Ärgern Sie sich da auch mal über Ihre Kirche?

Nein, das ärgert mich nicht. Meine Kirche kann auch politisch sein, und das entscheidet sie autonom. Wir müssen uns immer auch gegenseitig aushalten. Ich brauche die Toleranz meiner Kirche gegenüber manchem, was ich politisch mache. Und die gibt es auch.

Genauso muss ich es aushalten, wenn meine Kirche sich kritisch zu dem äußert, was aktuelles Regierungshandeln ist. Das erlebe ich auch in manchem Gottesdienst. Und trotzdem gehe ich da immer mit guten Gefühlen raus.

Sind Sie regelmäßiger Gottesdienstbesucher?

Ja, für mich persönlich bedeutet das sehr viel. Der Gottesdienst beschreibt für mich Wochenende und Wochenanfang. Ich bin bewusst in eine Gemeinde nach Berlin gewechselt, weil ich dort insbesondere den Gottesdienst besonders ansprechend finde. Er ist sehr ausführlich, geht regelmäßig anderthalb Stunden. Das ist in Schleswig-Holstein eher die Ausnahme. Für mich persönlich ist das genau richtig. Zur Wahrheit gehört jedoch dazu, dass meine Wochenenden mittlerweile oft zerrissen sind und ich den Kirchenbesuch nicht schaffe. Dafür machen wir jetzt bei bestimmten Gelegenheiten auch ökumenische Andachten im Auswärtigen Amt. Etwa im Sommer, wenn wir unsere Kolleginnen und Kollegen in die Welt hinausschicken. Oder auch jetzt zum Jahresende.

Wie viele Mitarbeitende spricht das an?

Da zähle ich nicht nach. Wer kommt, der kommt. Und für die ist es dann auch wichtig. (epd/mig) Leitartikel Politik

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