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Menschen in Magdeburg (Archiv) © Michael Nguyen/AFP

Sachsen-Anhalt-Monitor

Ausländerfeindliche Einstellungen weit verbreitet

Mehr als die Hälfte der Menschen in Sachsen-Anhalt gelten als „fragile Demokraten“ – offen für autoritäre Lösungen und anfällig für ausländerfeindliche Einstellungen. Neue Daten zeigen, wie tief Vorurteile sitzen und warum das Land in einem Teufelskreis steckt.

Donnerstag, 11.12.2025, 10:39 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 11.12.2025, 10:39 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Sie stimmen der Idee der Demokratie zu, können sich aber auch eine Ein-Parteien-Regierung oder einen starken Führer vorstellen: In Sachsen-Anhalt gibt es laut einer Studie einen besonders hohen Anteil sogenannter fragiler Demokraten. Während 43,5 Prozent der Menschen zu den entschiedenen Befürwortern der Demokratie gehören, zählen 54 Prozent zur Gruppe der fragilen Demokraten, wie aus dem Sachsen-Anhalt-Monitor 2025 hervorgeht, den die Landesregierung in Magdeburg vorstellte. Der Monitor wird regelmäßig im Auftrag der Landeszentrale für politische Bildung erstellt.

„Fragile Demokraten sind nicht per se Antidemokraten“, sagte Gert Pickel von der Universität Leipzig. Vielmehr seien sie eine Gruppe, die nicht mehr ganz sicher sei. „Es sind diejenigen, die, falls es zu einem Systemumschwung kommt, nicht für die Demokratie einstehen werden“, so Pickel. „Es ist eine Gruppe, wo die AfD sehr erfolgreich sein könnte.“ Es gebe mehr fragile Demokraten unter Bürgern mit formal niedriger Bildung und mit einer rechten politischen Orientierung. Im Vergleich zum Bund gebe es in Sachsen-Anhalt etwas mehr solcher fragilen Demokraten.

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Die Studienautoren warnen: „In Ostdeutschland ist die Möglichkeit einer gesellschaftlichen Entwicklung im Sinne einer Aushöhlung der Demokratie oder gar einer Entdemokratisierung spürbar vorhanden.“

Verbreitete Vorurteile

Das zeigt sich auch in Bezug auf gruppenbezogene Vorurteile, die weit verbreitet sind. So finden „ausländerfeindliche Aussagen“ teils deutliche Zustimmung. Der Aussage „Die Ausländer kommen nur hierher, um unseren Sozialstaat auszunutzen“ wurde mit 38 Prozent eher zugestimmt als abgelehnt (22 Prozent). Gut ein Vierteil ist zudem der Meinung, Ausländer sollten „wieder in ihre Heimat“ zurückgeschickt werden, wenn Arbeitsplätze knapp werden.

52 Prozent halten den Islam für rückständig. Ebenso viele stimmen der Aussage zu: „Muslimen sollte die Zuwanderung nach Deutschland verboten werden.“ – ein massiver Anstieg im Vergleich zu den Werten aus dem Jahr 2020 (damals 19,6 Prozent). Eine restriktivere Asylpolitik wird ebenfalls von einer Mehrheit von 52 Prozent befürwortet. 81 Prozent sind zudem überzeugt, Langzeitarbeitslose nutzten das System aus.

Geschlossen rechtsextreme Einstellungen nach Parteipräferenz

Eine geschlossen rechtsextreme Einstellung liegt in der Bevölkerung bei einem Anteil von 8,6 Prozent zwar klar in der Minderheit, doch ist dieser Anteil höher als der, der in Befragungen zuletzt für Ostdeutschland beziehungsweise Deutschland ermittelt worden sei, heißt es in der Studie.

Aufgeschlüsselt nach Parteien zeigt sich: AfD-Anhänger weisen mit 57 Prozent den höchsten Anteil an geschlossen rechtsextreme Einstellung auf, es folgen BSW (22 Prozent) und die CDU mit 16 Prozent. Anhänger der Grünen sind in dieser Aufzählung mit 2,6 Prozent an der Spitze.

Persönliche Kontakte bauen Vorurteile ab

„Autoritäre Dispositionen, Dominanzorientierung und Verschwörungsmentalitäten erweisen sich als zentrale Treiber solcher Einstellungen“, heißt es in der Mitteilung der Landesregierung. Persönliche Kontakte zu Zugewanderten wirkten wiederum deutlich vorurteilsreduzierend.

Experten sehen Ostdeutschland hier in einem Teufelskreis. Verbreitete ausländerfeindliche Einstellungen in der Bevölkerung führten dazu, dass Einwanderer aus Angst um ihr Wohl nicht in diese Bundesländer ziehen. Ihr Fernbleiben wiederum führe dazu, dass Begegnung und Kontakte ausbleiben, die wichtig sind für den Abbau von Vorurteilen.

Menschenrechtler sehen hier auch die Landesregierung in der Pflicht, in der Migrationspolitik verbal abzurüsten. Die populistische, auf Abwehr fokuissierte Sprache trage ebenfalls nicht zu mehr Akzeptanz bei.

Hohe Zufriedenheit mit Demokratie

Wie aus dem Monitor weiter hervorgeht, sind 87 Prozent der Befragten mit der Demokratie als Staatsform prinzipiell zufrieden, mit dem Funktionieren der Demokratie jedoch weniger. Insgesamt ist das Vertrauen der Menschen in Landtag und Landesregierung höher als in den Bundestag und in die Bundesregierung. Die höchsten Zufriedenheitswerte erhalte die Polizei, knapp vor der Wissenschaft, sagte Pickel.

Die Mehrheit der Menschen im Land wolle in Ruhe und seriös regiert werden, sagte Wissenschaftsminister Armin Willingmann (SPD). Das geringe Vertrauen in Parteien stimme ihn jedoch nachdenklich. Diese seien unverzichtbar für die Demokratie, sagte der SPD-Politiker.

Mit dem Leben in Sachsen-Anhalt zufrieden

60 Prozent der Befragten sehen ihre persönliche Zukunft positiv. Nur 17 Prozent aber schätzen die Zukunft des Landes positiv ein. 83 Prozent befürchten, künftig nicht mehr in Frieden leben zu können. 90 Prozent gaben an, dass sie mit dem Leben in Sachsen-Anhalt zufrieden oder sehr zufrieden seien. Die Menschen schätzen die ländliche und kleinstädtische Struktur, das soziale Miteinander und den regionalen Zusammenhalt.

Wirtschaftsminister Sven Schulze (CDU) betonte mit Blick auf die AfD, die Studienergebnisse seien ein schlechtes Ergebnis für all jene, die immer wieder sagten, wie schlecht es Sachsen-Anhalt gehe. „Die Identifikation mit dem Land ist gestiegen“, sagte Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). Insbesondere spiele die Identifikation mit Ostdeutschland eine hohe Rolle. 62 Prozent der Befragten empfinden weiterhin eine Benachteiligung ostdeutscher Lebensläufe.

Für den Monitor wurden von Mai bis Juli 1.101 Personen telefonisch und online in Sachsen-Anhalt befragt. (dpa/mig) Aktuell Gesellschaft

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